Die Zukunft der PKV – zwischen Regulatorik und digitalen Mehrwertleistung für den Kunden
Zum Erfahrungsaustausch "Die Zukunft der privaten Krankenversicherung" waren wir im Austausch mit Experten aus der Praxis. Im Beitrag fassen wir spannende Erkenntnisse zusammenfassen.
Wie gestaltet sich die Rolle der privaten Krankenversicherer im Gesundheitssystem der Zukunft? Diese Frage haben wir uns nicht nur im Rahmen einer Studie, die wir gemeinsam mit adesso insurance solutions durchgeführt haben, gestellt, sondern auch beim Erfahrungsaustausch „Die Zukunft der privaten Krankenversicherung“ im Januar 2022. Im Austausch mit Experten aus der Praxis gab es interessante Erkenntnisse, die wir im Beitrag zusammenfassen.
Vom Payer zum Player – das erwarten die Kunden
Im März 2020 und – bedingt durch die Corona-Pandemie – auch im November 2020 wurden über 700 Endkunden bezüglich ihrer Anforderungen an das zukünftige Gesundheitssystem befragt. Es zeigte sich, dass großes Vertrauen in das Gesundheitssystem herrscht und dass im Allgemeinen Zufriedenheit zu verzeichnen ist. Auch die Zufriedenheit mit der eigenen Krankenversicherung ist sehr hoch. Zudem ist der Wunsch, einen Gesundheitspartner an seiner Seite zu haben, der weitaus mehr als nur die reine Leistungsübernahme bzw. -erstattung bietet, sehr groß. Proaktive Kommunikation sowie Unterstützung – beispielsweise bei Vorsorgeuntersuchungen, präventiven Maßnahmen oder Impfungen – sind für rund die Hälfte der Befragten erstrebenswert. Auch Bonus- und Belohnungsprogramme für gesunde Lebensweise stehen auf der Wunschliste ganz oben. Ebenso besteht bei einem Großteil der Befragten der Wunsch, Gesundheitsdaten zentral zu speichern und mit Ärzten und Krankenhäusern zu teilen.
„… flexible Produktlandschaft, gesteigerte Automatisierung und Digitalisierung hin zu einem leistungsstarken Gesundheitspartner auf Augenhöhe“.
Im Rahmen der Studie wurden in einem weiteren Schritt Experten und Vorstände der privaten Krankenversicherungsunternehmen interviewt, um deren Rollenbild im Gesundheitssystem und die Handlungsfelder zu identifizieren. In einem Satz zusammengefasst lässt sich sagen: Der Weg vom Payer zum Player führt über eine innovative flexible Produktlandschaft, gesteigerte Automatisierung und Digitalisierung hin zu einem leistungsstarken Gesundheitspartner auf Augenhöhe. Dieser Ansatz entspricht auch den Kundenbedürfnissen, wie die Studie bestätigt.
Die Beiträge und Diskussionen des Erfahrungsaustausches haben gezeigt, dass die Branche an entsprechenden digitalen Zusatzservice arbeitet und einige bereits etabliert hat. Zudem bieten Kooperationen mit HeathTechs die schnelle Integration von Services in das eigene Portfolio.
Mehrwertdienstleistungen in der PKV – Herausforderungen, Digitalisierung und Kooperationen
Die Frage, wie es einzuschätzen ist, dass die PKV nicht im Koalitionsvertrag Berücksichtigung findet, wurde von den Teilnehmenden als besorgniserregend beurteilt. Die Bürgerversicherung ist nicht vom Tisch. Zudem sollte die Digitalisierung in der PKV auch von politischer Seite mehr Support erfahren – insbesondere beim Thema ePA und der damit einhergehenden speziellen Belange der privaten Krankenversicherer.
Damit die PKV auch zukünftig für die Kunde attraktiv bleibt, müssen echte Kundenerlebnisse rund um die ePA geschaffen werden. Die Expertenbeiträge der zwei Tage Erfahrungsaustausch zeigten deutlich, dass die ePA ein idealer Einstiegspunkt für Business Ecosystems rund um Gesundheitsfragen ist. Darüber hinaus ist dies auch ein zwingendes Muss, um den gesetzlichen Krankenversicherern nicht nur auf Augenhöhe zu begegnen, sondern darüber hinaus die Privatversicherten mit Zusatzservices über dem Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung zu überzeugen. Thomas Rechnitzer, Vice President Insurance EMEA/ IBM Consulting bei IBM Deutschland, gab uns einen Einblick zu den Möglichkeiten bei der Entwicklung einer ePA. Natürlich nutzten die Teilnehmenden die Gelegenheit, um nachzufragen, inwieweit die gesetzliche Krankenversicherer (GKV) hier die Nase vorn haben. Er bestätigte, dass die PKV-Branche schon einiges aufzuholen hätte, um den Entwicklungsstand bezüglich der GKV aufzuholen und im Idealfall zu überholen.
„Mit App-Lösungen alles aus einer Hand“
Jörg ter Schmitten – Geschäftsführer SIGNAL IDUNA Gesundheitswelt GmbH
Im Vortrag von Jörg ter Schmitten (SIGNAL IDUNA Gesundheitswelt GmbH), Susanne Roeder-Kastl und Sandra Schering (beide SIGNAL IDUNA Krankenversicherung a.G.) wurde der Kunde in den Vordergrund gerückt. Bei der Entwicklung von digitalen Zusatzservices verfolgt der Versicherer einen nutzerorientierten Ansatz unter Anwendung unterschiedlicher Methoden wie dem Double-Diamonds-Ansatz: verstehen, beobachten, Sichtweisen definieren, Ideen finden, Prototypen bauen und testen.
„...den Kunden auf den Zahn fühlen, Verhalten beobachten und messen“.
Zudem betonten die Referierenden die Bedeutung funktionierender Kooperationen, die die Grundlage eines jeden Ökosystemansatzes sind. Als Beispiel für einen nutzerorientierten Zusatzservice stellten die Drei das Patientenbegleitprogramm „Pro Hüfte“ bei Arthrose vor.
Auch die Süddeutsche Krankenversicherung a.G. setzt gemeinsam mit der widecare GmbH auf eine Produktentwicklung nah am Kunden. Benno Schmeing, Vorstandsmitglied der SDK Süddeutsche Krankenversicherung a.G., sieht den demografischen Wandel als zentrale Herausforderung, dem man nicht nur durch Rücklagenbildung, sondern auch durch präventive Zusatzservices begegnen muss.
„Mehr als nur Versicherungsschutz – wir bieten Gesundheitslösungen“.
Benno Schmeing, SDK Süddeutsche Krankenversicherung a.G.
Gemeinsam mit der widecare GmbH, eine Tochter der Süddeutschen Krankenversicherung und der Debeka, wurde in nur vier Monaten ein Gesundheitsprogramm für Long-Covid-Patienten entwickelt. Aktuell nehmen 350 Kund:innen an dem Programm teil.
Ein weiteres spannendes Gesundheitsprogramm stellte Michelle Heppler, Mitgründerin und CCO der Pathmate Technologies GmbH, vor. Das Unternehmen hat einen personalisierten und digitalen Coach für Menschen mit Bluthochdruck entwickelt. Der digitale Coach erfasst den Blutdruck über smarte Geräte oder direkte Eingabe. Dabei sind auch Apps wie Apple Health integriert. Die Zielgruppe besteht aus älteren Menschen ab dem 60. Lebensjahr, die dem Unternehmen zufolge digitalen Lösungen via Smartphone sehr aufgeschlossen sind. Die Nutzer des Coachs sind nicht nur sehr dankbar für solche begleitenden Mehrwertangebote, sondern auch sehr treu. Die Conversion ist bei der Altersspanne 60 bis 75 Jahre höher als bei den jüngeren Nutzern.
Ein begeisterter Kunde von Pathmate Technologies ist Thomas Soltau, Geschäftsführer der LM+ Leistungsmanagement GmbH. Der Kunde erwartet ihm zufolge 24/7 und Schnelligkeit. Die Zukunft der PKV liegt in erlebbaren Gesundheitsservices. Zudem bietet die PKV ideale Cross-Selling-Optionen zur Pflegeversicherung.
Oliver Hehlert, Bereichsleiter Krankenversicherung Leistung bei der adesso insurance solutions GmbH brach in seinem Vortrag zur elektronischen Patientenakte eine Lanze für den elektronischen Medikamentionsplan. Dieser ist seiner Meinung nach sehr sinnvoll, aber in der PKV noch nicht vorgesehen.
"Der elektronische Medikamentionsplan ist eine echte Chance, Leben zu retten. Also warum gibt es das bei der PKV nicht?“
Oliver Hehlert, adesso insurance solutions GmbH
Als Fazit lässt sich klar zusammenfassen: Alleine lässt sich die Zukunft der PKV nicht gestalten. Solide Kooperationen und kundenzentrierte Mehrwertservices sind notwendig, um wettbewerbsfähig zu bleiben und um sich von der gesetzlichen Krankenversicherung auch weiterhin abheben zu können.