Sustainable Finance: Wer macht die Regeln und wie?
Dieser Beitrag gibt Aufschluss über die verschiedenen Rechtsinstrumente der EU, den Umsetzungsstand in den Mitgliedstaaten und mögliche Sanktionen, wenn die regulatorischen Vorgaben nicht fristgerecht umgesetzt werden.

Lesezeit: ca. 7–9 Minuten
Themen:
- Unterschiede zwischen Verordnungen und Richtlinien der EU
- Bedeutung und Struktur von Primär- und Sekundärrecht
- Umsetzungspflichten und Fristen im Bereich Sustainable Finance
- Folgen der Nichtumsetzung durch Mitgliedstaaten
Quellen: Europäische Kommission, CSDDD, BMUV, CSRD, Europäisches Parlament, und weiter
Neue gesetzlichen Vorgaben im Bereich „Sustainable Finance“ sind unter anderem die EU-Taxonomie-Verordnung, die Offenlegungs-Verordnung (SFDR), die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) sowie die europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD). Wie es der Name schon sagt, handelt es sich bei den ersten beiden Regelungen um Verordnungen. CSRD und CSDDD hingegen sind von der EU erlassene Richtlinien. Beides sind Rechtsakte der Europäischen Union, doch wo liegt hier der Unterschied? Dieser Beitrag gibt Aufschluss über die verschiedenen Rechtsinstrumente der EU, den Umsetzungsstand in den Mitgliedstaaten und mögliche Sanktionen, wenn die regulatorischen Vorgaben nicht fristgerecht umgesetzt werden.
Unterschied Primär- und Sekundärrecht
Die Rechtsquellen der EU sind das Primär- und das Sekundärrecht. Als Primärrecht gilt der Vertrag über die Europäische Union (EUV), der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie die EU-Grundrechte-Charta. Sie bilden die Grundlage für das EU-Recht und enthalten unter anderem Ziele und Regeln für die EU-Institutionen. Die darauf aufbauenden Rechtsvorschriften werden Sekundärrecht genannt, dazu zählen Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen. Für Unternehmen sowie Bürger der Europäischen Union sind Verordnungen und Richtlinien maßgeblich, weshalb der Fokus des Beitrags auf diese beiden Arten gelegt wird.
Welche unterschiedlichen Rechtsakte gibt es in der EU?
Den Europäischen Institutionen stehen zur Erfüllung ihrer Aufgaben insbesondere Verordnungen und Richtlinien zur Verfügung. Zu finden sind diese im Artikel 288 AEUV.
Verordnungen gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat, ohne ein nationales Umsetzungsverfahren. Sie sind in jeder Hinsicht verbindlich, womit die einheitliche Anwendung des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten sichergestellt werden soll. Aus diesem Grund werden sie auch oft als Gesetz bezeichnet.
Richtlinien hingegen sind nicht unmittelbar wirksam und müssen zunächst in nationales Recht umgesetzt werden. Die Mitgliedstaaten erhalten dadurch einen gewissen Entscheidungsspielraum, insbesondere aufgrund der verschiedenen nationalen Besonderheiten. Das in einer Richtlinie stehende zu erreichende Ziel ist für die Mitgliedstaaten verbindlich. Die Mittel und Methoden , um dieses Ziel zu erreichen, können sie jedoch selbst gestalten.
Bis wann müssen die Mitgliedstaaten neue Vorgaben umsetzen?
Im Bereich Sustainable Finance gibt es aktuell die Taxonomie-Verordnung und die Offenlegungsverordnung (SFDR). Sie gelten automatisch in jedem Mitgliedstaat der EU ab Inkrafttreten, das heißt entweder zum festgelegten Zeitpunkt oder am 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Für die Anwendung bzw. Umsetzung wird meist eine Übergangsfrist gewährt, die in der Regel bei 18 bis 24 Monaten nach Inkrafttreten liegt.
Die Taxonomie-Verordnung ist im Juli 2020 in Kraft getreten und seit Januar 2022 anzuwenden, so steht es in Artikel 27 der Taxonomie-VO. Die SFDR trat im Dezember 2019 in Kraft und gilt seit dem 10. März 2021 (Artikel 20 SFDR).
Die Umsetzung einer EU-Richtlinie erfolgt innerhalb einer Frist, die in der Richtlinie festgesetzt wird. In der Regel sind das zwei Jahre. Mit Ablauf dieser Frist müssen die Mitgliedstaaten der Kommission ihre nationalen Durchführungsmaßnahmen mitteilen, mit denen sie die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umsetzen.
Die europäische Lieferkettenrichtlinie CSDDD, trat im Juli 2024 in Kraft. In Artikel 37 Abs. 1 der Richtlinie wurde festgelegt, dass sie bis zum 26. Juli 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss. In Deutschland gibt es seit Januar 2023 das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), das insbesondere menschenrechts- und umweltbezogene Sorgfaltspflichten festlegt. In der CSDDD werden diese Pflichten erweitert. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass das LkSG aufgrund von CSDDD angepasst wird.
CSRD trat am 5. Januar 2023 in Kraft und musste bis zum 6. Juli 2024 von den Mitgliedstaaten umgesetzt werden (Artikel 5 Abs. 1 CSRD). Deutschland hat die Umsetzungsfrist jedoch versäumt. Grund dafür ist in erster Linie das Scheitern der Bundesregierung, dass die Verabschiedung des CSRD-Umsetzungsgesetz im Bundestag verhinderte. CSRD enthält umfassende Anforderungen an die Nachhaltigkeitsberichte von Unternehmen. Unternehmen von öffentlichem Interesse, das heißt auch Versicherungsunternehmen, mit mehr als 500 Beschäftigten, sind nach Artikel 5 Abs. 2 CSRD ab dem 1. Januar 2024 zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts verpflichtet. Bis zur Umsetzung der CSRD bleiben die nach der Non-Financial Reporting Directive (NFDR) betroffenen Unternehmen zu der nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet.
Die EU-Kommission plant aktuell eine Vereinfachung der Vorschriften zu den Berichts- und Sorgfaltspflichten. Der am 26. Februar 2025 veröffentlichte Entwurf im Rahmen der Omnibus-Initiative sieht die Änderung von der CSRD, CSDDD und der EU-Taxonomie-Verordnung vor. Es soll unter anderem die Umsetzungsfrist für die CSDDD um ein Jahr verlängert und die Zahl der nach CSRD betroffenen Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung um etwa 80 Prozent reduziert werden.
Was passiert, wenn ein Mitgliedstaat die Frist zur Umsetzung einer Richtlinie nicht einhält?
Wird eine Richtlinie nicht rechtzeitig von einem Land umgesetzt, kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Damit soll sichergestellt werden, dass die EU-Mitgliedstaaten das Recht der europäischen Union im Allgemeininteresse anwenden. Die Kommission verschickt zunächst ein Aufforderungsschreiben an betroffene Mitgliedstaaten, dass innerhalb von zwei Monaten ausführlich beantwortet werden muss. Gibt sich die Kommission damit nicht zufrieden, übermittelt sie eine Stellungnahme, in der sie den Mitgliedstaat förmlich zur Einhaltung des EU-Rechts auffordert und erneut eine Frist zur Umsetzung stellt. Kommt ein Mitgliedstaat bis zu dieser Frist immer noch nicht seinen Verpflichtungen nach, kann die Kommission Klage vor dem Europäischen Gerichtshof erheben.
Am 26. September 2024 leitete die Kommission aufgrund der nicht fristgerechten Umsetzung der CSRD mit einem Aufforderungsschreiben ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland sowie 16 weitere EU-Mitgliedstaaten ein. Die Beantwortung musste innerhalb von zwei Monaten erfolgen. Bisher gab es jedoch keine Informationen zu dem weiteren Vorgehen der Kommission hinsichtlich des Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland.
Quellen:
Arten von EU-Rechtsvorschriften - Europäische Kommission
Anwendung des EU-Rechts - Europäische Kommissionhttps://eur-lex.europa.eu/DE/legal-content/glossary/eu-legal-instruments.html
BMUV: Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)
Nationale Umsetzung der CSDDD bis Juli 2026
Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) - CSR
IDW sieht Rechtsunsicherheit durch verzögerte CSRD-Umsetzung
Infringement procedure - European Commission
EU-Kommission eröffnet zwei Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland - Europäische Kommission