Sustainable Finance: Ein nachhaltiges Finanzsystem für die große Transformation

Was verbirgt sich hinter dem Ziel der Bundesregierung, der führende Sustainable-Finance-Standort zu werden? Und was bedeutet das für die Versicherer? Das Experteninterview mit Wiebke Merbeth klärt auf!

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Schaden & Leistung
Themen:
Nachhaltigkeit Finanzen
Sustainable Finance: Ein nachhaltiges Finanzsystem für die große Transformation

Auf Initiative des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und in enger Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) soll Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort ausgebaut werden. Um dies zu erreichen, wird an einer Sustainable-Finance-Strategie gearbeitet. Diese soll den Finanzsektor darin unterstützen, die für die Erreichung der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und der Ziele des Pariser Klimaabkommens notwendigen realwirtschaftlichen Aktivitäten zu finanzieren. Die Bundesregierung ist sich sicher, dass Sustainable Finance einen wichtigen Beitrag zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands leisten wird.

Im Experteninterview mit Wiebke Merbeth, Leiterin Nachhaltigkeit bei der BayernInvest Kapitalanlagegesellschaft mbH, erfahren wir, ob Deutschland das Potenzial hat, ein führender Sustainable-Finance-Standort zu werden und wie die Versicherer beim Thema nachhaltige Investments im Branchenvergleich aufgestellt sind.

Zu unserem Partnerkongress am 30. November 2021 wird Sie zudem spannende Einblicke in das Thema Sustainable Finance geben. 

Hat Deutschland das Potenzial, weltweit der führende Sustainable-Finance-Standort zu werden?

Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort auszubauen. Wir stehen hier nicht im Wettbewerb zu anderen Ländern, sondern müssen alle versuchen, je nach geografischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Mir liegt diese Differenzierung am Herzen, schließlich geht Klimaneutralität nur gemeinsam – gemeinsam über politische Grenzen hinweg und Hand in Hand mit Finanz- und Realwirtschaft. Deutschland hat diesbezüglich definitiv das finanzielle sowie technologische Potential, davon bin ich überzeugt.

Was braucht es, um dieses Ziel zu erreichen und wie wird die Politik die Finanzbranche unterstützen?

Bei der deutschen Sustainable-Finance-Strategie werden folgende Kriterien formuliert: „Chancen ergreifen, Transformation finanzieren, Nachhaltigkeitswirkung verankern“ und in diesem Zusammenhang das „Risikomanagement der Finanzindustrie gezielt verbessern und Finanzmarktstabilität gewährleisten“. Konkret müssen wir akzeptieren, dass Sustainable Finance uns viele Kapazitäten abverlangt: personell, finanziell, zeitlich. Die Politik will den Finanzstandort Deutschland stärken und Expertise ausbauen. Bildung und technologischer Fortschritt waren schon immer wichtig, gewinnen aber jetzt nochmal eine neue Tragweite. Hier spielt eindeutig die Verknüpfung der ESG-Risikoperspektive mit der SDG-Wirkungsstärkung eine wichtige Rolle.

Die wesentliche Antwort, die hier aber auch nicht fehlen darf: Es braucht Rechtssicherheit und Planbarkeit, gerade für langfristig ausgerichtete Investoren und für einen anlagebauintensiven Industriestandort, wie Deutschland es ist.

Wie ist die Versicherungsbranche im Vergleich zu anderen Branchen beim Thema nachhaltige Investments aktuell aufgestellt?

Die Versicherer sehen Sustainable Finance gleichermaßen als Fluch und als Segen. Wer sich als Risikomanager versteht, der hat ESG schon längst als zu integrierende Datenkomponenten verstanden. Und zukünftig wird ESG auch in der Produktausgestaltung und im Vertrieb zum Hygienefaktor werden. Andere institutionelle Investoren sind je nach regulatorischem Umfeld und Freiheitsgraden weiter oder langsamer. Dies spielt aber keine Rolle, denn Sustainable Finance erfindet sich gerade durch die Regulatorik neu. Die vergangene Strecke ist also für die Ausgestaltung der Kapitalanlagen ab 2022 wenig relevant.

Sustainable Finance ist ein Thema, das stark regulatorisch getrieben wird. Welche Herausforderungen und Zielkonflikte ergeben sich hierbei für die Investoren?

Tatsächlich war es in meinen Augen nie so wichtig wie jetzt, sich nicht nur mit der eigenen Regulatorik, sondern auch den Marktteilnehmer zu beschäftigen. Wenn große Vermögen umgeschichtet werden (müssen), hat dies Kurseffekte. Die Stichworte sind grüne Blasen, braune Klumpenrisiken und gestrandete Vermögenswerte, denen sich schneller als gedacht alle Investorengruppen stellen müssen. Male ich zu schwarz? Lassen Sie es uns realistisch betrachten: Wir haben zu lange im Status quo verharrt – weil es günstiger war, komfortabler. Jetzt wird es stürmischer und diejenigen, die sich zügig am besten rüsten, werden sich langfristig auch durchsetzen. Nochmal: Das kostet Geld und Zeit und das geht auf Kosten der Marge. Aber Shareholder Value ist genauso 90er wie die Ignoranz in Bezug auf die Internalisierung externer Effekte. Wer das erkannt hat, der kann daraus sogar attraktive Geschäftsmodelle ableiten. Und dann behaupten wir uns wirklich als einer der weltweit führenden Sustainable-Finance-Standorte.

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