Darum ist der Erstkontakt im Schadenfall so wichtig

Ein Schadenfall ist immer eine Ausnahmesituation für Menschen und zudem oft ein besonders emotional aufgeladener Interaktionsmoment zwischen Versicherung und Kunden. Aber auch ein Moment, in dem das Negativerlebnis, zumindest bei der Regulierung des Schadens, auch zum Positiverlebnis im Kontakt mit dem Versicherer werden kann.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Schaden & Leistung
Themen:
Schaden-/Leistungsmanagement Kundenmanagement
Darum ist der Erstkontakt im Schadenfall so wichtig

Ob leichter Auffahrunfall mit dem Auto oder schwere Überschwemmungen und deren Folgen, wie es viele Menschen gerade in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erlebt haben: Ein Schadenfall ist immer eine Ausnahmesituation für Menschen und zudem oft ein besonders emotional aufgeladener Interaktionsmoment zwischen Versicherung und Kunden.

Aber auch ein Moment, in dem das Negativerlebnis, zumindest bei der Regulierung des Schadens, auch zum Positiverlebnis im Kontakt mit dem Versicherer werden kann. Das ist dann der Fall, wenn der Schaden aus Kundensicht möglichst schnell, einfach und reibungslos reguliert wird. Daher ist das Erlebnis, die Customer Experience, beim Erstkontakt in einem Schadenfall von besonderer Bedeutung.

Dass wissen auch die Versicherungsunternehmen. Viele von ihnen haben das Ziel formuliert, dass nur eine Ansprechperson in einem Schadenfall zuständig sein soll und möglichst alle Schritte des Vorgangs bearbeitet. Das entspricht den Kundenwünschen, wie eine Befragung von SMP von 2019 zeigt, in der sich 76 Prozent der Befragten einen festen Ansprechpartner wünschen.1

Triagierung in der Medizin und im Schadenfall

„Der erste Eindruck zählt“ gilt aber nicht nur beim persönlichen Kennenlernen und Bewerbungsgesprächen. Auch in der Notaufnahme oder in einem Katastrophenfall verschafft sich das medizinische Personal einen ersten Eindruck bzw. Überblick: Wer braucht sofort Hilfe, weil Krankheiten oder Verletzungen lebensbedrohlich sind? Welche Fälle sind leichter und können etwas warten? Dieses Prinzip der „Triage“ stammt ursprünglich aus der Militärmedizin und kommt auch im Schadenfall zum Einsatz. Versicherer müssen gemeldete Fälle sichten, einordnen, priorisieren und möglichst schnell an die richtige Abteilung weiterleiten.

Die Mehrheit der Kunden bevorzugt im Schadenfall den direkten Kontakt zum Versicherer. Bei einer Studie von Majorel und Versicherungsforen Leipzig aus dem Jahr 2019 gaben 75 Prozent der befragten Personen an, den direkten Kontakt via Telefon, Chat oder E-Mail nutzen2. 96 Prozent der befragten Führungskräfte stimmten zu, dass Kunden im Schaden- und Leistungsfall häufiger zum Telefon greifen als im Falle einer Serviceanfrage. Mittlerweile erfolgt die Kontaktaufnahme möglicherweise – auch bedingt durch den Digitalisierungsschub durch die Corona-Pandemie und die Gewohnheiten jüngerer Generationen – zunehmend über digitale Kanäle. An dem Wunsch nach direktem und persönlichem Kontakt ändert das jedoch nichts.

Grafik Wege zur Meldung und Abwicklung von Schaden

Ziel des Erstkontakts in einem Schadenfall ist es, alle Informationen zu Schaden und zur Person aufzunehmen sowie möglichen Betrug oder Regressmöglichkeiten zu erkennen. Passiert das nicht oder nur unvollständig, kommt es zu Überzahlungen, Verzögerungen und letztlich zu Unzufriedenheit bei Kundinnen und Kunden. Im Idealfall ist dagegen nur ein Kontakt notwendig, um den Schaden sofort regulieren zu können. Kommt es zum Zweitkontakt, ist es innerhalb des Versicherungsunternehmens besonders wichtig, die Schadenfälle skillorientiert zu verteilen und dann auf Fallmanagement zu setzen.

Zukunft: Bedürfnisorientierung und umgekehrte Kontaktaufnahme

Für die Zukunft zeichnen sich zwei Trends ab: die Orientierung an den Bedürfnissen der Menschen und die Umkehrung der Kontaktaufnahme. Das Schadenmanagement muss sich entlang der Customer Journey an den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden orientieren. Hierfür sind drei „E“ nützliche Indikatoren:

 
Effizienz
Der Schaden sollte so schnell und reibungslos wie möglich reguliert werden. Das steigert zum einen die Kundenzufriedenheit und ist zum anderen für wirtschaftliches Handeln auf Seiten des Versicherers unabdingbar.

Empathie
Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter bearbeiten täglich viele Schadenfälle und müssen nach rationalen Gesichtspunkten entscheiden. Trotzdem ist notwendig, sich in die Lage der versicherten Person hinzuversetzen und deutlich vor Augen zu haben, dass sich die Menschen gerade beim Erstkontakt, beim ersten Melden des Schadenfalls, in emotionalen Ausnahmesituationen befinden, die oft mit persönlichen, emotionalen und finanziellen Verlusten verbunden sind.

Erfahrungswissen
An dieser Stelle im Erstkontakt kommt es auf die Kompetenz und Erfahrung auf Seiten des Versicherers an. Kundinnen und Kunden, die ruhig, sicher und lösungsorientiert durch den Erstkontakt (und allen weitere) begleitet werden, nehmen „ihre“ Versicherung als Problemlöser wahr und honorieren das mit einer höheren Zufriedenheit und Treue.

Es gibt zudem bereits erste Versicherer, die den Schadenprozess ganz neu denken – und den Erstkontakt umkehren. Die Baloise hat in der Schweiz nach einer Pilotphase seit 2019 eine „Schadenmeldung 4.0“ für Fahrzeuge eingeführt3:

„Im Rahmen dieses Schadenmeldungsprozesses werden Kundinnen und Kunden, welche in einer Region wohnen, die aktuell von Hagel betroffen ist per E-Mail oder SMS-Nachricht angefragt, ob sich an ihrem Fahrzeug ein Schaden ereignet hat. Per Klick auf den mitgesandten Link, kann so innert weniger Minuten die Schadenmeldung vollzogen werden und die Kundinnen und Kunden erhalten auch sogleich ihre Schadennummer, welche relevant ist für den weiteren Prozess und ihnen als Referenz dient. Darüber hinaus wird auch gleich der Kontakt zwischen Kundin bzw. Kunde und Partnergarage initiiert, was in Konsequenz eine zeitnahe Reparatur ermöglicht.“

Das bedeutet: Der Versicherer wartet nicht, bis Kunden ihren Schaden melden, sondern geht proaktiv auf sie zu. Das kann zum Beispiel bei lokal begrenzten Wettereignissen, wie Hochwasser, Hagel oder Sturm, ein zukunftsweisendes Vorgehen werden. Denn selbst wenn die Kundin oder Kunde keinen Schaden erlitten haben, stärkt dieses Vorgehen das Vertrauen in die Kompetenz des Versicherers und steigert auch damit letztlich die Zufriedenheit.
 

 

Quellen:

1https://www.smp-ag.de/sites/default/files/presse/smp-smp-sz-konferenz-schadenmanagement-kundenzufriedenheit-niebuer.pdf

2https://landingpage.majorel.com/studie-kundenmanagement-versicherungen-de

3https://www.baloise.com/dam/baloise-com/documents/de/studie/baloise-hagelstudie.pdf