IT für Versicherungen: der wertorientierte Ansatz der Hannover Rück

Im Interview spricht Jürgen Stoffel über die wertorientierte Strategie der Hannover Rück.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
IT Innovation
IT für Versicherungen: der wertorientierte Ansatz der Hannover Rück

Klassischerweise zählen Umsatz und Gewinn als Erfolgsfaktoren für Unternehmen. Bei einer wertorientierten Strategie werden die Werte des Unternehmens in die Erfolgsmessung einbezogen. Darunter können zum Beispiel Bereiche wie Nachhaltigkeit, Soziales oder das Markenimage fallen. Im Interview spricht Jürgen Stoffel über die wertorientierte Strategie der Hannover Rück, ihren integrierten Ansatz und Herausforderungen bei der Umsetzung. Er ist als Managing Director IT/Group CIO global verantwortlich für die IT der Hannover Rück Gruppe.

Herr Stoffel, die IT wird in vielen Branchen nach wie vor über die Kosten definiert. Der wertorientierte Ansatz legt einen anderen Fokus. Können Sie uns kurz erklären, was das bedeutet? 

Kostenbewusstsein war stets und ist auch heute noch sehr wichtig für die Hannover Rück, die sich als Kostenführer in der Rückversicherung positioniert, generell und auch in der IT. Ausschließlich die Kosten zu managen, ist für uns als wachsendes Unternehmen heutzutage zu wenig. Vielmehr ist entscheidend, wo wir investieren und welchen Return on Investment (RoI), d.h. welchen Wert wir dafür bekommen, als die Kosten absolut zu senken. Der wertorientierte Ansatz hilft uns, dort die Kosten zu vermeiden oder zu senken, wo Investitionen nicht oder weniger wertschöpfend sind, und dort zu investieren, wo wir kurz-, mittel- oder langfristig Wert erwarten. Dies kann durchaus auch zu höheren Investitionen in die IT führen.

Haben Versicherungsunternehmen Ihrer Meinung nach die zentrale wertschöpfende Funktion der IT für das gesamte Unternehmen eher erkannt als andere Branchen? 

Das würde ich so nicht bestätigen. Traditionell stellt die IT zwar einen wesentlichen Faktor der „Operational Technology“ in Versicherungsunternehmen dar, d.h. sie steht im direkten Zusammenhang mit den Produkten oder Services. Dies ist anders als in anderen Branchen, wie etwa Automotive, wo die IT das erst in jüngerer Zeit geworden ist. Dennoch wurden vielfach technologische Möglichkeiten zur Prozessverbesserung, Automatisierung und Innovation im Geschäftsbetrieb – aus vielerlei Gründen – nicht konsequent genug genutzt. Dort besteht jedoch das größte Potential für Wertschöpfung. Viele Unternehmen unserer Branche haben sich hingegen bevorzugt auf die Kostensenkung vor allem im IT-Betrieb fokussiert.

In Ihrer Keynote beim Messekongress IT für Versicherungen sprechen Sie über Ihre integrierte, wertorientierte IT- und Business-Strategie. Wie sieht Ihre Strategie bei der Hannover Rück/E+S Rück konkret aus?  

IT ist bei der Hannover Rück eine interne Organisationseinheit, die seit langer Zeit sehr eng mit den Fachbereichen zusammenarbeitet. Veränderungen werden in sogenannten „Enterprise Projekten“ in gemeinsamer Verantwortung von Fachbereichen und IT durchgeführt. Diese Enterprise Projekte haben wir in „Value Streams“ gruppiert, die sowohl übergreifend als auch innerhalb nach wertorientierten Prinzipien gesteuert werden. Dabei werden kurz-, mittel- und langfristige Ziele gleichermaßen berücksichtigt. Zur Erreichung mittel- und langfristiger Ziele arbeiten wir an einer „Target Landscape“, die Prozesse, Daten und Systeme sowie auch Organisationsthemen umfasst, also nicht eine reine „Target System Landscape“ darstellt. Dieser Ansatz wird durch eine neu geschaffene Operations-Einheit, in der IT ein sehr wesentlicher Bestandteil ist, sowie eine neu geschaffene COO-Position unterstützt.

IT ist damit integraler Bestandteil der Unternehmensstrategie. Bei der Umsetzung setzen wir verstärkt auf gruppenweite Standardisierung, „Buy before Make“ in nicht-marktdifferenzierenden Bereichen, In- statt Outsourcing bei einer gleichzeitigen „Cloud First“-Strategie sowie besonders auf weitgehende Digitalisierung und Automatisierung, soweit diese wirtschaftlich sinnvoll gestaltet werden können.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen in diesem Prozess? 

Die größten Herausforderungen sind für uns als global agierendes Unternehmen einerseits die vielfältigen regulatorischen Anforderungen, die einen relativ großen Teil unserer verfügbaren Ressourcen und Budgets vereinnahmen und die sich aufgrund ihres „Muss-Charakters“ einer wertorientierten Betrachtung weitgehend entziehen. Andererseits ist aber auch die Verfügbarkeit der personellen Ressourcen insgesamt schwierig. Insbesondere aufgrund konkurrierender Projekte und unserer Insourcing-Strategie, die auf einen aktuell schwierigen Personalmarkt weltweit trifft. Darüber hinaus ist die Quantifizierung von Wertschöpfung oftmals eine Herausforderung. Bislang wird der Ertrag und Nutzen von Projekten, d. h. ihr RoI, meist nur qualitativ beschrieben.

Sehen Sie sich als CIO als aktiver Treiber des Wandels? 

Ja, gemeinsam mit dem COO, aber natürlich auch mit Fachbereichsvertretern auf Vorstandsebene und darunter. Der Wandel wird durch eine neu geschaffene Governance-Struktur unterstützt. Dessen wesentliche Elemente sind das Group Operations Committee (GOC), das Operations Sounding Board (OSB) und die Value Stream Steering Committees (VSSC). Das GOC ist mit vier Vorständen, dem COO als Vorsitzenden und dem CIO als dessen Vertreter besetzt und entscheidet über die strategische Ausrichtung, z. B. über die Budget-Allokation auf die Value Streams. Die Value Stream Steering Committees selbst können innerhalb ihrer Value Streams weitgehend autonom priorisieren und entscheiden, ganz im Sinne von Empowerment und Subsidiaritätsprinzip. Die internationale Klammer, Transparenz und gruppenweites Alignment wird durch das OSB, dem ebenfalls der COO vorsitzt, mit dem CIO als Vertreter, hergestellt.

Wird die IT mit diesem Ansatz zum Innovationstreiber? 

Das ist die Erwartung, zumindest für die unternehmensinternen Prozesse. Der wesentliche Hebel dazu ist jedoch die ganzheitliche Betrachtung der Technologie und deren Wechselwirkung mit Prozessen und Datenflüssen. Und das kann die IT nicht alleine leisten.


Wir freuen uns über Keynote von Jürgen Stoffel zum Thema „Integrierte, wertorientierte IT- und Business-Strategie – Der Ansatz der Hannover Rück/E+S Rück“ beim Messekongress IT für Versicherungen am 29./30. November 2022.

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