Automatisierung: Der notwendige Abschied von Legacy-Systemen

Altsysteme haben keine Zukunft

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
IT Automatisierung Digitalisierung
Automatisierung: Der notwendige Abschied von Legacy-Systemen

Legacy-Systeme verhindern, dass Versicherungen ein wichtiges IT-Ziel erreichen: Vorgänge stärker zu automatisieren. 64 Prozent der Anbieter sind bereits dabei, ihre Abläufe digital zu erfassen und automatisch abwickeln zu lassen. Ohne dafür aber die längst veraltete Kern-IT auszuwechseln, bleibt dieser Teil der Digitalisierung auf der Strecke.

Wie wichtig automatisierte Abläufe für die Versicherungen sind, zeigen der rasante Aufstieg von Vergleichsportalen im Internet und die für Kunden bequeme Möglichkeit, sich weitgehend selbst um die richtige Absicherung kümmern zu können. Verbraucher benötigen heutzutage nur noch ein paar Klicks, um sich zu versichern. Drei von vier Anbietern sind inzwischen dabei oder haben vor, sich an diese Entwicklung anzuhängen und selbst Plattformen zu entwickeln (vgl. Abb. 1). Dafür müssen sämtliche Abläufe automatisch ablaufen – wenn ein Kunde das erste Mal anfragt, wenn die Tarife und das zu versichernde Risiko berechnet werden und wenn die elektronisch erstellte Police versendet wird.

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Abb. 1: Versicherer investieren vor allem in automatisierte Abläufe und digitale Plattformen

Vom Anfang bis zum Ende digital

Auf einem Symposium der Versicherungsforen Leipzig Ende 2018 hat Dr. Rainer Sommer dieses Ziel als praktisch unvereinbar mit der heutigen Legacy-IT bezeichnet. Der CIO und COO von Generali Deutschland sieht vor allem die steigenden Kosten als problematisch. Die IT müsse über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg signifikant umgebaut werden. 72 Prozent der Anbieter wollen beispielsweise in digitale Angebote wie Apps investieren und ihre Antragsstrecken digitaler machen (vgl. Abb. 2). Ebenso hoch ist der Anteil derer, die Schäden digital bearbeiten wollen. Viele Versicherer möchten zudem ihr Vertriebsnetz erweitern. 70 Prozent blicken dabei vor allem auf die digitalen Newcomer, die schon die Schwesterbranche Banken auf den Kopf gestellt haben. Fast die Hälfte will eigene Start-ups gründen und sich so an der digitalen Goldgräberstimmung beteiligen, so eine aktuelle Umfrage von Camunda.

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Abb. 2: Versicherer wollen eine digitale Idee nach der anderen zünden.

Diese Pläne setzen jedoch voraus, dass die Kern-IT mit zusätzlichen Eingangskanälen klarkommt und die dafür erforderlichen Daten möglichst in Echtzeit verarbeitet werden. Kunden, die digitale Dienste nutzen oder online Tarife vergleichen, wollen sofort das Ergebnis sehen. Das sind sie von Apple, Amazon und Co. gewohnt: „Instant Delivery“. In der Praxis heißt das, dass die zusätzlich angebundenen IT-Systeme etwa von Vergleichsportalen, Apps oder sogar Drittanbietern direkt auf die zentralen Datenbestände der Versicherer zugreifen können müssen, damit sie die vom Kunden gewünschten Transaktionen ausführen. Deshalb dürfte der hohe Anteil von 40 Prozent der Anbieter, die sich noch nicht um Schnittstellen (API) kümmern, schon bald abnehmen.

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Dezentrale IT-Architekturen aufbauen

Im besten Fall lösen die Versicherer ihre heutige IT-Architektur ohnehin ab, damit sie die von außen eingehenden Daten schneller verarbeiten können. Microservices bieten sich als Alternative an, um die herum die Versicherungs-IT der Zukunft entsteht. Die Idee: Jede Aufgabe, die innerhalb eines Vorgangs zu erledigen ist, wird einem darauf spezialisierten Microservice zugewiesen. Jeder dieser Dienste wiederum kommuniziert mit dem Gesamtsystem über Ereignisse, die sich aus dem Bearbeitungsstand einer Teilaufgabe ergeben. Beispiel: Das Ereignis „Neue Anfrage“ veranlasst einen Dienst dazu, aus den übermittelten Kundendaten einen Preis für eine private Haftpflicht zu berechnen und als „Angebot erstellt“ auszuliefern. Nimmt der Kunde das Angebot an, legen die dafür erstellten Dienste einen neuen Datensatz an, erzeugen die Police und versenden diese.

Weil Versicherer möglichst wenig manuell erledigen wollen, können Workflow-Systeme dafür genutzt werden, um die Microservices zu steuern. Das Workflow-System sorgt dafür, dass die von den Diensten erzeugten Ereignisse übergeben und abgearbeitet werden. Zudem lassen sich über das Workflow-System einzelne Vorgänge priorisieren, so dass etwa während des „Herbststurms“, wenn halb Deutschland die Preise für eine neue KFZ-Versicherung vergleicht, keine von den übrigen Vorgängen, wie Schadenmeldungen oder Zahlungen, abgewürgt werden. Eine Regel könnte also lauten, Neuanfragen immer vorrangig zu bearbeiten, aber maximal 90 Prozent der verfügbaren Leistung dafür bereitzustellen.

Microservices erleichtern darüber hinaus, das IT-System kurzfristig anzupassen. Einzelne Dienste lassen sich sehr leicht austauschen. Anders als heute immer noch vielfach üblich, sind die Anbieter nicht mehr an wenige Releases pro Jahr gebunden. Auch sorgen größere Updates nicht mehr dafür, dass die produktiven Umgebungen komplett stillstehen. Wer Microservices einführt, fördert zudem agile Arbeitsmethoden. Der Grund: Rund um die einzelnen Dienste können sich kleinere Teams sammeln, die sich aus verschiedenen Fachabteilungen und der IT zusammensetzen, um an einer konkreten Aufgabe gemeinsam zu arbeiten. Sofern ihr Projekt niemand anderen im Unternehmen betrifft, können sie das Ergebnis ihrer Arbeit direkt als Microservice entwickeln und in die produktive Umgebung integrieren – ohne den laufenden Workflow zu unterbrechen.

Fazit

Automatisierung und die bestehende Legacy-IT stehen sich unversöhnlich gegenüber. Was heute von der Versicherungs-IT verlangt wird, um Kunden, Fachbereiche und IT zufriedenzustellen, lässt sich nur mit einer flexibleren IT-Architektur erreichen. Microservices unterstützen eine dezentrale IT-Architektur, die sich leicht anpassen und durch ein Workflow-System automatisieren lässt. Mehr und mehr Versicherer denken inzwischen in diese Richtung. Standardsysteme sind keine Lösung mehr, sagt auch Peter Blenninger, CIO der LV 1871. Denn die am Markt verfügbaren Systeme hätten oftmals eine ebenso lange Historie wie die eigenen Kernsysteme. Camunda wirbt deshalb dafür, dass Versicherer spätestens jetzt damit beginnen, ihre wichtigsten Anwendungen selbst zu programmieren und ihren Technologie-Stack selbst zu verwalten.