„Die Rolle des Facharchitekten kann zunehmend strategischer werden“
Die Facharchitektur schafft die Verbindung zwischen Fachseite und IT. Mit der Weiterentwicklung und dem Ausbau von Datenverarbeitung und Analyse – sei es mittels KI oder anderer Tools – verändert sich auch die Rolle des Facharchitekten im Versicherungsunternehmen. Was das genau bedeutet und wie die erfolgreiche Zusammenarbeit der verschiedenen Bereiche funktionieren kann, haben wir Prof. Dr.-Ing. Stefan Bente von der Technischen Hochschule Köln gefragt.
Versicherer entwickeln sich immer mehr auch zum Datenexperten und setzen bei Prozessen und Services zunehmend auf neue Technologien wie künstliche Intelligenz. Was bedeutet das für die Rolle des Facharchitekten?
In einer Welt, in der Versicherer immer mehr zu Datenexperten werden und dabei auf KI in verschiedensten Ausprägungen setzen, wird die Rolle des Facharchitekten immer wichtiger. Das gelingt aber nur, wenn das Facharchitekturteam diese Rolle auch aktiv gestaltet. Die Facharchitektur ist verantwortlich für den Brückenschlag zwischen Fachseite und IT – auch und gerade bei Systemen, die die Erfassung, Verarbeitung und Analyse großer Datenmengen ermöglichen. Mit dem Aufkommen von KI und anderen fortschrittlichen Technologien müssen Facharchitekten nicht nur technisch versiert sein, sondern auch ein tiefes Verständnis für Geschäftsprozesse und die spezifischen Anforderungen des Versicherungssektors haben. Damit kann ihre Rolle auch zunehmend strategischer werden, indem sie die technologische Vision des Unternehmens mitgestalten und die Weichen für zukünftige Innovationen stellen.
Bei der Automatisierung von Prozessen oder der Etablierung neuer Anwendungen arbeiten IT und Fachbereiche eng zusammen, um die nötige Fachlichkeit abzubilden. Diese Zusammenarbeit ist oft herausfordernd, da nicht immer die gleiche Sprache gesprochen wird. Wie kann es gelingen, effektiv zusammenzuarbeiten? Haben Sie da einen Tipp?
Die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen kann in der Tat herausfordernd sein, vor allem, wenn es darum geht, Fachlichkeit in technischen Systemen und Prozessen abzubilden. Mein Tipp wäre, die Kommunikation zu fördern und ein gemeinsames Verständnis für die Ziele und Anforderungen zu schaffen. Die Facharchitektur muss – mehr als vielleicht andere Rollen im Unternehmen – viel mit allen Seiten kommunizieren. Natürliche Stärken von Facharchitekten, wie Modellierung und das Verstehen und Vermitteln eines „Big Picture“, helfen dabei. Facharchitekten sollten die Sprache aller jeweils involvierten Stakeholder beherrschen und im besten Fall wie eine Mischung aus Pendeldiplomat und Übersetzer agieren.
Wie schätzen Sie aktuell den Umgang von Versicherungsunternehmen mit dem Spannungsfeld von historisch gewachsenen IT-Landschaften, dem hohen Tempo bei technologischen Entwicklungen und den sich verändernden Kundenbedürfnissen ein?
So gut wie alle Versicherungsunternehmen stellen sich seit Jahrzehnten der Herausforderung, ihre historisch gewachsenen IT-Landschaften zu modernisieren, während sie gleichzeitig mit dem raschen Tempo technologischer Entwicklungen Schritt halten und sich an veränderte Kundenbedürfnisse anpassen müssen. Als Mittel zum Erfolg wird häufig die Transformation der Organisation hin zu agilen Methoden versucht, um Prozesse kontinuierlich zu optimieren und die IT-Landschaften schrittweise zu modernisieren. Dies ist ein komplexer Prozess, der die Bereitschaft zu dauernder Veränderung voraussetzt – sowohl bei jeder und jedem einzelnen als auch der Organisation insgesamt. Unternehmen, die Schwierigkeiten mit dieser Balance zwischen „zu langsam“ und „zu schnell“ haben, laufen Gefahr, in eine dauerhafte technologische Warteposition zu geraten und den Anschluss zu verlieren.
Jetzt haben wir viel über die Rolle des Facharchitekten gesprochen. Etwas, das Sie auch auf der Fachkonferenz Facharchitektur im September tun werden. Welche Themen diskutieren Sie außerdem mit den Teilnehmenden der Veranstaltung?
Auf der Fachkonferenz für Facharchitektur werden wir in der Tat auch über die Rolle der Facharchitektur sprechen. Die Notwendigkeit, unsere Rolle immer wieder neu zu definieren und auszurichten, wird bleiben – daher ist ein fachlicher Austausch zu Good Practices und eigenem Profil unabdingbar. Hierzu gibt es einige Vorträge, die einen „Einblick in die Werkstatt“ ermöglichen. Darüber hinaus werden wir aber auch andere wichtige Themen diskutieren. Herausheben möchte ich die schon angesprochene disruptive Rolle der KI, zu der es einen Schwerpunkt auf der Konferenz geben wird. Außerdem wird uns auch die ebenfalls erwähnte agile Transformation beschäftigen. Ich freue mich schon sehr auf die Vorträge und die Gelegenheit zum Austausch und Networking geben.
