Klimafolgenabschätzung: Mit Data Analytics regionale Klimawirkungen identifizieren

Mit Dr. Daniel Merk, Data Scientist bei A4I Leipzig, haben wir über ein spannendes Projekt zur regionalen Klimafolgenabschätzung gesprochen.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
Klimaschutz Data Analytics Big Data
Klimafolgenabschätzung: Mit Data Analytics regionale  Klimawirkungen identifizieren

Mit Dr. Daniel Merk, Data Scientist bei A4I Leipzig, haben wir über ein spannendes Projekt zur regionalen Klimafolgenabschätzung gesprochen. Das Projekt zielt darauf ab, die Auswirkungen des Klimawandels auf regionaler Ebene zu analysieren und fundierte Maßnahmen für verschiedene Sektoren wie Forstwirtschaft, Stadtplanung und Wasserwirtschaft zu entwickeln. Durch die Nutzung langfristiger Klimamodellierung können klimatische Hotspots identifiziert werden, die besondere Risiken aufweisen. Diese regionalen Analysen sind essenziell, um den Klimatrends entgegenzuwirken und nachhaltige Anpassungsstrategien zu entwickeln. Im Interview erfahren wir, wie die Experten bei ihrer Analyse vorgegangen sind.

Welche Daten habt ihr gesammelt und analysiert?

Wir haben uns sehr eng an die Leitlinien des Bund-Länder-Fachgesprächs zur Auswertung von regionalen Klimamodelldaten gehalten. Das heißt konkret: Wir haben uns auf Regionalklimamodelle gestützt, die dem sogenannten Brandenburg-Ensemble entsprechen. Das sind eine Reihe verschiedener Klimasimulationen, die sowohl unterschiedliche Globalmodelle als auch verschiedene Regionalmodelle verwenden, um so die Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung abzubilden. Die Daten für unsere Analysen haben wir zum einen vom Landesamt für Umwelt Brandenburg erhalten. Wir haben aber auch das Klimadatenportal und das OpenData-Portal des Deutschen Wetterdienstes genutzt. Letzteres vor allem für räumlich hochaufgelöste Messdaten, welche die beobachtete Entwicklung des Klimas anzeigen.

Bei der Analyse haben wir uns die verschiedenen Szenarien angesehen, die seitens des IPCC definiert wurden und die mögliche Entwicklung unter verschiedenen gesellschaftlichen Entwicklungspfaden darstellen: Namentlich sind das RCP2.6, RCP4.5 und RCP8.5 – diese spiegeln den Szenarien-Raum vom Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens bis hin zum „Weiter-wie-bisher-Szenario“ wider. Für diese Szenarien haben wir dann den Fokus auf zwei Zeiträume gelegt (nahe und ferne Zukunft – insgesamt bis zum Jahr 2100) und dafür verschiedene meteorologische Parameter zu Temperatur, Wasserhaushalt und Wind ausgewertet. Konkret waren das u.a. die Entwicklung der Temperatur, die Anzahl von Hitzetagen (>30°C Tagesmaximum-Temperatur), der jahreszeitliche Niederschlag oder die potenzielle Verdunstung.

Was sind – ganz grob – eure Ergebnisse? Welche Auswirkungen hat der Klimawandel also nun auf den Landkreis Oder-Spree, für den ihr das Projekt umgesetzt habt?

Da sind natürlich je nach Szenario noch Spielräume. Wenn man aber die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung beobachtet und das dazu passende Szenario wählt, kann man davon ausgehen, dass wir bei der mittleren Temperaturentwicklung bis zum Ende des Jahrhunderts nochmals einen deutlichen Sprung nach oben machen – möglich sind bis zu knapp zwei bis vier Grad Celsius. Aktuell wurden im Landkreis Oder-Spree bis 2020 bereits plus ein Grad Celsius Temperaturanstieg über ein 30-Jahres-Mittel beobachtet im Vergleich zur Klimanormalperiode von 1960-1990. Das zeigt, dass die aktuell bereits beobachtete Zunahme von Extremen bei der Temperatur sich beschleunigt, also: deutlich mehr Sommertage (>25°C), Hitzetage und vermutlich auch Tropennächte (Temperatur geht nicht unter 20°C).

Für den betrachteten Landkreis stellt sich so vor allem die Frage nach Veränderungen im Wasserhaushalt. Der Landkreis Oder-Spree ist mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von ca. 580 mm im Mittel bereits einer der trockensten Regionen in Deutschland. Auch wenn nach den Klimasimulationen kein klares Signal einer sich im Mittel verändernden Niederschlagsmenge zu erkennen ist, so führen die jahreszeitliche Verschiebung, die Zunahme von Extremereignissen und die zunehmende Verdunstung letztlich dazu, dass das Wasserdefizit gerade in den Sommermonaten ansteigen wird und zu mehr Trockenheit führt.

Du hattest im Interview im letzten Frühjahr erzählt, dass ihr auch nach konkreten Auswirkungen des Klimawandels auf Fokusbereiche (Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Stadtentwicklung) schaut. Kannst du uns ein paar konkrete Beispiele nennen, welche Auswirkungen in den einzelnen Bereichen auf uns zukommen werden?

Hier liegt der Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit tatsächlich bei unserem Projektpartner, der mellon Gesellschaft für nachhaltige Entwicklung GmbH. Aber aus unserer Sicht ergeben sich folgende Herausforderungen für die einzelnen Fokusbereiche durch die erwartbare Klimaentwicklung:

  • Landwirtschaft: Trockenere Sommer und damit ggf. mehr notwendige Bewässerung; Rückgang von Frosttagen und Verschiebung von Vegetationsperioden; Belastung von Nutztieren bei zunehmenden Extremtemperaturen.
  • Forstwirtschaft: Mittlerer Temperaturanstieg wirkt zunächst positiv auf Pflanzenwachstum (verlängerte Vegetationsperiode), gleichzeitig zunehmende Gefahr invasiver Baumarten und Schädlinge; Waldbrandgefahr steigt in trockenen Sommern an.
  • Fischerei: Zunahme der Wassertemperaturen – die Folge sind Sauerstoffmangel, Belastung mit Bakterien und Algen, was letztendlich zu einem Fischsterben führt.
  • Stadtentwicklung: Hitzestress der Bevölkerung, insbesondere im Sommer, und Notwendigkeit, für mehr Kühlung zu sorgen.

Welche Erkenntnisse haben dich am meisten überrascht?

Vor allem die Zunahme der Anzahl von Sommertagen im „Weiter-wie-bisher-Szenario“ war schon erschreckend. Wenn man sich vorstellt, dass zum Ende des Jahrhunderts die Tagesmaximaltemperatur etwa drei Monate (95 Tage) lang ständig über 25°C geht, steigt die Wärmebelastung da schon enorm. Aktuell sind wir im Mittel bei rund 50 Sommertagen im Jahr in der betrachteten Region. Also ist eine Verdopplung möglich.

Welche Erkenntnisse aus eurem Projekt sind besonders relevant für Versicherer?

Die Risiken für wirtschaftliche Schäden in den einzelnen Bereichen werden sicherlich zunehmen. Das dürfte dann Versicherer bzw. Rückversicherer betreffen.

Welche Tipps und Hinweise würdest du der Oder-Spree-Bevölkerung mitgeben? Gibt es bspw. Maßnahmen, die dort deiner Meinung nach bzw. nach euren Ergebnissen dringend umgesetzt werden sollten?

Ich bin zwar nicht direkt der Experte bzgl. der konkreten Anpassungsmaßnahmen, die man ja auch immer abwägen muss bzgl. Wichtigkeit, Machbarkeit, Akzeptanz und Kosten, aber ein paar Dinge liegen sicherlich auf der Hand: Möglichkeiten schaffen, das Wasser gerade in den Sommermonaten besser im System zu halten sowie Kühlungsmöglichkeiten und auch Schattenräume im öffentlichen Raum schaffen.

Mit welchem Gefühl gehst du aus der Analyse? Machen dich eure Erkenntnisse eher hoffnungsvoller oder blickst du eher pessimistischer auf die Eindämmung des Klimawandels?

Dadurch, dass ich mich bereits vorher durch die wissenschaftliche Laufbahn als Meteorologe intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt habe, hat sich durch die Analyse tatsächlich gar nicht so viel verändert. Aber es hat trotzdem nochmals sehr deutlich gezeigt, welche Auswirkungen die Entwicklung ganz konkret in einem Gebiet haben kann. Sonst hat man oft eher das große Ganze im Blick, und da ist es bisweilen schwieriger, sich konkrete Folgen richtig bewusst zu machen. Gerade jetzt dürfte der entscheidende Zeitraum sein, die Weichen für eine positive Zukunft zu stellen. Je mehr Zeit weiterhin ohne ausreichende Maßnahmen verstreicht, umso schwerer wird es in ein paar Jahren, entsprechende umzusetzen. Es besteht die Gefahr höherer Kosten für die notwendigen Anpassungen oder aus bereits entstandenen Schäden.

Vielen Dank für das Interview!