Studie: Nachhaltigkeit bei Banken und Versicherungen (13.05.2020)

[Wien/Leipzig, 13. Mai 2020] Klimaschutz und Nachhaltigkeit gewinnen für Unternehmen der Finanzwirtschaft immer mehr an Bedeutung. Nachhaltigkeit wird in Banken und Versicherungsunternehmen punktuell bereits gelebt. Die Verankerung ist jedoch nicht über alle Dimensionen hinweg – ökologische, ethisch-soziale und ökonomische – gleich ausgeprägt. Das zeigt eine aktuelle Studie, die emotion banking, das Mindful Finance Institute, die Bankenforen und die Versicherungsforen Leipzig gemeinsam durchgeführt haben.

Aktuelle Befragung unter Führungskräften in Deutschland, Österreich und Südtirol

  • Politischer und sozialer Nachhaltigkeitsdruck sowie Übernahme von Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft sind die wichtigsten Motive für nachhaltige Aktivitäten der Unternehmen.
  • Bestehende Aktivitäten konzentrieren sich derzeit vor allem auf die soziale und die ökonomische Dimension. In puncto Klimaschutz und Ressourcenschonung existiert der größte Aufholbedarf.
  • Innerhalb des Bankensektors existieren bislang kaum verbindliche Handlungsrichtlinien für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, Versicherungsunternehmen sind hier besser aufgestellt.
  • Aktuell dominiert noch eine reaktiv-herantastende Haltung bei den Führungskräften. Proaktiv werden nur von wenigen Banken und Versicherungen Chancen im Thema Nachhaltigkeit gesucht.

Für die Studie wurden im März 2020 insgesamt 159 Führungskräfte aus Banken, Sparkassen und Versicherungsunternehmen in Deutschland, Österreich und Südtirol online befragt und um ihre Einschätzung zum aktuellen Umsetzungsstand von Nachhaltigkeitsaktivitäten im eigenen Unternehmen gebeten.

Regulatorischer und sozialer Druck steigt

Die aktuellen Entwicklungen rund um die Maßnahmen der EU-Kommission (etwa in Form des EU-Aktionsplans „Financing Sustainable Growth“), die zunehmende Beschäftigung von Aufsichtsbehörden mit diesem Thema, Bewegungen wie „Fridays for Future“ und nicht zuletzt die zunehmende Nachfrage der Kundschaft nach nachhaltigen Finanzprodukten zeigen: Nachhaltiges Wirtschaften ist nicht mehr optional, sondern wird von Politik und Gesellschaft zunehmend eingefordert. „Nachhaltigkeit ist längst kein Nischenthema mehr, sondern trägt in wirtschaftlich turbulenten Zeiten zum Unternehmenserfolg und zum Vertrauen der Bevölkerung in die Finanzwirtschaft bei“, betont Jens Ringel, Geschäftsführer der Bankenforen und der Versicherungsforen Leipzig.

Und dieser Druck treibt an: Das Erfüllen der regulatorischen Auflagen und das Vermeiden von Reputationsrisiken sind bezogen auf die Gesamtheit der Befragten die wesentlichen Motivationen für nachhaltige Aktivitäten (jeweils über 73 Prozent Zustimmung), dicht gefolgt von der Übernahme von Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft. Hier zeigen sich aber Unterschiede im Vergleich zwischen Banken und der Gruppe der Versicherer, für die die Regulatorik deutlich präsenter ist.

Ökologische Dimension mit Aufholbedarf

Analog zu den ESG-Dimensionen (Environment, Social und Governance) hat die Studie ökologische, ethisch-soziale und ökonomische Verantwortungsbereiche untersucht. Bestehende Aktivitäten konzentrieren sich derzeit vor allem auf die soziale und die ökonomische Dimension. In puncto Klimaschutz und Ressourcenschonung existiert der größte Aufholbedarf. „Für uns zeigt sich ein Bild, dass praktisch alle Institute erste Maßnahmen gestartet haben. Und da greift man häufig zu Naheliegendem wie beispielsweise Förderung der betrieblichen Gesundheit oder Vertrieb nachhaltiger Fonds. Aber nun sollte die zweite Stufe gezündet werden“, zeigt sich Dr. Christian Rauscher, der Geschäftsführer von emotion banking überzeugt, denn „es gibt große Chancen für das Geschäftsmodell und die Marktpositionierung, die man nicht übersehen sollte. Da schmerzt es, dass zwar über drei Viertel der Befragten angeben, unternehmensintern auf Umweltschutz und einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen zu achten, jedoch die Maßnahmen selten überprüft und gesteuert werden. Jene, die warten, bis alles durch Regulatorik vorgeschrieben ist, werden nur Aufwand buchen.“

Kaum verbindliche Handlungsrichtlinien und Ziele im Bankensektor

Hilfreich für die Umsetzung von nachhaltigkeitsbezogenen Maßnahmen sind normative, strategische und kulturelle Rahmen, um gerichtete Aktivitäten hervorzurufen. Drei Elemente zur Ausgestaltung einer nachhaltigen Organisation wurden im Rahmen der Studie abgefragt. Besonders auffällig: Innerhalb des Bankensektors existieren bislang kaum verbindliche Handlungsrichtlinien für Klimaschutz und Nachhaltigkeit, nur 23 Prozent haben dies angegeben. Versicherungsunternehmen sind hier besser aufgestellt (42 Prozent). 65 Prozent der Versicherer verfügen überdies über einen Nachhaltigkeitsbeauftragten oder eine ähnliche Rolle, bei Banken sind es 45 Prozent.

Nachhaltigkeit als wichtiger Teil der Unternehmenskultur

Die Umsetzung der regulatorisch geforderten Nachhaltigkeitsmaßnahmen wird bei den Befragten vor allem mit Aufwand und Kosten verbunden. Nur jeder Fünfte erwartet einen positiven Beitrag auf die Ertragslage im eigenen Unternehmen. Eine proaktive Beschäftigung mit dem Thema und insbesondere die Suche nach Chancen aus der Nachhaltigkeit für das eigene Geschäftsmodell sind hier wesentliche Handlungsfelder, um Nachhaltigkeit nicht nur als Erfüllung der Pflicht zu verstehen, sondern langfristig zu leben und in Unternehmensstrategie und -kultur zu übersetzen. „Das Shareholder-Value-Konzept als einziger Parameter guten Managements hat längst ausgedient. Wir müssen Verantwortung übernehmen, für unsere Mitarbeiter, für unsere Kundenbeziehungen, für unsere Produkte und Dienstleistungen, für unser Tun und Unterlassen. Dies sind tiefe Veränderungen in unserer Unternehmenskultur, die wir beherzt anpacken sollten“, resümiert Dr. Christian Rauscher.

Die komplette Studie ist abrufbar unter https://www.emotion-banking.at/analytik/studien