New Work und Führung
New Work ist ein Trendthema, mit einer Vielzahl verschiedener Definitionen, Interpretationen und Umsetzungen in den Betrieben. Die Beliebigkeit und Heterogenität des Begriffs erschweren die wissenschaftliche Begleitung und praktische Umsetzung, es zeigen sich aber vielfach interessante Ansätze und Weiterentwicklungen.
Den Begriff „New Work“ prägte der kürzlich verstorbene Frithjof Bergmann (†24.05.2021). Er entwickelte vor vier Jahrzehnten eine Vision für Neue Arbeit als Gegenmodell zum tayloristisch, kapitalistisch geprägten Arbeitsmodell. Gleichzeitig initiierte er damit eine Bewegung, die bis heute fortdauert. New Work wurde zu einem gebräuchlichen Synonym, das damals wie heute für einen tiefgreifenden Wandel der Arbeitswelt und dessen Folgen steht. Dies hat die Diskussion um eine Veränderung von Arbeit, Führung und Organisation neu belebt. Worum geht es? Zum Beispiel um selbstorganisiertes und agiles Arbeiten, Hierarchie und Führungsstrukturen, Partizipation an Entscheidungs- und Gestaltungsprozessen, Mitarbeiterbedürfnisse und -beteiligung oder Entlohnung und Sinn.
Die Covid-19-Pandemie als Beschleuniger
Die New-Work-Debatte hat in den letzten Jahren an Intensität gewonnen. Grund dafür sind die Megatrends Globalisierung, Digitalisierung, erhöhte Dynamik in Märkten und veränderte Werte. Diese beeinflussen Arbeit und Führung in Unternehmen und verlangen ein Umdenken, mindestens jedoch ein „Andersdenken“. Eine zusätzliche Beschleunigung erfährt die Debatte durch das Arbeiten unter Pandemiebedingungen. Die Covid-19-Pandemie 2020/21 zwang Unternehmen sehr kurzfristig dazu, flexibel zu reagieren, Zusammenarbeit zu virtualisieren, Beteiligung aufrechtzuerhalten und Vernetzung zu ermöglichen. Insbesondere die verbindliche Anweisung von Homeoffice hat den Blick noch intensiver auf neue Arbeits- und Organisationsformen sowie die Führungsbeziehung gerichtet. Was davon „New Work“ ist, die Pandemie überdauert und in ein sog. „New Normal“ führt oder wie weit das Pendel in alte Verhaltensmuster zurückschwingt, wird sich noch zeigen.
Weiterentwicklung des New-Work-Ansatzes
In manchen Unternehmen wird New Work ohne Ziel und Plan oder geeignete Transformationsbegleitung eingeführt. Entsprechend bleibt der gewünschte Erfolg aus. Auch brauchen nicht alle Arbeitsformen den New-Work-Ansatz.
Die Einführung von New Work soll den Umgang mit wachsender Komplexität, der Digitalisierung und mit steigendem Innovationsdruck erleichtern oder die konkrete Arbeitssituation der Beschäftigten flexibler gestalten. Geht es jedoch an die „Substanz“ und sollen tradierte Machtgefüge aufgebrochen werden –also die Reduktion New Work und Führung von Hierarchie, Einführung einer agilen Organisation, veränderte Führung oder eine neue Machtverteilung – etablieren sich New-Work-Ansätze deutlich langsamer.
New Work weckt auch Erwartungen bei Mitarbeitenden. Sie wollen mehr Beteiligung, Autonomie und Sinnstiftung durch ihre Arbeit. Folglich verändern sich auch Anforderungen an Führungskräfte und -systeme. Ein verstärkt coachendes, laterales und unterstützendes Führungsverständnis ist gefragt.
Das Miteinander ist zentral
Führungskräfte stehen im Spannungsfeld der Erwartungen der Mitarbeitenden und des Unternehmens. Sie sollen einerseits Mitarbeitende bei der Flexibilisierung der Arbeitsweisen unterstützen, Teams in Entscheidungen einbinden, Macht abgeben, mit agilen Organisationsformen umgehen, aber andererseits auch Mitarbeitende berücksichtigen, die all das und insbesondere Selbstführung nicht wollen oder können. Dies bedeutet ein Dilemma oder eben die Notwendigkeit, verschiedene Führungsstile anwenden zu können.
New Work bleibt
Bei aller Unschärfe ist festzuhalten: New Work geht nicht mehr weg, kann nicht mehr umgangen werden. Unternehmen, Führungskräfte und Mitarbeitende müssen sich mit dem Begriff, seinen Inhalten und möglichen Zielen auseinandersetzen. Dabei gibt es nicht „den Weg“, sondern die Herausforderung, für die Gesamtorganisation oder Teilorganisationen, ggf. unterschiedliche passende Wege zu finden. Die Transformation, da wo sinnvoll, ist sowohl unter kulturellen als auch unter führungsbezogenen Aspekten eine große Veränderung. Diese Veränderung erfordert neben dem Umsetzungswillen, dem „Können“ aller, insbesondere das „Wollen“ und die Unterstützung der Führungskräfte. Es braucht die Auseinandersetzung mit persönlichen Prägungen, Gewohnheiten, Emotionen. Holokratische Modelle versuchen sich an dieser Demokratisierung der Organisationsstrukturen. Gute Beispiele aus der Praxis finden sich etwa bei HRPepper, metafinanz und Europace, beschrieben in Blessin & Wick (2021, S. 413ff.).
Wohin geht die Reise?
New Work und Führung ergibt noch kein klares Bild. Seit mehreren Jahrzehnten gibt es Bergmanns Ansatz und Organisationsformen werden infrage gestellt: weniger Hierarchie, flacher, netzwerkartiger. Die Art und Weise der Zusammenarbeit ändert sich: mehr Selbstbestimmung und Kooperation sowie Einsatz agiler Methoden. Raum und Zeit der Leistungserbringung verändern sich: Veränderung der Bürostrukturen, mehr Homeoffice und Remote Work. Das wirkt auch auf Führung und Führungskräfte. Dennoch leitet sich daraus (noch) kein neuer Führungsansatz für New Work ab. Vielmehr wird auf vorhandene Führungsstile Bezug genommen.
New Work braucht Führung
Jeder führt und jeder folgt. New Work bedeutet auch, dass Führung geteilt wird. Fraglich bleibt, ob die Diskussion um New Work und Führung lediglich „alter Wein in neuen Schläuchen“ ist. Aus derzeitiger Sicht ist dies wohl so. Sinnvoll ist die Diskussion allemal. Vielleicht entsteht daraus ja ein neuer Führungsansatz, mit dem ein Umgang mit steigender Komplexität und Veränderungsgeschwindigkeit im Einklang mit sich ebenfalls verändernden Zusammenarbeitsformen in der Führungsbeziehung (individuell, Team, Projekt etc.), strukturell (Aufbau- und Ablauforganisation) oder räumlich (persönlich, „remote“, Raumkonzepte etc.) ermöglicht wird. Aktuell ist New Work ein heterogener Begriff, der individuell aufgeladen und definiert werden kann, aus dem sich (noch) kein wissenschaftlich belastbarer Führungsansatz ableiten lässt. Damit bleibt es also bei den Führungsklassikern wie etwa Yukl (1981), von Rosenstil et al. (2014), Weibler (2016) oder eben Blessin & Wick (2021).
Der Artikel ist zuerst in unserem Themendossier Nr. 13 "Neue Arbeitswelten: „Who Cares“ oder „Must Have“?" erschienen.
Quellenhinweis:
Blessin, B. & Wick, A., Führen und führen lassen (9. Aufl.), UVK, Konstanz, München 2021 (in Veröffentlichung).
Bergmann, F., Neue Arbeit – Neue Kultur (7. Aufl.), Arbor, Freiburg 2020.
lessin, B., Führung neu denken, in: Schwuchow, K. & Gutmann, J. (Hrsg.), HR-Trends 2020: Agilität, Arbeit 4.0, Analytics, Prozesse (S. 109-118). Haufe, München, Freiburg 2020.
(vgl. full range of leadership).
ilers, S. & Rump, J. & Schabel, F. & Möckel, K., HR-Report Schwerpunkt New Work: Eine empirische Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE und Hays. In Hays AG & Institut für Beschäftigung und Employability IBE (Hrsg.). Mannheim 2021. 5 Hofmann, J., New Work: Praktische Relevanz des Konzepts in Deutschland. PERSONALquarterly 02, 22-26, 2020.