Low Code/No Code in der Praxis: „Power Platform“ und „Maker“ bei HDI Global
Im Interview gibt Dr. Jan Jöhnk einen Einblick über den Einsatz von Low Code/No Code bei HDI Global.
Low Code/No Code: kurz erklärt
Low-Code-/No-Code-Plattformen ermöglichen die Entwicklung von Softwareanwendungen mit wenig bis keiner Programmierkenntnis. Benutzerinnen und Benutzer erstellen Anwendungen durch grafische Benutzeroberflächen und vorgefertigte Module. Dies soll den Entwicklungsprozess beschleunigen, Kosten reduzieren, Fachkräftemangel in der IT entgegenwirken und die IT-Entwicklung für ein breiteres Publikum zugänglich machen. Solche Plattformen können Innovation und Effizienz fördern, indem sie technische Barrieren senken und die Zusammenarbeit zwischen IT und Fachabteilungen erleichtern.
Wie das Konzept in der Praxis umgesetzt werden kann, zeigt das Beispiel HDI. Dr. Jan Jöhnk, Product Owner Microsoft Power Platform bei der HDI AG, spricht im Interview über das Konzept der „Citizen Developer“, bereits entwickelte Low-Code-/No-Code-Anwendungen und ob dadurch bereits Entlastungseffekte bei der IT spürbar sind.
Sie bauen beim HDI seit August 2023 eine „Power Platform“ für Low-Code- und No-Code-Programmierung auf. Können Sie uns erklären, was sich dahinter verbirgt?
Die Power Platform von Microsoft ist eine Sammlung von Werkzeugen, darunter Power BI, Power Apps und Power Automate. Wir nutzen die Plattform bei HDI Global, um interaktive, datenorientierte und automatisierte Lösungen für interne Prozesse zu erstellen. Während Power BI bei uns schon länger im Einsatz ist, liegt unser Fokus derzeit vor allem auf Power Apps und Power Automate. Wir ermöglichen dadurch Kolleginnen und Kollegen, eigenständig kleine Anwendungen entwickeln zu können, auch ohne tiefe Programmierkenntnisse oder IT-Hintergrund.
Sie setzen auf „Citizen Development“, also dass Mitarbeitende aus den Fachbereichen mit Low Code eigenständig Anwendungen entwickeln können. Wie funktioniert das in der Praxis Ihrer Erfahrung nach, nehmen die Mitarbeitenden das gut an?
Unsere „Maker“ – so nennen wir bei HDI Global die Citizen Developer aus den Fachbereichen – sind begeistert von der Möglichkeit, mit Hilfe von Low Code selbst Lösungen zu entwickeln. Es sind oft IT- und datenaffine Menschen im Unternehmen, welche die Chance ergreifen und durch ihre Neugierde und ihren Gestaltungswillen schnell Erfolge verzeichnen können. Wir setzen darauf, eine Kultur im Unternehmen zu verankern, die es der gesamten Belegschaft schmackhaft macht, sich mit dem Thema „Power Platform“ auseinanderzusetzen.
Natürlich kann es eine Herausforderung sein, sich das erste Mal auf der Plattform mit all ihren vielfältigen Möglichkeiten zurechtzufinden. Aber genau da kommen mein Team und ich ins Spiel. Wir helfen und unterstützen, und es ist faszinierend, zu beobachten, wie die Maker von Mal zu Mal sicherer und selbstbewusster werden, wenn sie ihre Ideen direkt in Lösungen umsetzen. Auf der Power Platform haben sie alle technischen Möglichkeiten auf Abruf und können ihre Ideen schnell umsetzen.
Low-Code/No-Code-Anwendungen sollen die IT entlasten. Spüren Sie diese Effekte bereits?
Mit der Einführung von Low Code/No Code hat sich die Geschwindigkeit in der IT-Entwicklung erhöht, da die Fachbereiche nun in der Lage sind, einen Teil ihrer Anforderungen selbst zu lösen. Unsere ersten Pilot-Apps wurden in rund acht Wochen entwickelt. Wohlgemerkt von jeweils ein bis zwei Makern, die das neben ihren normalen Aufgaben bewältigt haben.
Wir sehen außerdem, wie unsere Maker in den Fachbereichen lernen, direkt in IT-Lösungen zu denken. Vom zugrundeliegenden Datenmodell bis hin zum intensiven Testen einer Anwendung vor dem Go-Live. Das verbessert die Zusammenarbeit zwischen Business und IT insgesamt. Denn die Teams nähern sich einander an und sprechen in vielen Fällen schon die gleiche Sprache. Es ist also nicht so sehr so, dass die IT weniger tun muss, sondern vielmehr so, dass wir gemeinsam mehr erreichen.
Haben Sie ein Beispiel für eine erfolgreiche Entwicklung bei Ihnen mittels der Power Platform?
Gemeinsam mit unseren Makern haben wir mit der Power Platform bereits einige Erfolge erzielt. Ein besonderes Beispiel ist eine Power App, die einen mühsamen Prozess mit PDF-Formularen und E-Mails für interne Risikofragebögen ersetzt. Die App sammelt nicht nur alle Informationen zentral in einer gesicherten Umgebung, sondern orchestriert auch den Workflow zwischen Underwritern und Risikoingenieuren. Durch diese effiziente und strukturierte Datenerfassung und -verwaltung konnten wir bei HDI Global die Qualität und Geschwindigkeit der Risikobewertung und Entscheidungsfindung erheblich verbessern. Dies zeigt, wie die Power Platform dazu beiträgt, Prozesse zu optimieren und die Effizienz zu steigern.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Chancen von Low Code/No Code?
Die größten Chancen von Low Code/No Code sehe ich in der Fähigkeit, maßgeschneiderte IT-Lösungen zu erstellen, die Prozesse benutzerfreundlicher und effizienter machen. Einige der häufigsten Probleme, die durch Low Code/No Code gelöst werden, sind die langsame Umsetzung von Anforderungen, die begrenzte Flexibilität bestehender Systeme und die Schwierigkeit, neue Funktionen in den bestehenden Workflow zu integrieren. Wenngleich Low Code/No Code insbesondere bei komplexen Anforderungen, wie bspw. in versicherungstechnischen Kernsystemen, an natürliche Grenzen stößt.
Jedoch können unsere Maker mit Low Code/No Code selbst Lösungen erstellen, die genau auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind und sich nahtlos in ihre Arbeitsabläufe einfügen. Darüber hinaus ermöglicht es uns, Schatten-IT effektiv zu steuern und eine saubere Dokumentation zu gewährleisten. Auf kultureller Ebene sehen wir bei HDI Global auch, wie diese Art von Entwicklung die technischen Fähigkeiten unserer Mitarbeitenden fördert und eine starke Community entstehen lassen kann.
Welche Schritte/Themen haben Sie als nächstes geplant bzw. werden umgesetzt?
Unsere nächsten Schritte konzentrieren sich vor allem auf die Skalierung der Plattform. Dies umfasst
1) die strukturierte Erarbeitung und Förderung von Anwendungsfällen mit dem höchsten Business Value,
2) die fortlaufende Befähigung unserer Maker und Förderung unserer Community sowie
3) das Ausschöpfen des vollen Potenzials der Power Platform, indem wir unser Angebot an die Maker kontinuierlich weiterentwickeln.
Wir freuen uns auf den Vortrag von Dr. Jan Jöhnk gemeinsam mit seinem Kollegen Martin Tölk beim Erfahrungsaustausch „Digitalisierung von Prozessen – Low-Code-/No-Code-Strategien für Versicherungen“ am 24. und 25. September 2024 in Leipzig. Die beiden Experten werden einen tieferen Einblick in die Citizen-Development-Strategie der HDI Global geben, über die Umsetzung von Governance und Compliance für Low Code/No Code sprechen sowie den Skalierungsansatz vorstellen.