Veränderte Prämien als logische Konsequenz veränderter Mobilität?
Die veränderte und verringerte Mobilität seit der Corona-Pandemie hat noch immer Auswirkungen auf die Versicherungsbranche, unter anderem in der Kfz-Versicherung. Hier wurden parallel zur Debatte über Rückvergütungen Rufe nach grundsätzlich geringeren Prämien laut. Experten sehen dies jedoch kritisch.
März 2020: Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland und erster Lockdown. Forscher messen die bundesweite Mobilität und stellen einen Rückgang von 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr fest. Und auch wenn die Mobilitätsraten im April und Mai 2020 wieder leicht anstiegen, glichen sie sich dennoch erst im Juli wieder an das Vorjahresniveau an.
Dabei hatte sich die Mobilität nicht nur verringert, sie hat sich auch verändert, erklärt Verkehrsforscher Prof. Dr. Andreas Knie in einem Vortrag Anfang 2021: Die Zahl der Fußgänger habe sich um 30 Prozent gesteigert, auch die Anzahl an Fahrradfahrern sei in großen Städten nach oben gegangen. Und gleichzeitig sei die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel wie Bus und Bahn deutlich eingebrochen, vom Flugverkehr ganz zu schweigen.
Geringere Mobilität, weniger Unfälle: mehr Gewinn für Schaden- und Unfallversicherer
Diese veränderte und verringerte Mobilität hat noch immer Auswirkungen auf die Versicherungsbranche. Zum Beispiel führte der verminderte Autoverkehr im ersten Lockdown 2020 zu weniger Unfällen und damit zu entsprechenden Rückgängen im Schadengeschehen. Letztlich sanken 2020 die Ausgaben für Versicherungsschäden in der Kfz-Versicherung branchenweit um 9,1 Prozent. In Folge konnten, laut Dennis Wittkamp von der ASSEKURATA, Schaden- und Unfallversicherer ihren versicherungstechnischen Gewinn von 5,2 Milliarden Euro auf 7,4 Milliarden Euro steigern. Dazu trugen laut ASSEKURATA auch weniger Sport- und Freizeitunfälle sowie geringere Elementarschäden bei.
Kfz-Versicherer: Debatten um Rückvergütungen und grundsätzlich geringere Prämien
In der Kfz-Versicherung sank die Schaden-Kosten-Quote damit von 98,4 auf 90 Prozent. Die durch die geringere Schadenbelastung entstandenen Marktlagengewinne haben auch der HUK-Coburg signifikant höhere Erträge beschert. So konnte das Unternehmen seine Versicherten in diesem Jahr über eine Rückvergütung merklich an den Erträgen beteiligen. Die DEVK plant ebenfalls Corona-Gewinne aus 2020 per allgemeiner Beitragsrückerstattung an die Kunden auszuzahlen. Voraussetzung ist, dass man 2020 keinen Schaden gemeldet hat. Auch Kunden, die 2020 eine erheblich geringere Jahresfahrleistung hatten, bekommen einen Teil der Prämien zurück. Eine automatische Rückerstattung schließen die meisten Versicherer allerdings aus.
Parallel zu der Debatte über Rückvergütungen wurden Rufe nach grundsätzlich geringeren Prämien laut. Experten sehen dies jedoch kritisch: "Die Tarife sollten länger Bestand haben als die Corona-Pandemie", sagte Marco Morawetz, Chefberater bei der Gen Re, dem Versicherungsmagazin. Es ist anzunehmen, dass mit steigender Mobilität auch die Schäden wieder zunehmen werden. Versicherer mit Billigtarifen würden dann schnell im Minus landen.
Dazu kommen neue Risiken und höhere Kosten, die mit der verstärkten Nutzung von E-Fahrzeugen entstehen. Auch steigende Werkstattpreise, die durch höhere Preise am Ersatzteil- und Rohstoffmarkt zustande kommen, führen zu steigenden Schadenkosten.
Verringerung Autoverkehr wohl nur temporäre Entwicklung
In einer bundesweiten repräsentativen Bevölkerungsbefragung der HUK-Coburg nannten 73 Prozent der Befragten das Auto oder E-Auto als das Fortbewegungsmittel, das ihre Ansprüche am besten erfüllt. Es scheint, als erlebe das Auto eine Renaissance gegenüber den öffentlichen Verkehrsmitteln – auch aus Hygiene-Überlegungen. Gleichzeitig ist das E-Auto in der Bevölkerung so akzeptiert wie nie zuvor – insbesondere Menschen außerhalb der Großstädte sehen es als das Fortbewegungsmittel der Zukunft. Vor diesem Hintergrund ist die Verringerung im Automobilverkehr als temporäre Entwicklung zu bewerten – eine systematische Senkung der Prämien in der Kfz-Versicherung wäre daher kurzsichtig und fehlgerichtet.