KI im Versicherungsbetrug: Fluch und Segen zugleich

Im Beitrag geben wir einen Überblick über aktuelle KI-Projekte im Versicherungsbetrug.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Schaden & Leistung
Themen:
Betrugsmanagement Versicherungsbetrug
KI im Versicherungsbetrug: Fluch und Segen zugleich

650 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, 60 Stunden Impulsvorträge zum Thema Versicherungsbetrug – das ist die Bilanz der Fachkonferenz Versicherungsbetrug, die im November zum zehnten Mal stattfand. Der fachliche Leiter der Fachkonferenz, Franz Gündel von den Versicherungsforen Leipzig, ließ zu Beginn der Fachkonferenz die letzten Jahre thematisch Revue passieren. Spannend sei der Wandel in der Art der Betrugsfälle: vom Glasbruch über Brillenschäden bis heute, wo sich die Branche mit KI-gestützten Betrugsversuchen konfrontiert sieht. „Rechtfertigung, Gelegenheit und Druck sind Voraussetzungen für Versicherungsbetrug. Die Fähigkeit vervollständigt das Trio. Finanzielle Notlagen im Privatleben führen zu vermehrten Betrugsversuchen“, so Gündel.  

Pandemie, Energiekrise und Inflation haben in den letzten Jahren zu einem Anstieg der Betrugsfälle geführt. Die aktuellen und rasanten Entwicklungssprünge im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) wirken zum einen positiv auf die Betrugsabwehr, zum anderen zahlen sie auf den Punkt Befähigung ein. Auf der Fachkonferenz wurde dieses Spannungsfeld intensiv diskutiert und zeigte, wie die Versicherer in der Praxis die neuen Herausforderungen und Möglichkeiten handhaben.  

KI zur Abwehr von Versicherungsbetrug 

Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Betrugsabwehr ist keine neue Erscheinung. KI-Systeme können große Datenmengen analysieren und Muster erkennen, die für menschliche Bearbeiter nicht offensichtlich sind. Diese ermöglichen es, Anomalien und inkonsistente Muster in Versicherungsansprüchen zu identifizieren. So können beispielsweise auffällige Häufungen von Schadenfällen unter ähnlichen Umständen oder widersprüchliche Informationen schnell erkannt werden. 

Zu den in Einsatz befindlichen KI-Techniken gehören maschinelles Lernen, neuronale Netze und Natural Language Processing.  

Drei spannende Forschungsinitiativen des Fraunhofer-Instituts  

Das Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik in Kaiserslautern forscht seit 1980 auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz. Der Finanzmathematiker Yannick Becker stellte in seiner Keynote drei Projekte vor, in denen das Institut KI einsetzt, um Betrug und Unregelmäßigkeiten aufzudecken. 

Das erste Projekt beschäftigt sich mit kriminellen Netzwerken: Hier werden Massendaten wie E-Mails und Telefonverkehr mit Hilfe von maschinellem Lernen analysiert. Unter dem Projektnamen „EnterpriseLab“ untersucht das Institut in einem Kooperationsprojekt Garantiefälle bei Premium-Automobilherstellern. Im Rahmen des Projekts wurde eine App entwickelt, die auffällige Händler auf einer Weltkarte visualisiert. Ziel des Projektes ist es, die weltweite Erkennungsrate von auffälligen Garantiefällen unter Berücksichtigung regionaler Besonderheiten zu erhöhen. Das dritte Projekt heißt „ PflegeForensik “: Ziel ist es, Abrechnungsbetrug in der Pflege mit Hilfe von KI aufzudecken und damit die langwierigen und komplexen Strafverfolgungsverfahren zu verbessern. In einem ersten Schritt wurden Pflegedokumente digitalisiert und standardisiert.  

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Julia Klüh (SIGNAL IDUNA Gruppe) und Christoph Schuhböck (Generali Versicherung AG - Österreich) wies Becker darauf hin, dass der Fokus verstärkt darauf gelegt werden sollte, Auffälligkeiten zu finden, die nicht in den historischen Daten der KI begründet sind. So ließen sich auch neue Betrugsfälle und Muster identifizieren. 

Praxiseinblicke: Machine-Learning-based Fraud Detection und Graph Intelligence  

Christoph Schuhböck und Daniel Ohrenhofer von der Generali Österreich stellten auf der Fachkonferenz ein Betrugshinweissystem vor. Die beiden Experten haben einen auf maschinellem Lernen basierenden Prototypen entwickelt, der Betrugshinweise in Kfz-Schadensfällen identifiziert. Die Lösung ist bereits im Einsatz und es konnten signifikant mehr Betrugsfälle gefunden werden. Beide Referenten betonten, dass sich maschinelles Lernen ideal für den Einsatz in der Mustererkennung eignet.  

Um betrügerische Briefkastenfirmen ging es im Vortrag von Björn Harald Krieger von der Palturai GmbH. Graph Intelligence ermöglicht die Visualisierung von Netzwerken und Personenverbindungen. Dabei geht es insbesondere um die Identifikation von Trouble Spots. Hinweise auf solche Trouble Spots können eine Insolvenzeröffnung vor Vertragsbeginn oder die Nähe zu anderen Trouble Spots sein. 

Eingesetzt wird die Lösung unter anderem bei der R+V, berichtete Marc-Oliver Hoffmann, Stabsstelle Klagen/besondere Themen im Bereich Banken/Kreditversicherung. Der Versicherer nutzt die Software in der Kreditprüfung. Hoffmann stellte ein Beispiel aus der Warenkreditversicherung vor.  

Gar nicht so einfach: Die Parameter einer erfolgreichen Strafanzeige 

Wurde der Versicherungsbetrug erfolgreich aufgedeckt, folgt als nächster Schritt eine detaillierte Untersuchung und schließlich eine Strafanzeige. Wie eine solche Ermittlung abläuft, erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von einem echten Ermittler. Dieser zeigte auf, dass oft Kreativität gefragt ist, um das Vertrauen der Betrüger zu gewinnen und so an Beweise für den Betrug zu gelangen. 

Kommt es schließlich zu einer Anzeige, ist die Ernüchterung bei den Versicherungen oft groß. Langwierige und intransparente Verfahren wirken eher demotivierend. Dr. Maximilian Kohlhof, Salary Partner bei verte|rechtsanwälte, riet den Teilnehmenden: „Versuchen Sie nie, die Staatsanwaltschaft zum Nachdenken zu bringen. Da kommt in der Regel nichts Gutes heraus.“ Die Ermittlungsbehörden seien vielerorts überlastet. Deshalb sei es ratsam, in der Strafanzeige auf den Punkt zu bringen, worum es geht. Hintergründe, Anlass, rechtliche und prozessuale Hinweise (Durchsuchungsorte und konkrete Beweismittel benennen) sollten Bestandteil der Strafanzeige sein. Die Strafanzeige teilt grundsätzlich mit, dass eine Straftat vorliegt. Für die Anzeige ist daher eine klare und schlüssige Sachverhaltsdarstellung erforderlich. Darüber hinaus empfiehlt es sich, den richtigen Adressaten zu ermitteln und die Zuständigkeiten zu prüfen. 

Ist die Anzeige erstattet, sollte das Strafverfahren aktiv begleitet werden. Es gilt, die Stamminformationen wie Aktenzeichen und Durchwahl der zuständigen Staatsanwaltschaft in Erfahrung zu bringen. Es ist auch durchaus ratsam, eine andere als die eigentlich zuständige Staatsanwaltschaft zu wählen. In manchen Regionen gibt es erhebliche Kapazitätsengpässe. Diese können auf diese Weise umgangen werden. 

Fazit 

Auch wenn künstliche Intelligenz den Versicherungsbetrug an sich revolutionieren wird, sehen die Beteiligten neue Technologien wie Gen AI eher gelassen. Versicherungsbetrüger waren schon immer kreativ und werden es auch in Zukunft sein, so ein Fazit der Podiumsdiskussion. Den Betrug zu erkennen und die Betrüger zur Rechenschafft zu ziehen, das wird eine Herausforderung bleiben. Wie die Praxisbeispiele der letzten Konferenz jedoch zeigen, wird auch hier an KI-gestützten Lösungen gefeilt. Wie es in der Branche weitergehet, erfahren wir am 5./6. November 2024 auf der nächsten Fachkonferenz „Versicherungsbetrug –  Effektives Betrugsmanagement in der Assekuranz“ in Leipzig.