Assistance - Vom Schadenregulierer zum Helfer in der Not

Im Beitrag gibt es einen Überblick zur Entwicklung von Assistanceleistungen, ihre Bedeutung für Versicherer und zukünftige Relevanz.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Schaden & Leistung
Themen:
Schaden-/Leistungsmanagement Assistance
Assistance - Vom Schadenregulierer zum Helfer in der Not

Mietwagenpanne im Spanienurlaub, Konten gehackt, zuhause ausgesperrt und Herd noch an: Was ist zu tun? Wen muss ich anrufen? Was muss ich organisieren? Fragen, die in solchen Situationen schnelle Antworten erfordern. Die unkomplizierte Hilfe in solchen Situationen – auch „Assistance“ genannt – ist mittlerweile in vielen Sparten ein zentraler Bestandteil des Leistungsversprechens von Versicherern.

Dieser Text stammt aus unserem Kundenmagazin 360, Ausgabe Nr. 7 Helfen.


Hier reinlesen

Assistance setzt da an, wo Versicherungskunden mehr brauchen als den finanziellen Ausgleich eines Schadens. Grundgedanke von Assistance ist es, rund um die Uhr Notfallhilfe zu organisieren bzw. zu erbringen, je nach Tarif im In- oder auch im Ausland. Um das zu gewährleisten, greifen Versicherer auf ein vielfältiges Netzwerk an spezialisierten Dienstleistern zurück. Der Versicherungsnehmer bekommt alles aus einer Hand und braucht in der Regel nicht mehr zu tun, als zum Telefon zu greifen.

Übernommen aus dem Französischen für „Hilfe, Beistand oder Unterstützung“ ist Assistance ein internationaler Begriff. Er wurde in der Versicherungswirtschaft als Terminus technicus eingeführt und nicht in die jeweiligen Landessprachen übersetzt.

Die ersten Angebote an Assistanceleistungen sind nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden, als die Mobilität und Reisetätigkeit der europäischen Bevölkerung zunahm. Reisen war zu der Zeit deutlich beschwerlicher, Pannen an der Tagesordnung. Im Ausland kamen in der Regel noch Sprachbarrieren hinzu, die eine schnelle und passende Hilfe erschwerten. Im Jahr 1963 gründete der Franzose Pierre Desnos mit der Europ Assistance das erste Assistanceunternehmen. Aufgrund des anfänglichen Schwerpunkts auf Mobilitätsleistungen und Pannenhilfe, wo hierzulande Automobil- Clubs bereits eine starke Rolle einnahmen, kam es in Deutschland erst in den 1980er-Jahren zu den ersten Gründungen. Neben der Fahrzeug- und Reiseassistance kamen nach und nach Angebote für die Bereiche Haus, Gesundheit und Recht hinzu

  • Die Fahrzeugassistance bietet Hilfe bei einer Panne, einem Unfall oder bei Diebstahl und enthält Pannenhilfs-, Abschlepp- und Bergungsdienste sowie die Organisation von Reparaturen. Weiterhin wird die Mobilität nach einem Unfall oder einer Panne sichergestellt, etwa durch die Bereitstellung eines Mietwagens, die Organisation der Weiterreise per Bahn, Hotelübernachtungen oder der Fahrzeugrücktransport.

  • Die Reiseassistance umfasst verschiedene Bereiche. Die medizinische Reiseassistance kümmert sich um die medizinische und psychologische Betreuung erkrankter oder verletzter Menschen im Ausland sowie deren Rücktransport, den Versand von Medikamenten oder die Überführung im Todesfall. Darüber hinaus enthält sie verschiedene Informations- und Beratungsleistungen, etwa die medizinische Beratung vor oder während einer Reise zu Impfvorschriften oder Ähnlichem. Neben den medizinischen gibt es in der Reiseassistance noch weitere personenbezogene Leistungen bei Auslandsreisen, z.B. Services bei organisatorischen oder durch Diebstahl verursachten Problemen während einer Reise. Sperrungen von Kreditkarten werden veranlasst, abhandengekommene Zahlungsmittel oder Reisedokumente ersetzt usw. Bei Flugverspätungen, die eine Weiterreise verhindern, organisiert der Assisteur die Unterbringung in einem Hotel sowie einen Ersatzflug.

  • Bei der rechtlichen Assistance geht es um anwaltliche Unterstützungsleistungen, etwa durch eine telefonische Rechtsberatung oder die Vermittlung an eine versierte Anwaltskanzlei vor Ort.

  • Die Hausassistance umfasst Serviceleistungen im Zusammenhang mit privaten Immobilien bzw. Betriebsgebäuden wie die Organisation von Handwerkern oder Reparaturdiensten, die rund um die Uhr verfügbar sind. Darüber hinaus kann die Bewachung der Immobilie, Schlüsseldienste sowie die Betreuung von Haustieren enthalten sein.

  • Die Gesundheitsassistance enthält inländische Gesundheitsservices wie die Organisation ambulanter Pflege- und Hilfsdienste, aber auch telefonische Gesundheitsinformationen sowie die telefonische Betreuung chronisch Kranker bis hin zum Rehabilitations-Management von Unfallopfern.

Konkrete Hilfe in unsicheren Zeiten

Die aktuellen Ereignisse – Corona- Pandemie, Ukrainekrieg, Energiekrise, ökonomische Herausforderungen – haben das Bedürfnis nach Sicherheit und konkreten Hilfestellungen noch einmal deutlich verstärkt. Laut dem „Assistance Barometer 2022“ der Europ Assistance Services GmbH werden Assistanceleistungen von Privathaushalten stärker nachgefragt als in den Vorjahren.

„In unserer repräsentativen Befragung bundesdeutscher Haushalte erwarteten 94 Prozent der Befragten konkrete Service- und Hilfsleistungen von ihren Anbietern. Seit Beginn der Studie ist dies aktuell der Spitzenwert der Serviceerwartung“, wird Professor Dr. Matthias Müller-Reichart, Studiengangleiter Insurance and Banking und Mitherausgeber des Assistance Barometers, in einer Mitteilung zur Studie zitiert. Von Versicherern erwarten 68 Prozent der Befragten Service- und Hilfsleistungen, in den vergangenen Jahren lag der Wert im Mittel nur um die 47 Prozent. Mit Blick auf die unterschiedlichen Sparten sind die Erwartungen in der Krankenund Pflegeversicherung und in einigen Bereichen der Sachversicherung – Kfz, Hausrat und Wohngebäude, Rechtsschutz und Unfall – besonders hoch.

Überraschend: In der Liste der am meisten nachgefragten Assistanceleistungen tauchen Services im Kontext Cyberschutz nicht auf. Lediglich 14 Prozent der Befragten erwarten hier Unterstützung durch einen Versicherer – trotz steigender Bedrohungen. Gerade in diesem Bereich bauen Versicherer aktuell ihre Angebote innerhalb der Gewerbe- und Privatversicherung aus. In der Industrie ist die Wahrnehmung für das Thema Cyber bereits hoch, in Privathaushalten wird die Sensibilität mit zunehmender Kenntnis von Risiken und Schadenfällen auch zunehmen – ein Bereich, in dem Versicherer noch viel Aufklärungsarbeit leisten können.

Auch für Vermittlerinnen und Vermittler können Assistanceleistungen einen Mehrwert darstellen, da sie im Beratungsgespräch neben der finanziellen Entschädigung aufzeigen können, dass spezialisierte Dienstleister im Falle eines Schadens einen Großteil des organisatorischen Aufwands erledigen. Für Versicherer sind Assistanceleistungen damit auch ein relevantes Argument für den Vertrieb.

Vom Begeisterungs- zum Hygienefaktor

Kunden wünschen sich zwar Assistanceleistungen, aber nur wenige würden dafür zusätzlich zahlen. Dies stellte ebenfalls der „Assistance Barometer 2022“ fest. 59 Prozent aller Haushalte erwarten demnach, dass Service-und Hilfsleistungen ein kostenloser Produktbestandteil eines Versicherungsvertrags sind. Assistanceleistungen stellen mittlerweile fast Standardleistungen oder Hygienefaktoren dar und gehören zum originären Grundnutzenbestandteil eines Versicherungsprodukts. Allein damit wird kein Versicherungsprodukt verkauft, ohne sie wird es womöglich aber gar nicht mehr verkauft werden können.

Assistance als logischer Schritt ins Ökosystem

Wie eingangs erwähnt sind Assistanceleistungen keine neue Erscheinung in der Welt der Versicherungen. Mit der aktuellen Diskussion um entstehende Ökosysteme gewinnen sie aber noch einmal deutlich an Relevanz. Durch die enge Zusammenarbeit mit Partnern haben Versicherer bereits seit einigen Jahren ihre Dienstleisternetzwerke auf- und ausgebaut.

Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht neue Formen der branchenübergreifenden Zusammenarbeit, die so vor einigen Jahren noch nicht denkbar waren. Bedingt durch geringere Transaktionskosten für die Unternehmen und die technologischen Möglichkeiten zur Koordination von komplexen Netzwerken und Partnerschaften ändert sich aber auch das Gefälle und damit verbunden das Kräfteverhältnis zwischen Versicherungsunternehmen auf der einen und Dienstleistern und Start-ups auf der anderen Seite. Die Prozesse, Anbindung und Schnittstellenfähigkeit des Versicherers werden neben den finanziellen Konditionen zu wesentlichen Entscheidungskriterien für die Zusammenarbeit. Insbesondere in puncto Schnittstellenfähigkeit haben Versicherer noch einige Hausaufgaben zu erledigen, um nicht nur neue Assistancebausteine zu entwickeln, sondern auch gemeinsam mit geeigneten Partnern umzusetzen. Aber die Arbeit lohnt sich, denn ohne Partner und effiziente Prozesse geht's nicht.

Dieser Text stammt aus unserem Kundenmagazin 360, Ausgabe Nr. 7 Helfen.


Hier reinlesen