Zukunftsmarkt Arbeitskraftabsicherung: Neues aus der BU

Im Beitrag geben wir einen Einblick in aktuelle Entwicklungen in der Arbeitskraftabsicherung.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Produktmanagement
Themen:
Produktentwicklung Arbeitskraftabsicherung Berufsunfähigkeitsversicherung
Zukunftsmarkt Arbeitskraftabsicherung: Neues aus der BU

Im September 2023 haben sich die Versicherungsexperten in Leipzig getroffen, um über den Zukunftsmarkt Arbeitskraftabsicherung zu diskutieren. Dabei beleuchteten die Expertinnen und Experten Möglichkeiten zur Steigerung der Prozesseffizienz und Kundenorientierung in Antrag, Leistung und Produkt. Weitere Schwerpunkte waren die Berücksichtigung von psychischen Erkrankungen im Antragsprozess sowie neue BU-Produkte und Services. Im Beitrag geben wir einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen bei der Arbeitskraftabsicherung.  

Prozesseffizient durch Tools: Insights aus der Kooperation von Munich Re und Swiss Life 

Adela Koch, Claims Consultant bei der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft Aktiengesellschaft, und Philipp Greiner, Abteilungsleiter Claims bei der Swiss Life AG Deutschland, berichteten von ihren Erfolgen bei der Einführung von CLARA plus. Die Herausforderungen in der Leistungsprüfung sind bei den Erstversicherern sehr homogen und reichen von komplexen Leistungsfällen über Fachkräftemangel bis hin zu Kostendruck als Hindernis für Neuinvestitionen. Viele Herausforderungen, bei denen durch den Einsatz von Technologie Abhilfe geschaffen werden soll. CLARA plus ist ein Tool, das bei der Ermittlung des BU-Grades unterstützt und systemgestützt zum Einsatz kommt. Greiner betonte, dass durch den Einsatz von Technologie ein Effizienzschub in der Leistungsbearbeitung spürbar ist. Mit CLARA plus haben die Leistungsprüfer eine Unterstützung bei der Auswertung medizinischer Unterlagen, zudem gibt das Tool fallindividuelle Hinweise für die Weiterverarbeitung und liefert objektive Argumentationshilfe bei der Leistungsprüfung. Belohnt wird die Investition in eine technologiegestützte Leistungsbearbeitung durch kürzere Durchlaufzeiten, bessere Datenhaltung und Verständlichkeit, eine bessere Entscheidungsqualität, optimalen Ressourcen- und Experteneinsatz sowie ein besseres Prozessverständnis. 

Auch die Zurich setzt auf technologiegestützte Leistungsfallbearbeitung. Dana Hagemann, Leiterin der Abteilung Life Claims Operations/Kundenservice Privatkunden Deutschland bei der Zurich Gruppe Deutschland, gab einen Einblick in die Entwicklung einer flexiblen Softwarelösung, die gemeinsam mit den Mitarbeitenden aus Fach- und IT-Abteilung gestemmt wird. Die Lösung wurde bisher mit Hilfe der Mendix Plattform, einer Low-Code-Plattform, entwickelt. Dabei gelang es, in elf Monaten 70 Prozent der Anwendungen fertigzustellen. Zum Zeitpunkt des Vortrags befand sich die Systemanbindung in der Fertigstellung. Wichtig war den Projektbeteiligten, dass sich alle entwickelten Elemente wiederverwenden lassen und eine Ablösung der Schatten-IT erfolgt. Auch die Mitarbeiterbefähigung spielte im Projektverlauf eine wesentliche Rolle: Zwei Mitarbeitende aus der IT und drei aus der Fachabteilung wurden zu Lead Developern ausgebildet. Diese können kleine Anpassungen selbständig vornehmen. Durch dieses Vorgehen wurde das gegenseitige Verständnis erhöht, zudem spüren die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter den Nutzen des neuen Tools direkt im Entstehungsprozess, was die Tool-Akzeptanz erhöht. 

Die juristischen Grenzen bei der Produktinnovation 

Guido Knauf, Fachexperte Produktentwicklung, Vor-Ort-Kunden-Service, Berufsunfähigkeitsleistungsprüfung bei der HDI Lebensversicherung AG, unternahm mit den Teilnehmenden einen rechtlichen Ausflug und diskutierte das Spannungsfeld zwischen Produktinnovation und rechtlichen Grenzen. Dabei betonte er, wie wichtig es sei, das gesetzliche Leitbild bei der Produktentwicklung nicht aus dem Blick zu verlieren. Innovationen und die Digitalisierung der Prozesse seien wichtig. Die BU muss jedoch auch über die Zeit Bestand haben. Die Orientierung nach Ratern und Vertrieb ist bei der Produktgestaltung nicht immer zielführend. 

So führte er an, dass Transparenz und Verständlichkeit herausfordernd sind, laut Transparenzgebot jedoch notwendig. Auch der Verzicht auf die Meldefristen erweist sich als hinderlich. Denn dies steht der Verjährung von Ansprüchen aus der Vergangenheit im Wege. 

Psychische Vorerkrankungen bei der Antragsprüfung sollten kein K.-o.-Kriterium sein 

„Unterstützen. Versichern. Belohnen. – vom Antrag bis zur Leistung“ darum ging es im Vortrag von Mathias Strathmann, Produktmanager Life/Health bei der Deutsche Rückversicherung AG. Dabei stellte er drei innovative Ansätze für die BU von Antrag- bis Leistungsfall vor. Strathmann betonte: „Der größte noch unerschlossene Schatz für die Lebensversicherung liegt im Thema Gesundheit und Genesung.“ Neben einer besseren und individuelleren Risikobewertung sollten auch die psychischen Klauseln überdacht werden. Die verbesserte Risikobewertung hat das Ziel, mehr Normalannahmen durch weniger Ausschlussklauseln zu ermöglichen. Das gilt auch für psychische Erkrankungen. Die Zahl psychisch bedingter Krankschreibungen​ ​steigt und erschweren den Betroffenen einen BU-Abschluss, da diese bisher sehr restriktiv behandelt werden. Statt Ablehnung sollte man psychische Vorerkrankungen mit zeitlich begrenztem Versicherungsschutz begegnen und die Versicherungsleistung an das Risiko anpassen.   

BU-Services: Das erwartet der Kunde 

Wie der Kunde das Thema Service in der Arbeitskraftabsicherung wahrnimmt, erläuterten Christian Schwalb, Geschäftsführer der BIOMEX Biometrie Expertenservice GmbH, und Diana Boduch, Leiterin Kompetenzteam Antrag, Vertrag & Schadenmanagement bei den Versicherungsforen Leipzig. In einer Umfrage wurden knapp 400 Personen befragt. 25 Prozent waren hierbei Leistungsempfänger einer BU. Bei den übrigen 75 Prozent handelt es sich um Endkunden.  

Die Kundenbefragung ergab u.a.: 

  • 49 Prozent der Leistungsfälle hielten es für unwahrscheinlich, ihre Arbeitskraft zu verlieren. 
  • 38 Prozent der Befragten mit BU-Fall würden eine höhere Versicherungssumme vereinbaren. 19 Prozent würden mehr Serviceleistungen einschließen. 
  • 41 Prozent der befragten Endkunden erwarten negative Einflüsse auf ihr Wohlbefinden beim Verlust der eigenen Arbeitskraft. Dies bietet den beiden Experten zufolge Ansatzpunkte für neue Services. 

Wer einen umfassenderen Einblick in die Ergebnisse der Befragung haben möchte, kann sich gern an Diana Boduch wenden oder die Ergebnisse der Studie erwerben.

Neues vom BU-Mark: Cash+ von der Baloise 

Ingo Gerlach, Produktmanager Leben, und Michael Kowol, Abteilungsleiter Underwriting/Claims, beide von der Baloise Lebensversicherung AG Deutschland, stellten das BU-Produkt Cash+ vor. Mit Cash+ versucht der Versicherer den Painpoints in der BU zur begegnen: Zu teuer, mangelndes Vertrauen oder der Wunsch nach alternativen Absicherungen stehen der BU in der Argumentation häufig im Wege. Dem hat sich der Versicherer gestellt und mit Cash+ eine BU-Versicherung für junge Menschen und Akademiker auf den Weg gebracht, die diesen Gegenargumenten begegnet. Dabei betonten die Experten: „Es geht eben nicht, eben mal so einen Baustein für den Endkunden bzw. Vertrieb einzuführen. Die Prozesse dahinter müssen End-to-end gedacht werden.“  

Bei der BU wird eine laufende Rente und ​ein Sofortkapital ausgezahlt. Das Sofortkapital kann in der Höhe variieren. Die Baloise hat festgestellt, dass ein Großteil der Zielgruppe an einem Wiedereitritt ins Berufsleben interessiert ist. Mit Cash+ und der steuerfreien Kapitaleinmalzahlung direkt zu Beginn der Berufsunfähigkeit wird diesem Wunsch am ehesten begegnet.  

Die BU als neuer Wachstumsfaktor in einer Multikanalausrichtung 

Vor welchen Herausforderungen ein Risikolebensversicherer steht, wenn er ein neues Marktsegment ausbaut und neue Wege beim Vertrieb geht, diskutierte Dr. Arne Becker, Leiter Produktmanagement bei der Hannoversche Lebensversicherung AG. Der Produktmix der Hannoverschen wird vor allem von der Risikolebensversicherung bestimmt. Ein weiteres Wachstum in diesem Bereich ist dem Experten zufolge mit Blick auf Demografie und Markt unrealistisch. Die Hannoversche steht folglich vor der Herausforderung, neue Marktsegmente zu heben. Die BU ist der bisherigen Ausrichtung des Versicherers am nächsten und stellt einen wachsenden Markt dar, der Raum für neue Wettbewerber lässt. Gleichzeitig transformiert der Versicherer zum Multikanalversicherer. Auch dies birgt neue Problemstellungen: So werden neue Anforderungen an IT-Systeme gestellt, eine Vielzahl an Voranfragen muss bewältigt werden, die Preispositionierung variiert je nach Vertriebskanal und die Beratung der Vermittler muss bewältigt werden.  

Bei der Produktgestaltung legte die Hannoversche Wert auf Flexibilität und Vertrauen. So gibt es für den Kunden nachvollziehbare und verständliche Leistungsauslöser. Das Vertrauen schafft der Versicherer, in dem er dazu aufruft, dieses durch den Verbraucherschutz prüfen zu lassen. Becker betonte, dass die BU ein Produkt für den Endkunden und nicht unbedingt den Vermittler sein sollte.  Auch wenn das Direktgeschäft aktuell noch teuer ist, hält der Versicherer an dem Vorgehen fest, da er mit Hinblick auf die Anforderungen junger Kunden, insbesondere die GenZ, von der Notwendigkeit überzeugt ist.  

Der Beitrag war nur ein kleiner Auszug der Impulse und Diskussionen der zweitägigen Expertenveranstaltung. Die nächste Fachkonferenz findet am 24./25. September 2024 statt. Seien Sie dabei und diskutieren Sie mit!