New Work: Die größte Herausforderung liegt im Nutzen-Verständnis

Wer das Thema New Work ernsthaft angehen und in seinem Unternehmen verwirklichen will, steht vor einer Vielzahl an Herausforderungen, denn New Work ist mehr als die Spielkonsole im Meetingraum. Welchen Fragen sich ein Unternehmen auf der eigenen New-Work-Reise stellen muss, darüber haben wir mit Katrin Haas, Beraterin bei BTC Consulting gesprochen.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Betrieb & Organisation
Themen:
Arbeitswelten/NewWork
New Work: Die größte Herausforderung liegt im Nutzen-Verständnis

Katrin Haas ist Diplom-Kauffrau und hat zwölf Jahre Berufserfahrung als Unternehmensberaterin. Sie sieht tiefen Sinn darin, Menschen von ihren Herzblutthemen New Work, Change Management und Führungskräfteentwicklung zu begeistern. Ihre Kunden waren und sind Unternehmen, die den Wandel hin zu einer zukunftsfähigen Unternehmensstruktur und -kultur vor sich haben bzw. die gerade im Wandel sind. Katrin Haas ist Workshop-Moderatorin und Trainerin für New Work, Arbeitsorganisation, Digital Leadership & Culture, sowie Innovationsmanagement (Design Thinking).

Frau Haas, sie sind New-Work-Beraterin. Wenn ein Kunde auf Sie zukommt und sich dem Thema New Work stellen möchte, wie starten Sie mit diesem in das Thema?

Ich frage erst einmal, warum sich der Kunde dem Thema stellen möchte und was sein Verständnis von New Work ist. Warum er sich bewegen und etwas anders als gestern machen möchte. Die Antworten auf die Fragen sind für mich Voraussetzung, den Kunden und seine Beweggründe wirklich zu verstehen. Ich verbringe viel Zeit mit der Auftragsklärung und das kann schon an der einen oder anderen Stelle echt penetrant sein. Ich höre nicht auf mit meinen „Warum-Fragen“, bis ich das Gefühl habe, dass ich ein konkretes Bild von den Bedürfnissen und den Herausforderungen meines Kunden habe. Danach stelle ich die Frage nach dem Zielbild, also dem wünschenswerten Zustand.

Dann geht es an die Arbeit mit der Belegschaft: Ich führe viele Einzelgespräche mit den Mitarbeitern – hierarchieübergreifend. Auch hier ist mein Ziel, wirklich zu verstehen, mit welchen Problemen sie zu kämpfen und welche Bedürfnisse sie in Bezug auf ihre tägliche Arbeit und den organisationalen Rahmen haben. Ich nutze dabei einen Interviewleitfaden und die Termine gehen meist eineinhalb bis zwei Stunden. Je nach Unternehmensgröße führe ich im Schnitt 10 bis 20 vertrauliche Gespräche.

Am Ende habe ich dann eine prall gefüllte Schatzkiste mit prozessualen, fachlichen und auch kommunikativen, führungsrelevanten und kulturellen Herausforderungen. Das gibt mir ein sehr gutes Bild, was mit und in dem Unternehmen los ist. Mit diesem bunten Blumenstrauß und der gesamtheitlichen Perspektive habe ich zahlreiche Ideen, wo ich mit meiner Arbeit ansetzen kann. Meine Empfehlung ist grundsätzlich, mit der Visions-Erarbeitung zu starten, um dann den Fixstern als Orientierung vor Augen zu haben.  

New Work ist ja nicht nur eine Frage neuer Arbeitszeitmodelle, neuer Lohn- und Bonussysteme sondern auch eine Frage des Kulturwandels. Welche Hürden müssen Unternehmen hier nehmen?

Sie sollten erst einmal zulassen, dass es tatsächlich eine Frage der Kultur ist und nicht der Prozessverbesserungen, -optimierungen oder dergleichen. Die Denkweise, dass nach einer Prozessverbesserung alles gut ist, das Unternehmen dann fit für die Zukunft und super aufgestellt ist, und die Produktivität durch die Decke gehen wird, ist zu kurz gedacht. Dass sich der Kunde darauf einlässt, zu verstehen, dass New Work etwas mit den Menschen, mit Unternehmenskultur und mit Veränderungen der Arbeitsweisen zu tun hat, das ist zunächst die größte Hürde. Den Mehrwert in der Arbeit mit den Menschen zu erkennen und was das mit sich bringt, ist für viele Führungskräfte und Unternehmer sehr herausfordernd. Diese Art der Arbeit ist nur ganz schwer messbar und kontrollierbar. Viele können das nicht greifen, es verunsichert sie, in Kulturveränderung zu investieren und es macht natürlich auch Angst, nicht genau zu wissen, wohin die Reise geht.

In meinem New-Work-Verständnis gibt es zwei Ansatzpunkte, die im besten Fall zeitgleich angegangen werden sollten. Die erste Facette adressiert die persönliche Ebene: Ich möchte den Menschen helfen, herauszufinden, was sie wirklich wollen. Das heißt, den  eigenen Schatz zu entdecken, der sie von innen heraus motiviert, Verantwortung für ihre Herzblutthemen zu übernehmen. Bei der zweiten Facette wird die Organisation involviert: Ich möchte gemeinsam mit der Belegschaft herausfinden, welchen organisationalen und kulturellen Rahmen es braucht, damit die Mitarbeiter ihre Schätze konsequent heben dürfen. Was sollte passieren, dass die Mitarbeiter gerne zur Arbeit kommen? Und das ist immens facettenreich: Da geht es um Fragestellungen zur Führungskultur, zum Umgang miteinander, zum Grad der offenen und transparenten Zusammenarbeit, wie über Fehler und Schwächen gesprochen wird, wie Informationen geteilt werden, ob Feedback gegeben wird, ob Werte wie Ehrlichkeit und Integrität gelebt werden usw.

Wenn beide Facetten von New Work berücksichtigt und entwickelt werden dürfen, dann geht die Produktivität am Ende durch die Decke. Nochmal, den Mehrwert hinter all dem zu verstehen, ist in meinen Augen die größte Herausforderung von Unternehmen. Den größten Hebel haben Unternehmen dann, wenn die Führung als Vorbild vorausgeht. Wenn die Führungskräfte bereit sind, sich selbst zu bewegen, sich selbst zu hinterfragen, sich selbst zu reflektieren und weiterzuentwickeln, wenn sie Lust auf die Veränderungen haben und als Vorbild für ihre Mitarbeiter fungieren und mit Mut die Dinge anpacken. Wenn sie sich selbst Fehler zugestehen und zugeben, wenn sie offen und ehrlich kommunizieren und Feedback geben, wenn sie kritikfähig sind und so weiter und sofort, dann haben Unternehmen in meinen Augen „gewonnen“ und sind auf dem Weg zu einer menschlichen und gesunden Unternehmenskultur.

In der aktuellen Corona-Krise entdecken viele Unternehmen neue Tools, mit denen die Zusammenarbeit auch virtuell gut abbildbar ist. Welche Softwareanbieter haben hier aktuell die Nase vorn?

Für mich persönlich ist das ganz klar Microsoft. Ich bin ein großer Fan von Office 365. Dieses Tool macht die virtuelle Zusammenarbeit immens einfach und bringt Freude ins digitale Miteinander. Es fängt an bei MS Teams, wo zum Beispiel auf Knopfdruck Einzel- und Gruppenchats, Videokonferenzen und der Versand von Termineinladungen möglich sind. Die Kommunikation innerhalb eines Teams funktioniert mit der Blog-Funktion wunderbar und super interaktiv. Eingebettet darin kann ich sharepoint-basiert mit weiteren Kollegen gemeinsam und zeitgleich an einem einzigen Dokument arbeiten. Die Zusammenarbeit ist dadurch viel transparenter und schneller geworden. Ich nutze häufig MS Forms als Umfrage-Tool, mit welchem ich blitzschnell schicke Umfragen erstellen und diese in einfacher Art und Weise auswerten lassen kann. Alles ist integrierbar in MS Teams. Office 365 kann noch viel mehr, aber alleine diese eben genannten Möglichkeiten bieten für mich einen enormen Mehrwert, so dass ich mich jederzeit für dieses Tool entscheiden würde – wenn ich es nicht schon hätte. 

Zum Abschluss noch: Wie sind deutsche Unternehmen beim Thema New Work aufgestellt?

Für mich gibt es keine generelle Antwort auf die Frage, wie New Work bei deutschen Unternehmen aussieht. Wie bereit oder fähig Unternehmen sind, sich auf die New-Work-Philosophie einzulassen, lässt sich an verschiedenen Kriterien festmachen: Zum einen stelle ich Branchenunterschiede fest: Es gibt die produzierenden Branchen, bei denen beispielsweise am Fließband Produkte hergestellt werden. In der Produktion ist eigenverantwortliches Arbeiten nur bedingt und wenn, dann sehr eingeschränkt möglich. Das andere Extrem ist das Beratungsmetier. Hier gibt es viel mehr Freiheitsgrade, die genutzt und ausgestaltet werden können. Ich selbst kann von überall aus arbeiten, bin mit meinen mobilen Endgeräten bestens ausgestattet, kann mir meine Arbeitszeit frei einteilen, gestalte mir meinen Arbeitsalltag eigenständig, sehe meine Führungskraft nur sporadisch und so weiter.

Ein zweites Kriterium ist für mich die Größe eines Unternehmens: Kleine Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern sind häufig viel dynamischer, flexibler, schneller unterwegs, sind mutiger und risikofreudiger als größere Unternehmen. Sie probieren mehr aus, die Mitarbeiter kennen sich besser und es herrscht oftmals eine innige und vertrauensvolle Unternehmenskultur. Größere Unternehmen oder Konzerne sind unbeweglicher und verfügen häufig über recht starre Strukturen sowie hierarchische Denkweisen. Es wird noch viel Zeit und Arbeit in Anspruch nehmen, bis  Themen wie New Leadership oder dienende Führung verstanden, für sich interpretiert und  gelebt werden.

Als drittes Kriterium kann die lokale Lage eines Unternehmens herangezogen werden: Das lässt sich sicher nicht verallgemeinern, aber ich erlebe in meinem Berufsalltag einen deutlichen Unterschied alleine beim Bekanntheitsgrad des New-Work-Begriffs. In den Großstädten ist die New-Work-Philosophie bekannt und viele Unternehmen machen sich aktiv Gedanken, was und wie sie ihr Unternehmen zukunftsfähig machen können. Verlassen wir den Speckgürtel, sinkt der Bekanntheitsgrad von New Work und was dahintersteckt deutlich.

Das vierte Kriterium bezieht sich auf die Altersstruktur eines Unternehmens: Jüngere Menschen fordern aktiver einen Rahmen in Unternehmen ein, der viele Facetten der New-Work-Philosophie abdeckt. Sie haben andere Arbeitsanforderungen, andere Denkansätze als ältere Generationen. Und das meine ich überhaupt nicht wertend. Wenn ein Unternehmen erfolgreich sein möchte, braucht es beide Kompetenzen und die Integration dieser. Das setzt ein gegenseitiges Verständnis voraus.

Das Kriterium, das für mich mit am ausschlaggebendsten ist, ist die Art der Arbeit, die Menschen verrichten. Es gibt Tätigkeiten, die wenige Freiheitsgrade zulassen. Nehmen wir das Beispiel von eben, die Fließbandarbeit. Und dann gibt es Menschen, die Denkarbeit leisten und viel Zeit am PC verbringen. In dieser Rolle habe ich viel mehr Möglichkeiten meine Arbeit selbst zu gestalten. Dennoch bin ich fest davon überzeugt, dass New Work für jede Art der Arbeit möglich ist. Als Fließbandarbeiter kann ich zum Beispiel aktiv meinen Schichtplan oder meine Arbeitsumgebung und die Atmosphäre mitgestalten – natürlich unter der Voraussetzung, dass die Arbeitssicherheit gewährleistet ist. Ich kann Ideen und Verbesserungsvorschläge einbringen und aktiv das Unternehmen mit gestalten. Voraussetzung ist aber immer, dass ich als Mitarbeiter auch die Möglichkeit bekomme, das tun zu können und zu dürfen. Und das setzt ein neues Führungsverständnis im Unternehmen voraus, in welchem die Mitarbeiter eigenverantwortlich arbeiten dürfen und den Mitarbeitern Vertrauen geschenkt wird. Darüber hinaus müssen einige das eigenverantwortliche Arbeiten erst (wieder) lernen. Es muss jemand da sein, der sie in die neue Arbeitsweise begleitet.

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