Corona als Katalysator für den hybriden Vertrieb
Nicht erst seit Ausbruch der COVID-19 Pandemie beschäftigt sich die Versicherungsbranche und damit der Vertrieb explizit mit dem Thema hybride Vermittleranforderungen. Mit Einzug der Digitalisierung, Nutzung von Big Data und KI aber auch Onlineberatungstools, ergaben und ergeben sich neue Ansätze, den klassischen Vermittler in seiner Bestandsbetreuung und Beratung digital zu unterstützen.
Nicht erst seit Ausbruch der COVID-19 Pandemie beschäftigt sich die Versicherungsbranche und damit der Vertrieb explizit mit dem Thema hybride Vermittleranforderungen. Mit Einzug der Digitalisierung, Nutzung von Big Data und KI aber auch Onlineberatungstools ergaben und ergeben sich neue Ansätze, den klassischen Vermittler in seiner Bestandsbetreuung und Beratung digital zu unterstützen. Die Möglichkeiten, die sich dem Versicherer und damit dem Vermittler im Vertriebsprozess bieten, sind vielschichtig. Andere Branchen, die längst die digitalen Kanäle und analysierte Kundendaten nutzen, zeigen auf, wohin die Entwicklung gehen muss. Die Kundenerwartungen steigen. Liquid expectations beschreibt dabei den Prozess, dass Verbraucher nicht mehr nur Erfahrungen innerhalb einer Branche vergleichen, sondern Erfahrungen aus Branchen übertragen, die keine Beziehung zur anderen haben. Wer sich also nur mit seinen unmittelbaren Wettbewerbern der Branche misst, verliert die Anforderungen, die die Kunden heute an Vertriebsprozesse stellen, schnell aus den Augen. Deshalb wollen wir die Möglichkeiten, den Vertriebsprozess digital zu unterstützen, genauer unter die Lupe nehmen.
Anlässe/Interesse wecken
Die Vertriebe werden mit Anlässen zur Kontaktaufnahme regelrecht überfrachtet, sei es durch Umstellungsaktionen auf neue Bedingungen, Ablaufkampagnen, runde Geburtstage u. v. m. Wurden diese „Vertriebsansätze“ in der Vergangenheit noch über Kundenlisten in der Regel spartenbezogen dem Vermittler zur Verfügung gestellt, so sind die CRM-Systeme heute schon in der Lage, diese digital in der Bestandsauskunft zu erzeugen. Damit werden Doppelansprachen oder unkoordinierte Kontaktaufnahmen vermieden. Doch die Digitalisierung fördert noch andere Möglichkeiten zu Tage: „Kunden, die diesen Artikel kauften, kauften auch…“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Mittels Big Data und selbstlernenden Systemen können schon heute die Vermittler mit sogenannten Next-Best-Offer-/ Next-Best-Action-Hinweisen sensibilisiert werden, kundenspezifische Vertriebsansprachen zu nutzen, um die Abschlusswahrscheinlichkeit zu erhöhen. Aber nicht nur der klassische Vermittler kann dabei eine Vertriebsunterstützung erfahren, sondern auch Kundenservicecenter erhalten im Kundenkontakt wichtige Vertriebsansätze. Diese können dann entweder direkt umgesetzt oder wieder als Lead an den Vertriebspartner zurückgespielt werden. Ebenso werden zur Kontaktaufnahme nicht mehr nur die klassischen Kommunikationskanäle wie Telefon oder E-Mail genutzt, sondern Internet-Links z. B. per SMS an den Bestandkunden versandt, um einen kurzen digitalen Daten-Check-up anzubieten. Die Rücklaufquoten mit qualifizierten Antworten können bei über 50 Prozent liegen und fördern neue Vertriebsansätze. Andere Versicherer arbeiten mit QR-Codes in Kundenbriefen und sind sogar in der Lage, mittels Big Data differenzierte individualisierte Kundenansprachen im Web zur Verfügung zu stellen. Dabei lässt sich der Kunde, welcher Zahlen-Daten-Fakten und eine neutralere Ansprache bevorzugt, anders ansprechen, als der Kunde, der eher auf emotionale Ansprachen reagiert. Diese neuen digitalen Ansprachekonzepte bieten auch für unbetreute Bestände enormes Vertriebspotential und erhöhen die Möglichkeiten der Kundenbindung. Persönliche (hybride) Beratungstermine können mittlerweile à la Treatwell, einem Onlineterminvergabetool im Beauty-Bereich, auf den Webseiten der Vermittlerbüros oder mittels Versand eines Internetlinks digital zu den verfügbaren Zeiten des Beraters eingebucht werden. Damit hat auch das lästige Terminfindungspingpong ein Ende und der Kunde erhält seinen Wunschtermin.
Beratung/Angebot/Abschluss
Die Möglichkeit der Videoberatung hat auch in den Vertrieben fast flächendeckend Einzug gehalten. Beratungstools sind inzwischen in der Lage, eine komplett digitale Abschlussstrecke zur Verfügung zu stellen. Selbst die Hürde der Identifikation (z. B. per Personalausweis) beim Abschluss von Versicherungsanlageprodukten können einige Versicherer bereits komplett digital mittels Tools bzw. Apps überwinden. Abbrüche im volldigitalen Abschlussprozess mit der Möglichkeit der volldigitalen Vertragsunterschrift sind kaum zu erwarten, weil der Kaufprozess nicht mehr unterbrochen werden muss.
Zudem bieten Beratungstools, die neben Grafiken, kurzen Videosequenzen und der Möglichkeit von Kundeninteraktionen auch verhaltensökonomische Kundenentscheidungen verstehen und beeinflussen können, eine völlig neue Vertriebsunterstützung für den Vermittler. Sie finden nicht nur in der Onlineberatung ihren Einsatz, sondern führen auch in Präsenzterminen durch das Beratungsgespräch. Da die Kunden aktiv einbezogen und viele Informationen bildgestützt vermittelt werden, gehört daher der Flachbildschirm an der Wand bereits zur standardisierten Büroausstattung einiger Versicherungsvermittler und prall gefüllte Prospektständer treten in den Hintergrund. Auch die Versicherungspolicen oder Angebote werden nicht mehr nur postalisch dem Kunden zur Verfügung gestellt, sondern wandern automatisch mit individueller Ansprache in seine Kundenbox oder sein Kundenportal.
Bestandsbetreuung
Über Kundenportale und weitere digitale Kontaktpunkte wird der Versicherte auch während seiner Vertragslaufzeit mit Informationen versorgt. Der Kampf um die Kundenschnittstelle gewinnt weiter an Bedeutung und wird zum zentralen Aspekt in der Kundenbindung. Andernfalls werden Versicherer zum reinen austauschbaren Produktgeber. Einen weiterführenden Lösungsansatz bieten Ökosysteme, welche gerade im Krankenversicherungskontext wachsen und durch zahlreiche Kooperationen mit Leistungserbringern aber auch Mitbewerbern gekennzeichnet sind. Der Kunde erhält neben der reinen Kostenerstattung im Krankheitsfall gleich die passenden Leistungserbringer für bestimmte Krankheitsbilder, Informationen für präventive Maßnahmen oder Hinweise für Onlinesprechstunden oder aber einen Facharzttermin über das Portal. Der Versicherer erweitert damit sein primäres Geschäftsmodell und wird zum digitalen Gesundheitscoach, der seine Kunden aktiv steuern kann.
Resümee
Die Corona Krise hat schonungslos offengelegt, wer seine Hausaufgaben im Vertrieb in der Vergangenheit gemacht hat. Die Vermittler waren gezwungen, Kunden in den digitalen Kanälen zu kontaktieren und zu beraten. Ebenso musste die Kommunikation der Versicherer und Führungskräfte mit den Vertriebspartnern sich diesen Herausforderungen stellen. Die digitalen Lösungen scheiterten in der Vergangenheit nämlich nicht unbedingt an den technischen Voraussetzungen, sondern an der zögerlichen Akzeptanz der Vertriebspartner. Durch die Corona-Pandemie gab es jedoch keine andere Möglichkeit, als sich mit den neuen digitalen Kommunikationsmitteln auseinanderzusetzen, um weiterhin als kompetenter Ansprechpartner für die Kunden zur Verfügung zu stehen. Dies spiegeln auch die Umfrageergebnisse aus der Studie: „Next New Normal – Wie verändert Corona die Assekuranz nachhaltig“ wider. Die Chance der Krise liegt in den Bestrebungen der Versicherer, die Vertriebe im Thema hybride Beratung weiter voranzutreiben.