Entwicklungen im Kapitalanlage- und Risikomanagement – Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung
Wenn man auf die Programme der letzten Fachkonferenzen zum Kapitalanlage- und Risikomanagement zurückschaut, stechen zwei Themen deutlich hervor: Solvency II und Berichterstattung. In diesem Jahr war das anders. Natürlich sind dies noch immer dominierende Themen, aber es kommen andere hinzu. Das Thema Nachhaltigkeit wirkt sich in allen Lebensbereichen aus. Auch Versicherer dürfen und können diesen Trend nicht verpassen – allein die EU sorgt durch zahlreiche Regularien dafür. Der Finanzbereich ist ein starker Stellhebel zur Erreichung der Klimaziele. Die nachhaltige Kapitalanlage birgt aber auch neue Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Eines wurde auf der Konferenz deutlich, die Versicherer nehmen ihre Rolle ernst und sehen auch unabhängig von den EU-Regularien die Zukunft in der nachhaltigen Ausrichtung ihrer Häuser. Im Beitrag geben wir einen Einblick in die Expertenbeiträge.
Bevor sich in einigen Beiträgen der Fachkonferenz dem Thema Nachhaltigkeit gewidmet wurde, machte Philipp C. Kleyser, Head of Business Generation | Germany and Austria bei der Compre Group, den Auftakt. Er thematisierte Run-offs, die insbesondere seit dem Verkauf der Generali Leben an Viridium im Fokus von Verbraucherschützern stehen. Dem Experten nach erfolgen Bestandsübertragungen unter strenger Behördenaufsicht. Die Übertragung eines Generali-Bestandes geschah in Abstimmung mit 26 von 28 europäischen Aufsichtsbehörden. Run-offs sind Kleyser zufolge kein Emergency-Tool, sondern ein wichtiges Instrument eines strategischen Portfolioverwalters/Versicherungsmanagers. Die Gründe für ein Run-off können dabei recht vielfältig sein:
- das Trennen von volatilem Altgeschäft
- der Wegfall von Know-how im Underwriting
- Risikoexposure in Märkten, in denen veränderte rechtliche Rahmenbedingungen zu erhöhtem Aufwand (finanziell und Ressourcen) führen
- veraltete IT
- oder auch Freisetzen von gebundenem Sicherheitskapital
Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage ist mehr als eine regulatorische Pflicht
Wie anfangs erwähnt, widmeten sich auf der Konferenz gleich mehrere Referenten dem Thema Nachhaltigkeit. In allen Beiträgen wurde deutlich, dass nachhaltige Kapitalanlagen nicht nur unter regulatorischen Gesichtspunkten zum Portfolio eines jeden Versicherers gehören müssen: Zum einen haben die Versicherungskunden ein Interesse daran, dass ihre Prämien entsprechend angelegt werden. Zum anderen haben die Risikomanager ein Interesse daran, dass die Klimaschäden durch nachhaltige Investments geringgehalten werden. Klimaschäden führen zu neuen und größeren Risiken, was wiederum die Prämien steigen lässt.
Nachhaltigkeit bei der SV SparkassenVersicherung
Dr. Marcel Stierl, Leiter der Stabsstelle Nachhaltigkeit bei der SV SparkassenVersicherung Holding AG, bestätigte in seinem Vortrag, dass sich der Absatz von Nachhaltigkeitsfonds und -indizes bei den Leben-Produkten massiv gesteigert hat. Ein Großteil der Neuabschlüsse beinhalten einen Fonds/Index mit Nachhaltigkeitsbezug. Auch im Produktbereich setzen sich Nachhaltigkeitsaspekte immer mehr durch. So gibt es jetzt eine "Vollkaskoversicherung" für E-Bikes oder im Rahmen der Hausratversicherung ein nachhaltigeres Ersatzprodukt (z. B. einen Kühlschrank mit besserer Energieeffizienz). Zudem ist der Versicherer der Investoren-Initiative PRI (Principles for Responsible Investment) beigetreten und bekennt sich so zu den Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren. Die PRI ist eine weltweit anerkannte Finanzinitiative und wurde unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen im Jahr 2005 gegründet.
Die SV hat sich das Ziel gesetzt, in der Kapitalanlage bis 2025 eine CO2-Senkung von 20 Prozent im Vergleich zu 2019 zu erzielen und bis 2050 klimaneutral zu investieren. Titel mit hohen Klimagasemissionen werden auch langfristig niedriger gewichtet.
Spannend war zudem, dass auch Kunden aus dem B2B- wie B2C-Bereich Nachhaltigkeit zunehmend fordern. So stellte Alnatura die SV auf den Prüfstand, bevor sie sich für die bAV des Versicherers entschied.
Nachhaltigkeitsmanagement der Barmenia - zwischen Regulatorik und Positionierung
Ein weiterer Praxisbeitrag kam von den Barmenia Versicherungen. Die Barmenia ist bei ihren Nachhaltigkeitsaktivitäten bereits sehr weit. Mit Stephan Bongwald, Nachhaltigkeitsbeauftragter, haben wir bereits in der Märzausgabe unseres Podcasts Versicherung 360 spannende Einblicke erhalten. Bongwald appellierte an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Transformation zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft aktiv zu unterstützen. Weiterhin sei es wichtig, im stetigen Austausch mit der Branche und der Politik zu bleiben und aktiv zu kommunizieren, was funktioniert und was nicht funktioniert. Einer besonderen Bedeutung für die Glaubwürdigkeit und die eigene Reputation kommt auch der Transparenz zu. Bongwald verwies deshalb auf eine Studie von ASSEKURATA. Die Ratingagentur hat Webseiten hinsichtlich der Informationen zur Transparenz-Verordnung untersucht. Die Pflicht sei weitestgehend erfüllt, jetzt sollte die Kür folgen.
An Bongwalds Seite war Yan Leon Kredt, Hauptabteilung Risikomanagement. Er berichtete, dass Nachhaltigkeit national (BaFin-Merkblatt) wie auch international (ESG-Kriterien, EIOPA Opinion) extrem forciert wird. Drei wesentliche Treiber sind dabei die physischen Risiken (Extremwetter und langfristige Klimaveränderungen), Haftungsrisiken (unzureichende Offenlegung) und der gesellschaftliche Wandel (Reputationsschäden durch Versicherung klimaschädlicher Sektoren). Zudem können Nachhaltigkeitrisiken nicht gesondert betrachtet werden, da sie wie ein Katalysator auf bestehende Risiken wirken.
Ebenfalls spannend waren seine Erläuterungen zu der EIOPA Opinion on Climate Change Risk Scenarios. Anliegen der EIOPA ist es, ein vorausschauendes Management von Klimarisiken zu fördern, um die langfristige Solvenz und Lebensfähigkeit der Branche zu gewährleisten. Mit Hilfe von Szenarioanalysen soll dies möglich sein. Die Vorgaben, wie diese Analysen zu erfolgen haben, hat die EIOPA recht offen gehalten. Sie gibt vor, dass die Risiken des Klimawandels nicht kurzfristig, sondern langfristig bewertet werden müssen, um die strategische Planung und Geschäftsstrategie zu unterstützen. Folgende Szenarien sollten durchdacht werden:
1. Ein Szenario für das Risiko des Klimawandels, bei dem der globale Temperaturanstieg im Einklang mit den EU-Verpflichtungen unter 2 °C, vorzugsweise nicht mehr als 1,5 °C, bleibt.
2. Ein Risikoszenario für den Klimawandel, wenn der globale Temperaturanstieg 2°C überschreitet.
EIOPA beginnt mit dem Monitoring der Umsetzung zwei Jahre nach Veröffentlichung der Opinion. In der Zwischenzeit haben BaFin, GDV und Unternehmensvertreter sich ebenfalls zur EIOPA Opinion geäußert und eine Erwartungshaltung der BaFin gegenüber den Versicherern formuliert. Aussagen zu Klimawandelszenarien werden im ORSA erwartet.
Nachhaltigkeit durch glaubwürdige Transformation
Dr. Henrik Pontzen, Head of ESG bei der Union Investment Institutional GmbH, betonte gleich zu Beginn: „Nachhaltigkeit ist kein Gutmenschentum“. Wer Nachhaltigkeit nicht systematisch, sondern nur irgendwie berücksichtigt, der geht eine schlechte Wette gegen die Zukunft ein. Aktienpreise entstehen durch zukünftige Gewinnerwartungen und die fallen bei klimakritischen Investments schlechter aus. Zum einen, weil CO2 immer teurer wird und sich das auch auf Aktienpreise auswirkt. Zum anderen, weil nachhaltige Unternehmen mit ihren nachhaltigen Produkten den Umsatz steigern. Nachhaltige Anlagen gewinnen an Bedeutung und es ist laut Dr. Pontzen noch nicht zu spät „einzusteigen, da die Party erst anläuft“. Union Investment hat sich schon recht früh mit der Thematik beschäftigt. Bereits 1990 gab es den ersten nachhaltigen Fonds.
Nachhaltigkeit bedeutet nicht gleich schlechte Performance. Bereits heute performen nachhaltige Titel besser als konventionelle. Seit 2015 ist ein positiver Zusammenhang zwischen nachhaltigen Investments und Gewinn zu beobachten. Nicht-nachhaltige Investments bergen zudem neue Risiken, wie die Beispiele „Dieselgate“ oder der Monsanto-Skandal zeigen. Union Investment hat für solche konventionellen Investments Ausschlusskriterien festgelegt, die in ihrer Zahl steigen. So investiert das Unternehmen weder in Kohleförderung- und Verstromung noch in Industrien mit Suchtfokus (Tabakindustrie) und tätigt auch keine von der Gesellschaft als kritisch betrachtete Investments (Pornografie, Nuklearenergie, Fracking).
Die Bewertung der Investments erfolgt anhand des UI-NachhaltigkeitsRating. Das Rating der Investmentgesellschaft führt zudem dazu, dass Unternehmen ihr Unternehmertum überdenken und nachhaltige Aspekte integrieren, um in der Kapitalanlage noch relevant zu bleiben. Als Beispiel nannte Pontzen Shell, die nun Bäume pflanzen, um ihre CO2-Bilanz auszugleichen.
Es war spannend, zu sehen, dass konservative Disziplinen, wie das Kapitalanlage- und Risikomanagement, dem Thema Nachhaltigkeit und Klimaeffizienz eine so hohe Bedeutung beimessen. Das zeigt, dass Nachhaltigkeit nicht alternativ, sondern alternativlos ist und nachhaltiges Handeln und Agieren dem Zeitgeist entsprechen. Wir danken an der Stelle noch einmal den spannenden Impulsen unserer Referenten! In einem weiteren Beitrag werden wir auf die Learnings aus der Corona-Zeit in der Kapitalanlage und dem Risikomanagement eingehen.