Solvency-II-Review: „Herausforderung, aber voraussichtlich lösbar“

Im Interview mit Uwe Ludka von der Itzehoer Versicherung/Brandgilde von 1691 VVaG sprechen wir über den Solvency-II-Review.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Finanzen & Risiko
Themen:
Solvency II
Solvency-II-Review: „Herausforderung, aber voraussichtlich lösbar“

Im September 2021 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für die Überarbeitung der Solvency-II-Rahmenrichtlinie vorgelegt. Nun folgt der Gesetzgebungsprozess mit dem Europäischen Rat und Parlament, bevor die Änderungen voraussichtlich ab 2024 in Kraft treten können. Was dies für die Versicherer bedeutet und wie mögliche Auswirkungen auf die Kapitalanforderungen aussehen können, darüber haben wir mit Uwe Ludka, Vorstandsvorsitzender der Itzehoer Versicherung / Brandgilde von 1691 VVaG gesprochen.

Herr Ludka, wie schätzen Sie insgesamt die weitere Zunahme der Komplexität von Solvency II durch die neuen Regelungen, Methoden und Vereinfachungen im Zuge des Solvency-II-Reviews ein?

Der durch den Review verursachte Aufwand für SCR-Berechnung und für die Erstellung der Solvenzbilanz bedeutet einen Umstellungsaufwand, ist danach aber überschaubar. Allerdings wird im Rahmen der Überprüfung auch an einer neuen Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (IRRD) gearbeitet, die erhebliche zusätzliche Verwaltungsaufwendungen in den Unternehmen hervorrufen wird, ohne dass der Sinn ausreichend begründet ist. Formal ist sie zwar inzwischen vom Review getrennt, dies ändert aber nichts am Tatbestand.    

Der Review zielt u. a. darauf ab, das Regime risikosensitiver zu gestalten. Wie gut gelingt dies insgesamt mit den von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlägen zur Anpassung von Solvency II aus Ihrer Sicht?

Der Review zielt zum einem darauf ab, die Solvenzbilanz und die Standardformel für die SCR-Berechnung auf Sachgerechtigkeit zu überprüfen. Zentral dabei sind vier Sachverhalte, die alle primär den Lebenssektor betreffen: Extrapolation, Risikomarge, VA und Zinsstress negativer Zinsen. Der EU-Kommissionsvorschlag ist im Vergleich zum EIOPA-Vorschlag ein deutlicher Schritt zu einer vernünftigen Lösung. Ein sich bewährtes System wird an einigen Punkten weiterentwickelt, ohne die Grundpfeiler in Frage zu stellen. 

Die EU-Kommission schlägt, wie Sie bereits erwähnten, eine alternative Extrapolationsmethode vor. Wie kritisch schätzen Sie den damit verbundenen Rückgang der Eigenmittel ein?

Die Extrapolation der Zinsstrukturkurve gegen die UFR war und ist eine der grundlegenden Rahmenbedingungen für die Einführung von Solvency II. Ohne stabile Zinsparameter in dem nicht im Kapitalmarkt illiquiden Bereich wären die deutschen Altersvorsorgeprodukte nicht abbildbar. Ihre Anpassung hat für die Lebensversicherung immer Folgen. Die mit dem Vorschlag von EIOPA und Kommission verbundene Absenkung der Zinsstrukturkurve muss durch die sachgerechte Anpassung anderer Themen kompensiert werden. Dies tut der Kommissionsvorschlag schon weitgehend. Eine Anpassung des Faktors a von 10 auf 15 bei der Extrapolation wäre noch zu begrüßen.

Der Review beinhaltet eine Änderung dahingehend, dass zukünftig auch negative Zinsen bei der Ermittlung des SCR einem Stress unterworfen werden müssen. Die DAV begrüßt diese Absicht. Teilen Sie diese Meinung?

Eine wesentliche inhaltliche Änderung bei den Solvenzanforderungen im Rahmen des Review 2020 ist der Stress negativer Zinsen. Dies hat aber im Wesentlichen nur in der Lebensversicherung Konsequenzen. Dieser Vorschlag ist sachgerecht und von daher zu begrüßen.

Einige der neuen Regelungen sollen nicht sofort, sondern stufenweise eingeführt werden („Phasing-in“). Halten Sie dies für zielgerichtet?

Das Solvency-II-Regime hat sich in den letzten Jahren als Stabilitätsanker in der Versicherungsbranche bewährt. In Deutschland ist es zu keinen nennenswerten Schieflagen gekommen, obwohl die Kapitalmarkt- und Zinssituation durchaus herausfordernd war. Auch der Starkregen Bernd in Schaden/Unfall hat verdeutlicht wie stabil die Leistungsfähigkeit der Versicherungsindustrie in Extremereignissen (Risikosituation) ist. Durch eine Neujustierung sollten die Unternehmen ausreichend Zeit haben sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Auch wenn die Gesamtbelastung durch die Umstellung gering ausfallen mag, gilt dies nicht unbedingt für das Einzelunternehmen. Insofern ist auch ein Phasing-in zu begrüßen. Dadurch verursachte Ausreißer nach oben könnten aber aus meiner Sicht durchaus aufsichtsrechtlich gekappt werden. 

Zur Weiterentwicklung des Proportionalitätsprinzips wird eine neue Kategorie von Unternehmen mit geringem Risikoprofil eingeführt. Wie beurteilen Sie dies sowie die angedachten Vereinfachungen für solche Unternehmen? Können hier nennenswerte Erleichterungen erzielt werden?

Zu begrüßen ist, dass das Thema Proportionalität überhaupt aufgegriffen wird. Die Erhöhung des Schwellenwertes, ab dem Solvency II anzuwenden ist, ist dabei genauso zu begrüßen, wie die Kategorie von Unternehmen mit geringem Risikoprofil. Hier sind allerdings die Voraussetzungen und die Erleichterungen sehr eng definiert, so dass man hier nur von einem Achtungserfolg sprechen kann.  

„Herausforderung, aber voraussichtlich lösbar“ lautet Ihr knackiges Statement zum Solvency-II-Review. Welche der angedachten Neuerungen wird für Ihr Haus voraussichtlich die größten Herausforderungen mit sich bringen?

Die quantitativen Kapitalanforderungen wird eine Itzehoer bewältigen. Sollten wir zu den betroffenen Unternehmen bezüglich Sanierung und Abwicklung gehören, wären hier die größten Herausforderungen zu lösen. Zusätzliche Verwaltungskosten wären unvermeidbar. 

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