Embedded Insurance als Chance zur Kundengewinnung

Ob Embedded Insurance wirklich neu ist, darüber wird diskutiert. Unstrittig ist, dass es eine Möglichkeit bietet, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Doch dafür müssen bestimmte Kompetenzen aufgebaut und integriert werden.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Innovation neue Geschäftsmodelle
Embedded Insurance als Chance zur Kundengewinnung

Der Kunde an sich scheint ein durchaus scheues Wesen zu sein. Insbesondere wenn es um Versicherungen, deren Anbieter und Vermittler geht, scheint er sich rasend schnell in Deckung zu begeben und quasi in Luft aufzulösen. Anders lässt es sich aus unserer Sicht nicht erklären, dass der Fokus von Innovationen neben der reinen Prozessoptimierung vor allem auf dem Gebiet der Geschäftsmodellinnovationen mit dem Ziel der Gewinnung neuer Kunden(-gruppen) lag. Dies liegt sicherlich auch in der Angst begründet, dass insbesondere für einfache und leicht vergleichbare Produkte wie private Haftpflichtversicherungen der etablierte Kundenzugang über den persönlichen Vertrieb – egal ob Exklusivvertrieb, Makler oder Bancassurance – nach und nach an Bedeutung verlieren wird. Und das vor allem in der jungen und digitalaffinen Zielgruppe. Doch wie soll dies funktionieren, wenn doch der „klassische“ Digitalvertrieb im Großen und Ganzen noch ein Schattendasein fristet? Und selbst wenn so doch mit nicht zu vernachlässigenden Vertriebskosten verbunden ist?

Der heilige Gral der Customer Acquisition Costs

E-Commerce-Unternehmen können ein Lied davon singen: Die Gewinnung von Kunden im World Wide Web wird immer teurer. Suchmaschinen wie Google lassen es sich immer teurer bezahlen, um auf den ersten Seiten für beliebte Suchbegriffe aufzutauchen. Dies gilt insbesondere auch für Versicherungen. So übersteigen die Vertriebskosten je Onlineabschluss einer Risikolebensversicherung inzwischen in vielen Fällen schon die Vergütung z. B. eines Maklers pro Abschluss. Wie kann ich also Kunden im digitalen Raum zu adäquaten Kosten erreichen? Indem ich ihn dort abhole, wo er sich aufhält. Und dies ist üblicherweise nicht auf den Websites der Versicherer, sondern auf Plattformen, Informationsseiten, in Onlineshops etc. Ich muss mich also in die Kundenwelt bzw. eher in die Plattformen, Websites, Angebote dieser Kundenwelt bestmöglich integrieren. Das neue Zauberwort hierfür ist: Embedded Insurance.

Nur alter Wein in neuen Schläuchen?

Ein konkretes Beispiel für Embedded Insurance ist die Integration von Garantieverlängerung in den Check-out-Prozess bei Technik-Onlineshops. Vielen wird dieses Vorgehen unter dem Namen Annex-Vertrieb bekannt vorkommen. Und sicherlich lassen sich hier gewisse Parallelen erkennen. Doch das Geschäftsmodell geht hier viel weiter. Es betrachtet nämlich nicht nur eine technische und eine prozessuale, sondern auch eine produktseitige Integration in das Angebot eines Partners. Insbesondere letzteres soll hier noch einmal hervorgehoben werden, denn häufig wird Embedded Insurance im Kontext der API-Economy nur aus dem Kontext der technischen Integration gesehen. Dabei bietet das Konzept auch bei analogen Angeboten wie Vereinsmitgliedschaften o. ä. große Möglichkeiten zur Neukundengewinnung. Wichtig ist hier vor allem die Identifikation von potentiellen Partnern sowie die perfekte Analyse der jeweiligen Customer Journey des Partners. Insbesondere ersteres stellt für Versicherungen häufig eine besondere Herausforderung dar. Denn nur sehr wenige Versicherungsunternehmen haben in ihrer Organisation die Rolle eines „Kooperationsmanagers“ explizit verankert. Geschweige denn Erfahrungen in der Identifikation und Gewinnung von (Online- und Offline-)Plattformen als Partner. Doch nicht nur hier liegen besondere Herausforderungen.

Auch das User Experience Design der Integration muss optimal vorbereitet werden. Denn natürlich ist der Anreiz der Partner vor allem die Generierung zusätzlicher Einnahmen als Tippgeber. Aber der gesamte Fokus liegt üblicherweise in der Minimierung von Abbruchkanten im Sales-Prozess. Und das Angebot einer Versicherung stellt, wenn es schlecht designt ist, nun einmal eine solche dar. Am erfolgversprechendsten ist daher eine komplette Integration in ein gemeinsames Angebot, quasi schon in Richtung eines Ökosystem-Ansatzes. Doch dies ist natürlich zumeist mit zusätzlichen Kosten verbunden – außer im Rahmen eines free-for-data-Ansatzes.

Nach dem Partner ist vor dem Kunden

Angenommen ich habe z. B. eine Onlineplattform als Partner für mein Versicherungsunternehmen gewinnen können und mich möglichst nahtlos in deren Angebot integriert. Dann muss ich mich direkt um die Kundenbindung kümmern, und dies gleich im doppelten Sinne. So muss ich mich einerseits für den B2B-Partner quasi unentbehrlich machen, oder zumindest nur zu hohen Wechselkosten. Der Partner wird, je höher der Umsatz ist, umso schneller seinen Wert als Kundenzugang erkennen und ihn für sich angemessen monetarisieren. Dies muss man aber bestmöglich verhindern, um nicht wie im Kontext Suchmaschinenmarketing in eine Kostenfalle zu laufen. Fokus in der Kundenbindung sollte hier sowohl auf der technischen Unterstützung des Prozesses liegen als auch auf der Generierung zusätzlicher Umsatzchancen durch weitere Produkte/Services.

Mindestens genauso wichtig wie die Bindung der Geschäftspartner ist auch die Bindung der Endkunden. Denn zumeist haben Produkte im Kontext Embedded Insurance nur einen kleinen Leistungsumfang und damit auch Prämienniveau. So kann ich hier nur schwer Skaleneffekte entwickeln. Kernaufgabe muss es also sein, das Versicherungsportfolio der neugewonnenen Kunden möglichst umfänglich mit Produkten aus dem eigenen Haus zu ergänzen.

Ob nun wirklich neu oder nicht, Embedded Insurance bietet im Zeitalter von Amazon und Google eine große Möglichkeit zur (kostengünstigen) Gewinnung neuer Kunden. Dies aber nur, wenn ich insbesondere im Bereich des Kooperationsmanagements explizite Kompetenzen aufbaue und in meine Organisation integriere.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitschrift für Versicherungswesen Ausgabe 04/2022 als Teil der Reihe "Converging Business Models".

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