Quo vadis Kraftfahrtversicherung
Die mit Abstand größte Sparte der Kompositversicherung steht im Grunde sehr gut da und auch die Zukunftsaussichten sind positiv. Rosige Zeiten, mag man meinen, aber – der Titel lässt es erahnen – unter Umständen hat die Sache einen Haken.
Entwicklung der Kfz-Sparte
Dennoch kann man mit Fug und Recht behaupten, dass der Kraftfahrtversicherung ungewisse Zeiten ins Hause stehen, denn zahlreiche Megatrends haben das Potential, die Sparte nachhaltig zu verändern.
Mobilitätswende
Autos zu nutzen, anstatt sie zu besitzen, wird scheinbar immer mehr zum Selbstverständnis – Carsharing liegt insbesondere in den Großstädten im Trend. Allerdings wohnen 70 Prozent der Bevölkerung in Orten mit weniger als 100.000 Einwohnern und somit eben nicht in den besagten Großstädten[1]. Hierzu gesellt sich die über viele Jahre ziemlich konstante Verteilung der zugelassenen PKW mit fast 90 Prozent auf private Halterinnen und Halter und nicht auf Carsharinganbieter. [2] Also eigentlich kein Grund zur Sorge. Aber gehört zur vorausgesagten Verkehrswende nicht die autofreie (Groß-)Stadt und gleichzeitig die Stärkung anderer Mobilitätskonzepte? Dies würde wohl auch den Nerv der Generation Fridays4Future treffen und lässt erahnen, wie (un-)wichtig das Statussymbol Auto in naher Zukunft sein wird. Auch wenn das Auto an Bedeutung verliert, wird es im ländlichen Raum weiterhin unabdingbar sein und das Verkehrsmittel Nummer eins bleiben. Bis die alternativen Mobilitätskonzepte flächendeckend greifen, werden noch viele Jahre vergehen. Die Versicherer können sich ungeachtet dessen jedoch nicht ausruhen, sondern müssen weiterdenken und multimodale Mobilitätsdeckungen entwickeln und testen. Und zwar konsequent am Kunden und seinen Bedürfnissen ausgerichtet.
Entwicklung des selbstfahrenden Autos
Welchen Einfluss wird die technologische Weiterentwicklung des Autos auf die Versicherungsbranche haben? Die bisher eingetretenen Auswirkungen durch die Fahrerassistenzsysteme und den damit einhergehenden Rückgang der reinen Schadenzahl, wird durch die steigenden Kosten der Schadenbehebung aufgewogen. Das ist zum einen darin begründet, dass die elektronischen Helfer an sich sehr kostspielig sind (bestes Beispiel ist hier die Verteuerung des Glasschadens aufgrund der verbauten Sensoren) und zum anderen steigen die Preise für Auto-Ersatzteile rasant an. Hierzu hat der GDV im letzten Jahr eine Grafik veröffentlicht und die Preise für 34 Ersatzteile im Zeitverlauf von 2013 bis 2019 dargestellt (Auszug: der Preis für Rückleuchten ist in diesem Zeitraum um 53 Prozent gestiegen, der Preis für die Seitenwand hinten um 35 Prozent)[1]. Gibt es hier bald eine gesetzliche Reform, die den Designschutz für sichtbare Ersatzteile aufhebt und dadurch einen freien Ersatzteilmarkt ermöglicht? Dies hätte einen spürbaren Effekt auf die Kraftfahrtversicherer und deren Schaden-Kosten-Quote.
Weiterhin wird die bekannte Statistik, dass 98 Prozent der Unfälle durch den Menschen verursacht werden, immer wieder ins Spiel gebracht, wenn es um selbstfahrende Autos geht. In Zukunft werden also im besten Fall (fast) keine Unfälle mehr entstehen und die Versicherung braucht sich vorrangig nur noch um Teilkasko- und Vandalismusschäden zu kümmern. Wie sinnvoll ist in einem solchen Szenario überhaupt noch die gesetzliche Pflicht zur klassischen Kraftfahrthaftpflichtversicherung? Aber bis eine flächendeckende Durchdringung des Marktes mit autonomen Fahrzeugen tatsächlich Realität ist, wird noch sehr viel Zeit vergehen. Die erste spürbare Ausbaustufe mit einem Autobahnpiloten soll laut einer optimistischen Schätzung der Prognos AG frühestens in zehn Jahren bei den Neuzulassungen in den zweistelligen Prozentbereich vordringen. Nur sind die Autobahnen statistisch gesehen bereits jetzt unsere sichersten Straßen. Erst 15 Jahre später könnten Fahrzeuge mit City-Piloten in den zweistelligen Zulassungsbereich folgen und nochmal eine Dekade später die Tür-zu-Tür-Piloten. Hinzu addiert sich das durchschnittliche Fahrzeugalter der PKW in Deutschland von 9,5 Jahren. Somit wird deutlich, dass der Zeitraum, bis die skizzierten Auswirkungen eintreten, doch recht groß und schwer zu überblicken ist.
Weiterdenken
Trotzdem sollten die Versicherer weitere Bestrebungen unternehmen, um bei ihren Kunden relevant zu bleiben. Braucht es gar disruptive Ansätze mit vollkommen neuen Deckungskonzepten oder Produkten in der Kraftfahrtversicherung? Die GAV Versicherungs-AG testet eine Reparaturkostenversicherung und bringt sich als „Sorgenverminderer“ bei seinen Kunden in Stellung.[1] Die bestehende Produktpalette wird erweitert und bisher nicht versicherte Situationen bzw. Nischen werden abgesichert.
Es wird sich auch in naher Zukunft weiterhin viel um die Gewinnung und Bindung von Kunden drehen. Einfach auf den Schadenfall zu warten und zu hoffen, den Kunden dann im besten Fall positiv zu überraschen, sollte nicht die einzige Taktik zur Steigerung der Kundenzufriedenheit sein. Denn dafür tritt der Schaden für den Einzelnen viel zu selten ein. Dagegen sollten eher Lösungen gefunden werden, wie die Kundenbindung sowie -nähe und dadurch die Loyalität der Kunden zur Versicherung unabhängig vom Schadeneintritt gesteigert werden kann. Ein mögliches Beispiel, wie genau das funktionieren kann, ist das Customer Happines Team der freeyou AG – ein eigens aufgebautes Team, welches dem Kunden auf vielfältige Weise zur Verfügung steht und einen schnellen Service bietet. [2]
Die Versicherer müssen überlegen, was dem Kunden einen echten Mehrwert bietet und sich idealerweise vom Wettbewerb abhebt. Sie müssen für die bevorstehenden, ungewissen Zeiten vorbereitet sein und dürfen sich nicht auf vergangenen sowie aktuellen Zahlen ausruhen.
Wollen Sie gemeinsam mit anderen Branchenvertretern über die Entwicklung der Kraftfahrtversicherung diskutieren? Dann melden Sie sich zum Initialisierungstreffen der User Group „Strategische Handlungsoptionen in der Kraftfahrtversicherung“ am 11. März 2020 in Leipzig an. Für weitere Informationen zur User Group besuchen Sie gern: www.versicherungsforen.net/kfz
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