Personal- und Organisationsentwicklung – wie etabliert man langfristig Veränderungsbereitschaft?

Die individuelle Auseinandersetzung mit der Entwicklung von Organisationsmitgliedern und der organisationalen Zukunft ist eine Aufgabe, welche für die Führungskräfte von heute und morgen als unabdingbar gilt. Jene Kompetenz, mit Veränderungsdruck umzugehen, gibt es jedoch nicht erst seit der Covid-19-Pandemie.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Betrieb & Organisation
Themen:
Arbeitswelten/NewWork Changemanagement Personal (Human Resources) Betriebsorganisation
Personal- und Organisationsentwicklung – wie etabliert man langfristig Veränderungsbereitschaft?

Schnell auf Marktgegebenheiten und -veränderungen reagieren zu können, ist Grundvoraussetzung, um als Unternehmen überlebensfähig zu sein. So weit, so gut, das lesen wir ja auch schon seit ein paar Jahren. Dennoch führte in vielen Unternehmen erst der enorme Druck durch eine derartige Krisensituation zur nötigen Einsicht. Plötzlich waren flexiblere Arbeitszeiten, der mobile Arbeitsort oder die Nutzung von Kollaborationstools notwendig und wurden unter gemeinsamer enormer Anstrengung umgesetzt. In fast allen Versicherungsunternehmen standen eine Vielzahl und Intensität an Veränderungen bevor, die wiederum für viele Mitarbeitende geradezu unvorstellbar waren. Einige sprechen davon, dass sie zwei bis fünf Jahre Weiterentwicklung der Organisation übersprungen haben. Und siehe da, die Versicherungsunternehmen existieren (trotzdem?) noch.

Dabei gab es reichlich Anlässe, sich weit vor der weltweiten Pandemie mit den Themen Organisations- und Personalentwicklung verstärkt auseinanderzusetzen. Herausforderungen aus dem demografischen Wandel, der Fachkräftemangel, die wachsenden Anforderungen der VUCA-Welt sowie neue Generationen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, hätten allein im letzten Jahrzehnt Grund genug sein sollen, um zu handeln. Aber offenbar reichte dieser Druck oder Treiber:innen in den eigenen Reihen für die Assekuranz nicht aus – es musste anscheinend erst so eine außergewöhnliche Situation wie die Covid-19-Pandemie eintreten.

Abgrenzung von Change-Management und Organisationsentwicklung fehlt oft

Mit dem Satz „Es besteht weiterhin Handlungsbedarf“ sollten sich an dieser Stelle speziell die Organisationsmitglieder mit Führungsverantwortung angesprochen fühlen, die gern an in die Jahre gekommenen Arbeitsmodellen festhalten. Diese Modelle haben uns über sehr viele Jahre auf einen erfolgreichen und richtigen Weg in das Heute gebracht und sind somit nicht partout schlecht. Aber die Organisationen werden mit Methoden und Modellen von gestern nicht die Probleme von morgen lösen können. Das heißt, es besteht deutlicher Handlungsbedarf. Zwar hat sich beispielsweise die Allokation von Budget für Veränderungsprojekte in Unternehmen in den letzten zehn Jahren verdoppelt, jedoch fehlt es nicht selten an der zentralen Abgrenzung von Change-Management und Organisationsentwicklung. Oft sind einzelne Projekte mit einem Arbeitspaket Change lediglich eine reine Momentaufnahme, was besser ist als nichts. Aber eine Organisationsentwicklung, die hin zu Flexibilität und gesteigerter Problemlösekompetenz im Unternehmen führen soll, bedarf eines ganzheitlichen Ansatzes, der eine Partizipation aller Ebenen einschließt und auf die langfristige Etablierung von Veränderungsbereitschaft ausgelegt ist.

Die Weiterentwicklung von Organisationen ist damit ein geplanter, systematischer und langfristiger Prozess als Managementaufgabe. Organisationsentwicklung schließt die Veränderung der Organisationsstruktur, der Unternehmenskultur sowie des individuellen Verhaltens von Führungskräften und Teams ein. Wir sehen Führungskräfte verstärkt in der Verantwortung, sowohl Personal- als auch Organisationsentwicklung gemeinsam mit allen zu betreiben. Genau diese Verantwortung kann durch die kontinuierliche Behandlung konkreter Themen wie Feedbackschleifen, Leistungsbeurteilungen, Mitarbeitergespräche, Karriere- und Nachfolgeplanung, Coaching und Mentoring abgedeckt werden. Daneben sollten Themenfelder wie Selbst- und Teamentwicklung sowie der Umgang mit Widerständen in Veränderungsprozessen behandelt werden. Denn diese sind sowohl für die Personal- als auch die Organisationentwicklung relevant.

Idealbild lernende Organisation

Wenn wir erkennen, dass eine enge Verzahnung von Personal- und Organisationsentwicklung unabdingbar ist, schaffen wir die Grundvoraussetzung, um Ideen wie die „lernende Organisation“ angehen zu können. Im Idealbild der lernenden Organisation befindet sich das Unternehmen in einem permanenten Zustand des Wandels. Die dauerhafte Organisations- und Personalentwicklung ist fest im Kern des Unternehmens verankert und die Mitarbeitenden überprüfen die Prozesse sowie ihre Denk- und Handlungsweisen immer wieder selbst. Alle sind in der Verantwortung, bei veränderten Rahmenbedingungen selbstorganisiert Anpassungen vorzunehmen, Veränderungen anzustoßen und sich Kompetenzen für deren Umsetzung anzueignen.

Wer als Führungskraft an dieser Stelle meint, zu spät dran zu sein, den Einstieg verpasst zu haben oder zu wenig Know-how auf diesem Gebiet aufzuweisen, dem empfehlen wir, den Blick nach innen wie nach außen zu richten. Denn oft gibt es die Vordenker:innen und Treiber:innen dieser Entwicklungen bereits im eigenen Haus, suchen Führungskräfte anderer Versicherungsunternehmen ebenfalls nach neuen Wegen. Und zuletzt lohnt sich ein Blick über den Tellerrand hinaus, denn auch andere traditionell geprägte Branchen, wie der Energie- oder Bankensektor, stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie die Assekuranz.

 

Autor:innen:
Kai Wedekind, Leiter Kompetenzteam Vertrieb & Service Versicherungsforen Leipzig
Nathalie Hempel, Projektassistentin Kompetenzcenter Arbeitswelten Versicherungsforen Leipzig


Dieser Text erschien zuerst in der Zeitschrift für Versicherungswesen, Ausgabe 14/2021

 

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