Regulatorik als Wettbewerbsvorteil: Recht als strategisches Element in der Produktentwicklung

Im Interview mit der Rechtsexpertin Tea Mustać von Spirit Legal sprechen wir über Daten, neue Risiken durch neue Technologien wie KI und Regulatorik als Wettbewerbsfaktor.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Recht & Compliance
Themen:
Telematik Recht
Regulatorik als Wettbewerbsvorteil: Recht als strategisches Element in der Produktentwicklung

Das vernetzte Fahrzeug, das Connected Car, ist längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern Realität auf unseren Straßen. Doch mit den technologischen Möglichkeiten wachsen auch die rechtlichen Herausforderungen: Was passiert mit der schieren Menge an verarbeitbaren Daten und wer haftet, wenn die Technologie versagt?  

Im Interview mit der Rechtsexpertin Tea Mustać von Spirit Legal sprechen wir über Daten, neue Risiken durch neue Technologien wie KI und Regulatorik als Wettbewerbsfaktor. 
 
Die Expertin wird im Rahmen der Fachkonferenz Connected Car und Telematik 360° am 3. und 4. Juni 2025 einen Impuls zum Thema „Rechtsfalle Connected Car? Zwischen Datenschutz, Produkthaftung und Cybersecurity“ geben. Das Interview gibt einen ersten Einblick in die komplexe Thematik.  

Frau Mustać im vernetzten Fahrzeug fallen eine Vielzahl personenbezogener und technischer Daten an. Wer darf diese Daten eigentlich erheben und nutzen – und unter welchen Voraussetzungen? 

Wenn es um personenbezogene Daten geht, gilt grundsätzlich: Ohne eine valide Rechtsgrundlage dürfen die Daten der betroffenen Personen – Fahrer oder Beifahrer, aber auch Passanten – nicht erhoben oder verarbeitet werden. In vielen Fällen bleibt nur eine Einwilligung und diese Einwilligung muss spezifisch, informiert und freiwillig erfolgen – ein Grundsatz, der auch im vernetzten Fahrzeug uneingeschränkt gilt. 

Das verursacht in der Praxis erhebliche Herausforderungen. Denn: Die Nutzung eines Connected Car setzt regelmäßig die Verarbeitung verschiedenster Daten voraus – etwa zur Navigation, für Sicherheitsfeatures, zur personalisierten Einstellung von Komfortfunktionen der Lordosenstütze bis hin zum Allergiefilter oder zur Nutzung von Sprachassistenzsystemen. Diese Funktionen betreffen nicht nur den Fahrzeughalter, sondern auch alle Mitfahrenden. Eine Rechtsgrundlage zu finden, die all diese Features umfasst, ohne im Grunde von jeder einzelnen Person eine Einwilligung einzuholen, wird schwierig.  

Hier sind die OEMs (Original Equipment Manufacturer) gefordert, ihre Systeme so zu konstruieren, dass sie im Bereich der Haushaltsausnahme agieren bzw. so zu integrieren, dass die Nutzung der Funktionen oder Funktionspakete z.B. auf die Rechtsgrundlage der Vertragsdurchführung oder auf überwiegende berechtigte Interessen gestützt werden kann. Hier ist Bewegung im Markt, denn auch Privacy Enhancing Technologies spielen dabei eine zunehmende Rolle: Pseudonymisierte Daten dürfen privilegiert verarbeitet werden, anonymisierte Daten fallen ganz aus dem Anwendungsbereich des Datenschutzrechts hinaus.  

Was nicht-personenbezogene, rein technische oder fahrzeugbezogene Daten betrifft, dürfen diese grundsätzlich vom Hersteller erhoben und verarbeitet werden. Allerdings sieht der Data Act vor, dass solche Daten dem Versicherer oder anderen berechtigten Dritten auf Anforderung zur Verfügung gestellt werden müssen – sofern der Nutzer, also in diesem Fall der Fahrer oder Fahrzeughalter, dem zugestimmt hat oder dies verlangt. 

Beim Connected Car kommen auch neue Technologien wie KI zum Einsatz. Damit ergeben sich natürlich neue Möglichkeiten, aber auch neue Risiken. Wer haftet, wenn ein KI-System im Auto einen Fehler macht und es zu einem Unfall kommt – der Hersteller, der Softwareanbieter oder sogar der Versicherer? 

Haftungsfragen im Zusammenhang mit KI im vernetzten Fahrzeug lassen sich nicht pauschal beantworten. Wie so oft gilt: Es kommt darauf an. Entscheidend ist, wie der konkrete Fehler entstanden ist. 

Handelt es sich um einen technischen Defekt – etwa ein Versagen des KI-Systems oder eine fehlerhafte Integration in die Fahrzeugarchitektur – liegt die Verantwortung in der Regel beim Hersteller oder dem Softwareanbieter. Wer genau haftet, richtet sich nach der vertraglichen Gestaltung und Risikoverteilung zwischen den Beteiligten entlang der Lieferkette. 

Beruht der Vorfall hingegen auf einem Bedienfehler durch die Fahrerin oder den Fahrer, kann die Haftung auf diese übergehen – es sei denn, die Systeme hätten eine solche Fehlbedienung voraussehen und abfangen müssen. In vielen Fällen wird zudem die Kfz-Versicherung eintreten, sofern ein versicherter Schaden vorliegt. 

Fazit: Eine eindeutige Zuweisung der Haftung ist nur im Einzelfall möglich – nach technischer Ursachenanalyse, Prüfung der vertraglichen Rahmenbedingungen und Bewertung der Einflüsse menschlichen Handelns. 

In einem Statement schreiben Sie „Wer datengetriebene Mobilität gestalten will, muss nicht nur technologisch, sondern auch rechtlich ganz vorne mitfahren.“ Wie meinen Sie das? Warum wird die Regulatorik hier zum Wettbewerbsvorteil?  

Vielleicht liegt es an meinem juristischen Hintergrund, aber ich bin der festen Überzeugung: Wer überzeugend darlegen kann, dass eine Technologie rechtskonform gestaltet ist, verschafft sich in Europa einen klaren Wettbewerbsvorteil. Niemand möchte – wie im Fall der Tesla-Fahrzeuge – später für Funktionen haften, die das Auto eigenständig ausführt. Und klar, die Behauptung, eine Technologie sei rechtskonform gestaltet, obwohl das objektiv nicht der Fall ist, stellt eine Form irreführender Werbung dar – eine schlechte Idee und im Übrigen ein klarer Rechtsverstoß. 

Und genau hier zeigt sich das Risiko: Wer rechtliche Anforderungen unterschätzt oder ignoriert, gefährdet nicht nur die eigene Reputation, sondern auch die Markt- und Produktsicherheit. Mit dem AI Act kommen nun zusätzliche Anforderungen auf nicht sicherheitsessenzielle Softwarekomponenten im Komfortbereich zu. Wie etwa eine Konformitätsbewertung, die auch Datenschutzaspekte wie die DSGVO-Konformität umfasst. Wer hochkomplexe und potenziell gefährliche Technologien auf den Markt bringen will, sollte das Recht nicht als lästiges Beiwerk sehen – sondern als Überlebensstrategie.  

Vielen Dank! 

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