„Das ist ein Mud Race“ - Der Pressetalk zur nachhaltigen Altersvorsorge

Im Beitrag geben wir einen Einblick in die Diskussionspunkte des Pressetalks zum Thema nachhaltige Altersvorsorge.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Nachhaltigkeit Lebensversicherung
„Das ist ein Mud Race“ - Der Pressetalk zur nachhaltigen Altersvorsorge

Was sind die zehn größten Risiken, die uns in den nächsten Jahren weltweit beschäftigen werden? Mit der Global Risks Perception Survey 2020 bis 2021 hat das World Economic Forum Antwort auf diese Frage gefunden. Und diese Antwort macht klar, dass Nachhaltigkeit zu einem festen Grundsatz in unserem Denken und Handeln werden muss. Denn die drei größten Risiken, die uns in den nächsten Jahren beschäftigen werden, sind alle umweltbezogen:

Grafik Nachhaltigkeit

In unserem Pressetalk zum Thema Nachhaltige Altersvorsorge durften wir vier Experten begrüßen, die ihren Blick auf das Thema Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche mit uns geteilt haben:

  • Ralf Berndt, Vorstandsmitglied der Stuttgarter Lebensversicherung
  • Björn Bohnhoff, Vorstandsmitglied der Zurich Lebensversicherung
  • Uwe Mahrt, Geschäftsführer der Pangaea Life
  • Dr. Christian Klein, Professor für Sustainable Finance

Laut Christian Klein ist Nachhaltigkeit längst kein „Wollsocken-Thema“ mehr. Seit zwei Jahren etwa sehe man deutliche Aktivitäten aus Brüssel.   Auch die Versicherungsbranche nimmt das Thema ernst: „Versicherer haben erkannt, dass es hier um Risikomanagement geht“. Dementsprechend gibt es auch hier einzelne „First Mover“, die Nachhaltigkeit schon länger in ihre Unternehmensstrategie inkorporieren.

Nutzt die Versicherungsbranche den Hebel, den sie über die Kapitalanlage besitzt?

Fragt man Christian Klein, so wird den Versicherern demnächst nichts anderes übrige bleiben. Er geht davon aus, dass die Politik die Branche über die entsprechende Regulatorik dazu zwingen wird, beispielsweise einen gewissen Prozentsatz ihrer Kapitalanlage nachhaltig zu gestalten.

„Die Taxonomie war ein Game-Changer“ – mit dieser Aussage nimmt der Experte Bezug auf die Taxonomieverordnung der EU, die im Januar in Kraft getreten ist und bestimmt, was „ökologisch-nachhaltiges Wirtschaften“ ist. Das Regelwerk richtet sich an Unternehmen und Finanzmarktakteure wie Banken und Versicherungen und legt sehr genaue Kriterien dafür fest, wie diese ökologisch wirtschaften können. Erarbeitet wurde die Taxonomie von einem Gremium mit Experten aus Realwirtschaft, Finanzsektor, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Behörden. Laut Klein gäbe es zwar durchaus noch Fragezeichen in dieser Taxonomie, dennoch liefere sie eine Orientierungshilfe für die Umsetzung nachhaltiger Produkte: „DAX-Unternehmen beschäftigen sich schon seit Jahren damit, was da auf sie zukommt. Der deutsche Mittelstand wird sich da noch die Augen reiben“.

Cherry-Picking oder ganzheitliche Strategie?

Für Ralf Berndt ist die Nachhaltigkeits-Strategie der Stuttgarter Versicherung ganz klar ganzheitlich ausgerichtet: „Nachhaltigkeit gehört zum Unternehmensverständnis, ist Teil unserer DNA“. Dementsprechend wird Nachhaltigkeit als abteilungsübergreifendes Projekt behandelt, dessen Grundsätze sich nicht nur in den Produkten und der Kapitalanlage spiegeln, sondern auch in der Unternehmensorganisation. In den Kernunternehmensprozessen, also zum Beispiel Kantine, Energieverbrauch und Fahrzeugflotte, will die Stuttgarter bis 2029 klimaneutral werden – nicht durch den Kauf von Zertifikaten, sondern durch eine grundlegende Überarbeitung der Prozesse.

Das Ambitionsniveau im Assetmanagement

„Es geht nicht darum, 2050 klimaneutral zu sein – nein, letztlich geht es darum, mit einer gewissen Geschwindigkeit diese Transformation zur Nachhaltigkeit voranzubringen“, sagt Björn Bohnhoff von der Zürichr Versicherung. Und genau dafür sei Kapital ein extrem wichtiger Faktor – Regulatorik, Kundenverhalten und intrinsische Motivation seien dafür bedeutende Einflussgrößen: Die Politik setze bereits neue Rahmenbestimmungen und wenn sich das Kundenverhalten ändere, werde sich auch die Industrie anpassen. Darüber hinaus stießen viele Unternehmen aber bereits aus einer intrinsischen Motivation heraus Transformationsprozesse an. In der Versicherungsbranche sei diese intrinsische Motivation auch darin begründet, dass Versicherer über die Kompositsparten zu den ersten Betroffenen das Klimawandels zählen. Gleichzeitig biete die Kapitalanlage in der Altersvorsorge den Kunden eine sehr niedrigschwellige Möglichkeit, sich für Nachhaltigkeit zu entscheiden: „Die Verbraucher müssen letztlich nur ein Häkchen setzen. Da muss auf nichts verzichtet werden, die Hürde ist niedrig“.

Als Kapitalanleger können die Versicherer laut Bohnhoff Investitionen in grüne Infrastruktur beschleunigen – Stichpunkt Impact Investment. Sie können zudem Kapital für CO2-intensive Branchen verknappen. Der dritte und wichtigste Punkt ist für Bohnhoff die Rolle als Investor aktiv zu nutzen, um mit CO2-intensiven Branchen in den Dialog zu treten und auf nachhaltige Transformationen hinzuwirken. „Um einen wirklichen Impact auf die Industrie zu haben, müssen wir hier mit anderen Anlegern zusammenarbeiten“.

Hell- oder Dunkelgrün im Unternehmen?

Uwe Mahrt von der Pangaea Life sieht sein Unternehmen klar im dunkelgrünen Nachhaltigkeitsspektrum: „Wir sind seit 2018 klimaneutral – auch durch die Nutzung von Zertifikaten“. Dabei sieht er die Pangaea Life dennoch als Teil eines „großen Ganzen“ – als Teil der Unternehmensgruppe „Die Bayerische“ treibe sie den Mutterkonzern in Sachen Nachhaltigkeit mit an. Und jeder kleine Schritt sei wertvoll, vom Verzicht auf Plastikmilchdöschen, über den Vermerk der CO2-Bilanz auf dem Kantinenessen, bis hin zu Fairtrade-Kaffee vom unternehmenseigenen Barista. „Mit den Kleinigkeiten fängt es an“, sagt Mahrt. Inzwischen sei aber jede Abteilung in Nachhaltigkeitsfragen integriert: „Jeder soll schauen, was man besser machen kann. Bis 2030 wollen wir aus eigener Kraft klimaneutral werden“.

Und auch die nachhaltige Markstrategie komme beim Kunden an, so Mahrt. Pangaea Life sei das zweitumsatzstärkste Produkt der Bayerischen: „Es macht schon stolz, wenn man zumindest ein Stück weit die Welt retten kann und das auch noch mit einer vernünftigen Rendite“, so der Geschäftsführer.

Begeisterungsfaktor nachhaltige Altersvorsorge

Möglichkeiten zur nachhaltigen Altersvorsorge werden nachgefragt. Laut einer Umfrage des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale sagen 53 Prozent der Kunden, Nachhaltigkeit sei ihnen wichtig. „Über ein Drittel unseres Neugeschäfts liegt in der grünen Altersvorsorge“, weiß Ralf Berndt von der Stuttgarter. Dabei habe die verpflichtende Nachfrage nach den Nachhaltigkeitspräferenzen deutlich Auswirkungen auf den Abschluss entsprechender Versicherungen. Dafür müssen Vermittler mittels Weiterbildungen befähigt werden, das Thema Nachhaltigkeit anzusprechen und die Kunden kompetent zu beraten, betont auch Christian Klein. Gleichzeitig müsse man auch bei den Kunden eine Art „Sustainable Literacy“ schaffen und erklären, warum auch bei einer nachhaltigen Anlage sein Geld nicht zu 100 Prozent in Windkraftanlagen investiert wird.

Letztlich sei die Nachhaltige Altersvorsorge ein Produkt, mit dem man sich positiv am Markt abgrenzen könne, so Bohnhoff. Der Zurich-Manager zeigt sich optimistisch, appelliert aber auch an den Teamgeist in der Branche: „Ich glaube, wir in Deutschland können klimaneutral werden und das 1,5-Grad-Ziel einhalten. Aber das ist kein Marathon, sondern ein Mud Race: Es geht hier nicht darum, zuerst ins Ziel zu kommen, sondern meinen Mitstreitern über die Hindernisse zu helfen. Wir haben gewonnen, wenn alle im Ziel sind.“