Dunkelverarbeitung in der Versicherungswirtschaft: Status quo und Hausaufgaben

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
KI / AI / künstliche Intelligenz Automatisierung Digitalisierung Dunkelverarbeitung
Dunkelverarbeitung in der Versicherungswirtschaft: Status quo und Hausaufgaben
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Immer wieder hört man, dass die Digitalisierung in jedem Versicherungsunternehmen eine zentrale Rolle einnehmen muss, damit diese wettbewerbsfähig bleiben. Die Versicherungsbranche hat das verstanden und versucht, die neue digitale Welt, trotz der Last alter Bestandssysteme, zu integrieren. Dass Digitalisierung jedoch mehr bedeutet, als Prozesse neu zu denken und mit modernster Technologie zu untermalen, darüber diskutierten am 5. und 6. Februar knapp 200 IT-Experten aus der Versicherungsbranche.

Die Fachkonferenz „Dunkelverarbeitung und Workflowmanagement in Versicherungen“ fand in diesem Jahr zum vierten Mal statt. Dass das Thema den ITlern der Branche unter den Nägeln brennt, spürte man an der großen Teilnehmerzahl. Deutlich wurde im Rahmen der zahlreichen Vorträge, dass die Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen zu kämpfen haben und es gut tut, darüber zu sprechen, denn die Datenflut, die es digital zu verarbeiten gilt, steigt.

Automatisieren von Prozessen: Die Frage nach dem „warum“ und „wie“

Der erste Veranstaltungstag hielt eine Fülle an Praxisbeiträgen bereit. Einblicke gab es u. a. von der SwissLife Deutschland und der Hannover Rück, die beide durch Automatisierung und KI das Inputmanagement effizienter gestalten. Auch die Provinzial NordWest, die Helvetia Versicherungen, die Techniker Krankenkasse und die Generali Deutschland Schadenmanagement GmbH zeigten Beispiele, wo die Prozesse effizienter gestaltet wurden.

Grundlage für die Automatisierungsprojekte sind u. a. Unternehmensstrategien, wie bei der Helvetia, die mit der Strategie Helvetia 20.20 „Prozesse vereinfachen oder Kunden begeistern will – am besten aber beides zusammen“. Entstanden ist daraus das Projekt KOPS (Kunden Orientierte Prozessunterstützte Schadenbearbeitung), das die Schadenanlage automatisiert, die sofortige Verfügbarkeit der Schadennummer ermöglicht und Transparenz über den Bearbeitungsstand für die Versicherten schafft. Ein weiteres Ziel von KOPS ist die Schaffung einer Grundlage für die komplette Schadendunkelverarbeitung. Die Helvetia setzt dabei auch auf den Einsatz von Robotic Process Automation (RPA).

Diskutiert wurde auch über die Sinnhaftigkeit und Priorisierung von Prozessautomatisierungsprojekten. Marco Vellmete von der VKB ging in seinem Vortrag auf die Grenzen der künstlichen Intelligenz ein und appellierte an die Teilnehmer, bei der Automatisierung immer erst zu schauen, wo die regelbasierten Methoden an ihre Grenzen stoßen. Die Fehlerquote von KI sei noch zu hoch. Beim Textverständnis auf Dokumentenebene liegt die Erkennungsquote mit KI bei 50 Prozent, regelbasiert bei 70 Prozent.

Auch bei der Axa wird genau geprüft, welche Projekte und Prozesse digitalisiert werden. Dr. Florian Hamel gab Einblicke, wie Projekte priorisiert und am Ende umgesetzt werden. Die Axa verfolgt einen wertorientierten Ansatz. Zudem sollten die Prozesse abteilungsübergreifend relevant sein. Der somit verfolgte hybride Ansatz ermöglicht eine optimale Abbildung der Customer Journey. Die Projekte werden bei dem Versicherer in cross-funktionalen, agilen Teams, bestehen aus IT und Businessgeber, durchgeführt. Er betonte dabei, wie wichtig es sei, die notwendigen Skills im eignen Haus aufzubauen, um Agilität zu gewährleisten. Im Sinne von „It gets worse before it gets better“ wies er darauf hin, dass Prozessautomatisierung nicht gleich Kostenersparnis bedeutet, denn es sei immer erst einmal ein Invest notwendig, der sich erst spät auszahlt.

Digitalisierung und Changemanagement gehen Hand in Hand

Dass Digitalisierung mehr bedeutet, als die neuste Technologie im Einsatz zu haben, betonten Markus Hofer, Geschäftsführer der Generali Deutschland Schadenmanagement GmbH, und Jens Schmitt, Leiter Produktionsmanagement bei der Deutsche Telekom Außendienst GmbH. Markus Hofer gab den Hinweis „Technik erzwingt keinen Change“. Die Mitarbeiter müssten aktiv auf diese Reise mitgenommen werden, denn mit der Automatisierung von Prozessen werden auf diese neue Aufgaben zukommen, was bedeutet, das gewohnte Bahnen verlassen werden. Zudem tastet sich die Generali mit ihren Digitalisierungsmaßnahmen an den „digitalen Appetit“ des Kunden heran. Der will am Ende von den technischen Möglichkeiten ja auch nicht überfordert werden.

Jens Schmitt betrachtete das Thema der Digitalisierung ganzheitlicher. Bei der Digitalisierungsstrategie sollte man seiner Erfahrung nach vier wesentliche Punkte berücksichtigen:

  1. Effizienzmanagement: „Automatisierung bedeutet immer erst mal einen Invest“
  2. Prozessmanagement: „Wenn Sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann erhalten Sie einen digitalisierten Scheißprozess“ (Thorsten Dirks, ehem. Präsident Bitkom). Mit diesem Eingangszitat, wies Schmitt darauf hin, dass das Prozessmanagement auf den Prüfstand gestellt werden muss. Ineffektive Prozesse kosten viel Geld, deshalb ist es wichtig, einen schlanken Maßnahmenplan zu erstellen, der auch eine Exit-Bedingung für die RPA-Lösung vorsieht. Er betonte, dass eine RPA-Lösung keine langfristige Lösung sein darf und man sich nur kurzfristig davon abhängig machen sollte.
  3. Skillmanagement: Mit der Digitalisierung eines Unternehmens geht auch ein Kulturwandel einher. Es müssen neue Skills erlernt werden, Menschen müssen zu Problemlösern werden und es kommen neue Aufgaben auf das Unternehmen zu. Dies muss bereits zu Beginn einer Maßnahme mit bedacht werden.
  4. Changemanagement: Changemanagement ist eine Führungsaufgabe. Auch hier gilt es, frühzeitig eine Change-Strategie zu erstellen. Er präferiert hier das 8-Stufenmodell nach J. Kotter.

Alles in allem war es eine sehr runde Veranstaltung, die vielen Themen Raum bot und wichtige Fragen stellte. Im nächsten Jahr findet die Fachkonferenz am 4./5. Februar 2020 in Leipzig statt. Wir dürfen gespannt sein, wie die Versicherer einige der Fragen dann beantworten werden, die in diesem Jahr aufgeworfen wurden.