Versicherungsprodukte made by Generative AI
Ein neues Versicherungsprodukt, entwickelt mit ChatGPT? Inwieweit das heute schon möglich ist, haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ChatGPT-Challenge im Rahmen unseres Partnerfestivals we.Xplore getestet. Wie Sprachmodelle wie ChatGPT in Zukunft die Versicherungsbranche im Produktentwicklungsprozess unterstützen können, zeigen wir in diesem Beitrag.
"Die Kombination aus vielen Ideen und menschlicher Kreativität ist für mich ein nahezu perfektes Beispiel dafür, wie man GenAI in einem Unternehmenskontext anwenden kann." - Robert Schnoeckel, Future Scientist bei den Versicherungsforen Leipzig
„Zukunft gestalten“ lautete das Motto von we.Xplore, dem Festival für unsere Partner, mit dem wir am 28. September 2023 klassische Kongress- gegen Festivalatmosphäre getauscht haben. Neue Impulse und Co-Kreation standen deshalb ganz oben auf der Agenda der Veranstaltung. Darunter auch eine ChatGPT-Challenge. Ziel war es, mithilfe von ChatGPT ein innovatives Versicherungsprodukt zu entwerfen – und das in nur 15 Minuten.
Wie bewerteten die Teilnehmenden den Ansatz, Generative AI in der Versicherungswirtschaft im Produktentwicklungsprozess anzuwenden? Und welche Möglichkeiten bieten sich dafür zukünftig? Darüber haben wir mit den Teilnehmenden der Challenge und mit Robert Schnoeckel gesprochen. Schnoeckel ist Future Scientist bei den Versicherungsforen Leipzig und war Initiator der Challenge.
Status quo in der Versicherungswirtschaft
Auch wenn ChatGPT nur ein mögliches Beispiel für generative künstliche Intelligenz (GenAI) darstellt, so ist es aktuell doch das bekannteste. In den Versicherungshäusern findet die Plattform bislang noch wenig bis sehr wenig Anwendung, weiß Robert Schnoeckel aus seiner Erfahrung in bisherigen Projekten bei den Versicherungsforen. Dem stimmten auch Teilnehmende der Challenge zu. Über das Experimentieren im Bereich der Textoptimierung gehe die Nutzung von ChatGPT noch nicht hinaus. Auch Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH, gab im Rahmen der Challenge an, dass eine systematische Anwendung bislang nicht erfolgt. Auch Bedenken stehen der Nutzung häufig noch im Wege: Insbesondere beim Thema Datenschutz, auch mit Blick auf den Wettbewerb, sagte Jörg Halm, Direktor Geschäftsfeld Personenschaden bei Eucon. Eine Lösung für dieses Problem stellt die Implementierung unternehmensinterner Lösungen dar. Diese ermöglichen eine Nutzung der Technologie, ohne sensible Daten nach außen zu geben. Interne Lösungen werden Robert Schnoeckel zufolge jedoch erst bei wenigen Versicherungshäusern erprobt.
Es kommt auf das Zusammenspiel von Mensch und Maschine an
An die Aufgabe, mit ChatGPT ein neues Versicherungsprodukt zu entwickeln, traten die Teilnehmenden zunächst explorativ heran. Sie erprobten auf verschiedenen Wegen, inwieweit das Sprachmodell ausgehend von einer groben Idee ein konkretes Konzept entwickeln kann. Auf diese Weise gelang es, eine Vielzahl von Ideen zu generieren – und das binnen kürzester Zeit. Dieses Potenzial wurde in der Challenge durchaus genutzt und geschätzt.
„Man erhält viel mehr Input, über den man nachdenken kann. Zur Erweiterung des Horizonts und für den kreativen Ideenraum finde ich das gut.“ - Dr. Reiner Will, Geschäftsführer bei Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH
Aufgrund der Tatsache, dass Modelle wie ChatGPT dabei auf Trainingsmaterial zurückgreifen und dieses meist einfach neu kombinieren, ist das Innovationspotenzial in diesem Punkt jedoch begrenzt. Auch das Thema Deckungslücken erscheint zunehmend ausgeschöpft, merkte Dr. Reiner Will an. Für den Produktentwicklungsprozess ist dieser Schritt der Ideengeneration dennoch unabdingbar. Mit dem Einsatz von GenAI wird das Vorgehen dabei einerseits deutlich effizienter, wenn man zum Vergleich beispielsweise an mehrstündige Brainstorming-Meetings denkt. Zudem kommen die maschinell generierten Ergebnisse tatsächlich besser an. Das zeigte beispielsweise eine aktuelle Studie, in der die Zahlungsbereitschaft für von Menschen entworfene Produktideen mit Ideen von ChatGPT verglichen wurde. Besonders spannend, und das hebt auch Robert Schnoeckel hervor: Es führten insbesondere die Ansätze zu den besten Ergebnissen, die aus einer Bündelung menschlicher und maschineller Kompetenzen entstanden sind. So hat man als Mensch die Möglichkeit, eigene Fähigkeiten hinzuzugeben und dadurch innerhalb kurzer Zeit eine große Menge guter bis sehr guter Ideen zu entwerfen. Das gelingt beispielsweise, indem das Sprachmodell mit Positiv-Beispielen angeleitet wird. Auch die Aufforderung, bei der Generation von Ideen eine bestimmte Perspektive einzunehmen oder Aspekte zu bedenken, verbessert die Antworten.
„ChatGPT hat mich auf Probleme hingewiesen, die ich bedenken muss, das fand ich sehr gut. (…) Das Produkt ist nicht allein erstellt worden, sondern mit meiner Hilfe.“ - Jörg Halm, Direktor Geschäftsfeld Personenschaden bei Eucon
So habe das Programm auf mögliche Probleme der Produktidee hingewiesen, die man selbst zunächst nicht bedacht hatte. Ausgehend von den eigenen Kompetenzen könne man daraufhin Lösungen vorschlagen, die wiederum durch die Maschine bewertet werden. Darauf aufbauend werden die Ideen für die nächste Entwicklungsschleife angepasst. Mit diesem Vorgehen werden auch die Bedenken gegenüber der Mächtigkeit oder fehlenden Kompetenz von GenAI im Versicherungskontext weniger.
„Man hat eine Technologie, die innerhalb kürzester Zeit unglaublich viele Ideen generieren kann, und ich habe als Mensch die Möglichkeit, meine eigenen Fähigkeiten hinzuzugeben und innerhalb kurzer Zeit eine große Menge guter bis sehr guter Ideen zu entwerfen“, hält Robert Schnoeckel als Fazit fest.
Die Berechnung von Finanzierbarkeit und der Bereich Personenschaden als mögliche Hürden?
Aber ist GenAI auch über die Generierung von Ideen und Teillösungen hinaus in der Lage, konkrete Versicherungsprodukte zu entwickeln? In Bezug auf bestimmte Aspekte des Entwicklungsprozesses stößt GenAI an Grenzen. Das betrifft insbesondere die Ausführung von Berechnungen wie der Finanzierbarkeit eines neuen Produktes. Dem schließt sich auch Dr. Reiner Will an: „Ein paar Entscheidungen bewerten ja, aber ich glaube nicht, dass es mit konkreten Umsatzzahlen rechnen kann.“ Ein weiterer Punkt, der von Teilnehmer Jörg Halm kritisch angemerkt wurde, bezieht sich auf den Bereich Gesundheit, beispielsweise in Bezug auf Personenschäden. In die Produktentwicklung fließen dabei viele verschiedene Parameter ein, die nicht ohne Weiteres pauschal festgelegt werden können. Unter solchen komplexen Voraussetzungen hat es auch GenAI schwer. Es bleibt spannend, wie sich Modelle wie ChatGPT diesbezüglich weiter entwickeln werden.
Fazit zu unserer ersten ChatGPT-Challenge!
Insgesamt stieß die interaktive Aufgabe im Rahmen des we.Xplore Partnerfestivals auf positive Resonanz. Für die meisten Teilnehmer war es die erste gezielte Auseinandersetzung mit ChatGPT im Kontext der Entwicklung eines Versicherungsproduktes. Bewertet wurden die Konzepte nach den Kriterien Innovationsgrad, Produkt und Lösung sowie Geschäftsmodell. Passend zum Thema nahm ChatGPT die Bewertung mit Hilfe eines darauf abgestimmten Prompts, einer textbasierten Anweisung, selbst vor. Ergänzend übernahmen Thomas Hollick und Robert Schnoeckel, beide Versicherungsforen Leipzig, die Bewertung von menschlicher Seite. Aus beiden Ergebnissen wurde ein Mittelwert gebildet.
Den ersten Platz belegte Florian Meurs, Geschäftsführer der BD24 Berlin Direkt Versicherung. Herzlichen Glückwunsch!
Wie geht es weiter mit GenAI?
Zukünftig wird GenAI stärker zur Unterstützung im allgemeinen Arbeitsablauf genutzt werden, dazu herrschte Einigkeit. Um das Potenzial von Lösungen wie ChatGPT auch unter Berücksichtigung der hohen Veränderungsgeschwindigkeit nutzen zu können, bedarf es jedoch einer strategischen Auseinandersetzung mit der Thematik. Die Versicherungsforen Leipzig begleiten Sie gerne auf diesem Weg, sei es in Form von individuellen Beratungsprojekten, Inhouse-Workshops oder Werkstätten. Aktuell erarbeiten wir im Rahmen der F&E-Initiative Xplore GenAI gemeinsam mit Vertretern aus der Versicherungsbranche, den Digital Impact Labs Leipzig und dem Data-Analytics-Spezialisten A4I praxisrelevante Use Cases und funktionsfähige Prototypen. Der Fokus liegt dabei auf der Versicherungsbranche.
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Generative AI in Versicherungen
Relevante Quellen zum Beitrag:
- Studie: Ideas are Dimes a Dozen: Large Language Models for Idea Generation in Innovation
- Girotra, Karan and Meincke, Lennart and Terwiesch, Christian and Ulrich, Karl T., Ideas are Dimes a Dozen: Large Language Models for Idea Generation in Innovation (July 10, 2023). Available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=4526071 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.4526071