Italien, das Sorgenkind der Europäischen Union

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Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Internationalisierung
Italien, das Sorgenkind der Europäischen Union
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Die EU hat aktuell an zahlreichen Fronten zu kämpfen und die Probleme scheinen kein Ende zu nehmen. Nachdem die Griechenland- und die Flüchtlingskrise die Union intensiv forderten, dreht sich aktuell alles um den bevorstehenden Brexit. Doch wer hofft, dass mit dem geregelten Austritt Großbritanniens aus der EU diese wieder Zeit zum Durchatmen findet, wird vermutlich enttäuscht. Es zeichnet sich ab, dass die Griechenlandkrise keine Ausnahme gewesen sein muss, denn Italien entwickelt sich zum nächsten Sorgenkind der EU. 

Geringes Wirtschaftswachstum, hohe Verschuldung, hohe Arbeitslosenquote

Italiens Bruttoinlandprodukt betrug im Jahr 2018 1,753 Billionen Euro. Damit ist das Land hinter Deutschland, Großbritannien und Frankreich die viertgrößte Volkswirtschaft der EU und somit von großer Bedeutung für das Bündnis. Italien ist jedoch auch das einzige Land der Europäischen Union und der G7-Staaten, welches sich, wie die Experten sagen, in einer technischen Rezession befindet. Das Land hatte zwei Quartale in Folge eine sinkende Wirtschaftsleistung. Die OECD geht davon aus, dass die Wirtschaftsleistung Italiens im Jahr 2019 um rund 0,2 Prozent zurückgehen wird. Dies resultiert einerseits aus einem generellen wirtschaftlichen Abschwung weltweit, andererseits sehen Volkswirte die Ursache in der negativen Wirtschaftspolitik der rechten Regierungspartei Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung (M5S).

Betrachtet man das letzte Jahrzehnt, so lag das Wirtschaftswachstum unabhängig von der Finanzkrise im Jahr 2007, sowohl davor, als auch danach unter dem Durchschnitt der übrigen EU-Länder. Zwischen 2004 und 2016 ging das reale Bruttoinlandsprodukt um rund drei Prozent zurück. Besonders stark war, mit rund 5,5 Prozent, der Rückgang des BIP im Jahr 2009. Ab 2014 erholte sich die Wirtschaft und wies wieder positive Wachstumszahlen auf. 2015 bis 2018 lag das Wachstum des Bruttoinlandprodukts bei rund einem Prozent, womit es erneut unter dem EU-Schnitt, welcher bei rund zwei Prozent Wachstum lag, blieb.

Italiens Schuldenquote liegt bei mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Damit ist sie mehr als doppelt so hoch wie die eigentlich erlaubte Grenze in der EU. Nach Staatsschuldenquote rangiert Italien dem internationalen Währungsfond zu Folge in den Top 10 der meist verschuldeten Länder der Erde. Zum Vergleich: Deutschlands Staatsschuldenquote beträgt etwa 60 Prozent.

Auch die Arbeitslosigkeit liegt mit rund 10,7 Prozent deutlich über den Durschnitt der EU (7,8 Prozent). Besonders problematisch ist die Jugendarbeitslosigkeit, welche im Februar 2019 bei rund 32 Prozent lag. Zum Vergleich: die allgemeine Arbeitslosenquote in Deutschland liegt bei 5,2 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeitsquote bei 5,5 Prozent. Wer arbeitet, leidet in der Regel unter einem relativ geringen Einkommen. Das Durchschnittseinkommen in Italien lag im Jahr 20018 bei 27.459 Euro, in Deutschland liegt es bei 38.497 Euro.

Der belgische Ökonom Paul De Grauwe von der London School of Economics zieht im „Standard“ ein ernüchterndes Fazit: „Es ist das einzige Land der Währungsunion, das heute ärmer ist als 1999, als der Euro eingeführt wurde. Das Wachstum war null oder negativ, die Menschen finden keine Jobs. Die stecken in einem Desaster.“

Einblick in die Versicherungsbranche

Gemessen an den Bruttobeiträgen in Relation zu den Einwohnern macht Italien laut des GDV eines der Länder mit der höchsten Versicherungsdichte der Welt aus. Während es in der Lebensversicherung auf Platz Sechs der weltweit größten Versicherungsmärkte liegt, kommt es im Bereich der Nicht-Lebensversicherung auf Platz 11 (Stand 2018). Obwohl Italien als das am stärksten von Erdbeben gefährdetste Land in Europa angesehen wird, werden kaum private Häuser versichert, lieber investieren die Italiener laut Angaben des GDV beispielsweise in Telematiktarife.

Laut der Towers Watson Studie ist hierbei nicht nur das Interesse an diesen in Italien am größten, anders als in Deutschland sind Kfz-Versicherer in Italien sogar dazu verpflichtet, mindestens einen Telematiktarif anzubieten, sodass bereits 20 Prozent der privaten Autofahrer Italiens individuell auf sie zugeschnittene Tarife abgeschlossen haben. Die Studie zeigt zudem, dass die Mehrheit der Europäer die individuellen Tarife interessant findet (lediglich 13 Prozent lehnten diesen grundsätzlich ab), sodass abzuwarten bleibt, ob nicht auch in anderen europäischen Ländern eine Pflicht zum Angebot von Telematiktarifen eingeführt werden wird. Betrachtet man die Beschäftigungszahl der italienischen Assekuranz, so ist diese im gesamten letzten Jahrzehnt nahezu konstant. Laut Statista waren im Jahr 2007 rund 46.278 Menschen in der italienischen Versicherungswirtschaft tätig, 2017 waren es 46.558. Entgegen dem allgemeinen Trend hat die Arbeitnehmerzahl somit minimal zugenommen.

Hat die wirtschaftliche Lage Einfluss auf die Versicherungsbranche im Land?

Betrachtet man die Prämieneinnahmen der italienischen Erstversicherer im Zeitverlauf, so zeigt sich, dass die jeweiligen Entwicklungen aneinander gekoppelt sind. In konjunkturstarken Jahren, wie 2010 bzw. den Jahren ab 2014, stiegen die Prämieneinnahmen der Versicherer. Im Jahr 2008 lagen die gebuchten Bruttoprämien bei rund 95,7 Milliarden Euro, welche bis zum Jahr 2017 auf rund 137,7 Milliarden Euro anstiegen. Das bedeutet insgesamt, dass die Versicherungswirtschaft stärker als die gesamte Wirtschaft des Landes gewachsen ist.

Zwischen den Prämieneinnahmen aus der Lebensversicherung und denen aus dem Nicht-Lebensversicherungsgeschäft muss dabei allerdings differenziert werden: Während die gebuchten Bruttoprämien im Nicht-Lebensversicherungsgeschäft von rund 38,7 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf rund 36,8 Milliarden Euro im Jahr 2017 minimal zurückgegangen sind, sind die Einnahmen aus dem Lebensversicherungsgeschäft deutlich angestiegen. Mit rund 36 Prozent Wachstum stiegen die Einnahmen aus dem Lebensversicherungsgeschäft von rund 73 Milliarden Euro im Jahr 2006 auf über 100 Milliarden Euro im Jahr 2017 an. Die Entwicklung der Einnahmen aus dem Lebensversicherungsgeschäft unterliegt im Zeitverlauf deutlichen Schwankungen.

Gesamte Prämieneinnahmen in Mio. EUR

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Wie sich die Zahlen zukünftig entwickeln ist offen. Es ist den Italienern zu wünschen, dass sich ihre Wirtschaft in Zukunft genauso positiv wie die Versicherungswirtschaft des Landes entwickelt und Italien zu seiner alten Stärke zurückfindet.

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