Veränderung der Organisation: Die größte Notwendigkeit und Herausforderung in der Branche?

Im Beitrag diskutiert Robert Rieckoff den Status quo im Changemanagement von Versicherern und erklärt, wo die größten Hürden aber auch Chancen liegen. #NewLeadership #Generationenkonflikt #intrinsischeMotivation #Selbstorganisation

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Betrieb & Organisation
Themen:
Organisationsentwicklung Changemanagement
Veränderung der Organisation: Die größte Notwendigkeit und Herausforderung in der Branche?

Die Geschwindigkeit und Komplexität der modernen Welt, verstärkt durch die Globalisierung und das Internet, stellen Organisationen vor nie dagewesene He­rausforderungen. Das sind die Sätze, die jede Leserin und jeder Leser zum Einstieg hören möchte. Klar leben wir in Zeiten, in denen sich politische, gesellschaftliche, technische und wirtschaftliche Bedingun­gen ständig ändern. Aber wie sollen uns da agile Ansätze und adaptive Strukturen helfen, in dieser viel zitierten VUCA-Welt wettbewerbsfähig zu bleiben? Traditionel­le Denk- und Handlungsweisen reichen anscheinend nicht mehr aus. Diese Situ­ation erfordert eine Neubewertung und Anpassung der Organisationsmodelle, insbesondere der weit verbreiteten Linien­organisation. Aber ist das tatsächlich die größte Herausforderung in einer Branche, die heute mehr denn je getrieben ist, statt selbst zu treiben?

VUCA-Welt: Charakteristika und Auswirkungen

VUCA charakterisiert die moderne Arbeits­welt durch:

  • Volatilität: Die Halbwertszeiten von Strukturen, Geschäftsmodellen und Daten verkürzen sich erheblich.
  • Unsicherheit: Situationen sind un­klar, und es ist schwierig, mögliche Verläufe und Handlungsoptionen zu bestimmen.
  • Komplexität: Entwicklungen haben keine klaren Ursachen, und Hand­lungen führen zu unvorhersehbaren Ergebnissen.
  • Ambiguität: Daten können mehr­deutig interpretiert werden, wobei verschiedene Interpretationen sogar widersprüchlich sein können.

Fakt ist, die rapide Entwicklung des Mark­tes, insbesondere im Bereich der Digita­lisierung, führt zu neuen Konzepten der Zusammenarbeit. Künstliche Intelligenz, Automatisierung und vielleicht bald auch humanoide Roboter sind dabei, die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten und sich organisieren, radikal zu verän­dern. Für Organisationsmodelle bedeutet dies, dass sie sich anpassen und digitale Prozesse sowie neue Technologien integrieren müssen. Eine Herausforderung, deren Bewältigung tatsächlich (noch) nicht in der DNA von Versicherern veran­kert ist.

Digitale Transformation und Organisationsmodelle 

Warum Veränderung so schwer fällt

Die exponentiellen Trends am Markt ste­hen in starkem Kontrast zu den oft line­aren Strukturen in Unternehmen. Das unterstreicht die Notwendigkeit, aktuelle Ansätze in Organisationsmodellen zu be­rücksichtigen. Unternehmen suchen da­her verstärkt nach innovativen Organisationsformen, um am Markt heute und auch zukünftig wettbewerbsfähig zu bleiben. Agilität, flache Hierarchien und digitale Zusammenarbeit werden immer belieb­ter, doch die Umsetzung solcher Verän­derungsprozesse ist oft herausfordernd und langwierig. Das liegt nicht an struk­turellen, organisatorischen oder techni­schen Veränderungen. Vielmehr sind es die sozialen und kulturellen Veränderun­gen innerhalb einer Organisation, die hier eine Transformation zum Erliegen bringen können. Selbstführung und sinnstiftende Tätigkeiten zu proklamieren, ist wesent­lich einfacher, als diese auch nachhaltig einzuführen. Das zugrunde liegende Men­schenbild spielt dabei eine zentrale Rolle. Traditionell galt der Mensch als egoistisch, konkurrenzgetrieben und konfliktorien­tiert. Auch wenn neuere Theorien und wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass intrinsische Motivation und ein po­sitiveres Menschenbild zu erfolgreichen Organisationsstrukturen führen können, hält sich die ursprüngliche Ansicht in vie­len Unternehmen hartnäckig.

Selbstorganisation und ein neues Führungsverständnis

Beispielsweise hängt die Fragestellung, ob und wie viel Kontrolle Führungskräfte aufgeben und inwiefern Machtverhältnis­se aufgelöst werden können, von unserem Menschenbild ab. Wie agil eine Organisa­tion arbeiten kann und wie viel man den eigenen Mitarbeitenden zutraut, liegt da­rin begründet. Wenn flache Hierarchien, dezentrale Entscheidungsstrukturen und eine Kultur der Zusammenarbeit die mo­derne Arbeitswelt prägen, erfordert dies oftmals eine Neuausrichtung der Füh­rungsrollen. Führungskräfte müssen weg von einer Top-down-Anweisungskultur hin zu einer unterstützenden Rolle, in der sie als Enabler fungieren. Auf der anderen Seite müssen Arbeitskräfte nach jahrelan­gen Erfahrungen in hierarchischen Struk­turen erst wieder lernen, Verantwortung zu übernehmen und sich selbst zu organi­sieren. Dieser Prozess auf Seiten der Mit­arbeitenden, aber insbesondere auch auf Seiten der Führungskräfte sollte nicht un­begleitet angestoßen werden.

Erwartungen der Generationen erfordert flexible Organisationmodelle

Ein weiterer entscheidender Faktor, der die Organisationsentwicklung beeinflusst, ist die demographische Entwicklung. Unterschiedliche Generationen bringen unterschiedliche Erwartungen an die Ar­beitswelt mit. Während die Generation X Sicherheit und Stabilität schätzt, legt die Generation Y (Millennials) Wert auf sinnstiftende und abwechslungsreiche Tätigkeiten. Die Koexistenz mehrerer Ge­nerationen im Unternehmen erfordert fle­xible Organisationsmodelle, die auf die je­weiligen Werte und Bedürfnisse eingehen.

Praktische Beispiele für Holakratie, das Spotify-Modell oder das Konzept der ler­nenden Organisation, zeigen, dass solche Modelle in der realen Geschäftswelt funk­tionieren können. Da Organisationen aber komplexe Systeme mit vielen Interdepen­denzen sind, bleiben die Auswahl und Im­plementierung des richtigen Organisati­onsmodells eine der herausforderndsten Aufgaben dieser Zeit.

Die Magie der intrinsischen Motivation: So funktioniert es in der Praxis

Mit der Motivation steigt und fällt die Freu­de, die wir an der Arbeit empfinden, was nachweislich positiv mit der Leistung, die wir erbringen, korreliert.

Ein Beispiel ist Buurtzorg. Buurtzorg ist ein innovatives, gemeinnütziges Pflegemo­dell aus den Niederlanden, bei denen die Pflege durch selbstorganisierte Teams von maximal zwölf Mitarbeitenden erbracht wird, welche ohne Leitungsposition aus­kommen. Das Unternehmen betrachtet seine Mitarbeitenden als Expertinnen und Experten und schreibt ihnen nicht vor, wie sie ihre Arbeit zu verrichten haben. Es gibt keine Kontrolle der Arbeitsteams, die die Pflegeleistungen in den Nachbarschaften selbstbestimmt anbieten. Entscheidun­gen werden kollaborativ getroffen und, wenn nötig, auch zurückgezogen. Trotz dieser flachen Hierarchie ist das Unterneh­men sehr erfolgreich, die Mitarbeitenden sind motiviert und die Kunden sind zufrie­den. Die geringe Fluktuation und die hohe Zufriedenheit der Mitarbeitenden in einer Organisation mit einer großen Anzahl von selbstorganisierten Teams sprechen für sich.

Es gibt verschiedene, mittlerweile auch belegte Theorien, die zeigen, dass die Mo­tivation der Mitarbeitenden im direkten Zusammenhang mit dem Grad der Selbst­bestimmung steht. Es sollte kein Geheim­nis mehr sein, dass Menschen nicht nur aus Angst vor Strafe oder in Erwartung einer Belohnung handeln. Viele Aktivitä­ten, wie das Helfen in der Gemeinschaft oder riskante Hobbys, ziehen keine direk­te Belohnung nach sich. Ein interessantes Phänomen ist der Korrumpierungseffekt. Nehmen wir an, jemand malt ein Bild aus purer Freude. Externe Anreize können je­doch die intrinsische Motivation dieser Person verringern, besonders wenn sie erwartet werden. Es wurde festgestellt, dass Boni und andere Anreize die innere Motivation und den moralischen Kompass beeinträchtigen können und oft die Kreati­vität hemmen oder gar Fehlanreize schaf­fen. Obwohl extrinsische Belohnungen kurzfristige Vorteile bringen können, sind sie nicht nachhaltig und können langfris­tig schädlich sein. Es wird argumentiert, dass Unternehmen einen stärkeren Fokus auf sinnstiftende Arbeit legen sollten, trotz der Herausforderungen, die durch externe Faktoren entstehen können. Das heißt ex­trinsische Anreizsetzung kann vorhandene intrinsische Motivation korrumpieren, also zunichtemachen.

Fazit

Studien zeigen, dass weltweit der Anteil an Mitarbeitenden, die als engagiert bezeich­net werden können, sehr gering ist. Dies bedeutet aber auch, dass es hier noch ein großes ungenutztes Potenzial gibt. Selb­storganisation und intrinsische Motivation scheinen nicht nur eine romantische Fan­tasie von Organisationsentwicklern und -entwicklerinnen zu sein.

Organisationsentwicklung erfordert auch in der Versicherungsbranche eine stetige Reflexion und Anpassung. Strukturelle, organisatorische oder technische Verän­derungen sind hierbei sicher nicht zu un­terschätzen. Jedoch steckt die größte He­rausforderung und gleichsam das größte Potenzial in der Veränderung der Einstel­lung der Mitarbeitenden und der Entwick­lung der Unternehmenskultur als Ganzes.

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