New Work in traditionellen Unternehmen: Unsere Arbeitswelt ist komplex und verlangt nach einem neuen Rahmen

Im Beitrag geben wir einen Einblick in ausgesuchte Diskussionen des Campus Arbeitswelten.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Arbeitswelten/NewWork Betriebsorganisation Strategie Personal (Human Resources)
New Work in traditionellen Unternehmen: Unsere Arbeitswelt ist komplex und verlangt nach einem neuen Rahmen

Organisation, Zusammenarbeit, Wissensmanagement, Leadership, Achtsamkeit und Unternehmenskultur – das waren die Themen des zweiten Campus Arbeitswelten. Wie bereits im letzten Jahr kamen New-Work-Experten aus der Versicherungs-, Banken- und Versorgerbranche zusammen. Eines wurde im Rahmen der zwei Tage deutlich – all diese Themen sind miteinander verzahnt und bestimmen das Arbeiten von morgen. Im Beitrag geben wir einen Einblick in ausgesuchte Diskussionen der Veranstaltung. Wer mehr erfahren will, der sollte im nächsten Jahr am 25./26 Oktober 2022 dabei sein!

Komplex vs. kompliziert – unsere Arbeitswelt ist beides

Den Auftakt der Veranstaltung machte Speaker, Autor & Leadership-Philosoph Niels Pfläging. Er nahm die Teilnehmer mit auf eine Reise durch die Geschichte. Von der Antike, über die Industrialisierung bis zu unserer heutigen Zeit – Pfläging zeigte auf, warum unsere Arbeitswelt ist, wie sie ist und wo wir ansetzen können, um sie besser zu gestalten. Seiner Meinung nach glauben wir „in der Unternehmensführung oft noch an Götzen ohne wissenschaftlichen Bezug“. Diese Götzen stammen noch aus den Zeiten der Industrialisierung. Dort haben diese funktioniert, denn die Arbeitswelt war damals nicht so komplex, wie sie es heute ist. Sie war kompliziert und komplizierte Dinge lassen sich durch Standardisierung und Zentralisierung steuern. In einer komplexen Welt funktionieren diese Götzen nicht mehr. Pfläging zufolge braucht es Dezentralisierung und Demokratisierung. Steuerung kann in komplexen Systemen nur versagen, denn „Organisationen sind lebendige Systeme in lebendigen Märkten, mit lebendigen Arbeitsmärkten und lebendigen Kunden“. Die Märkte und das Umfeld sind komplex und komplexe Dinge lassen sich nur von Menschen mit Ideen lösen – Planung und Steuerung führen nicht zum Ziel. Die Entscheidungsmacht muss in der Peripherie, also den Schnittstellen zu Märkten und Kunden, liegen. So kann es gelingen, den Anforderungen der heutigen Zeit zu begegnen. Die Mitarbeiter müssen also innerhalb ihrer Teams selbst entscheiden können. Das ermöglicht die notwendige Flexibilität, die es braucht, um die Komplexität beherrschbar zu machen. Um hier hinzukommen, müssen sich die Unternehmen vielfältigen Veränderungen stellen: „Wenn sich die Menschen dem Change widersetzen, dann war es nicht der Richtige Change-Ansatz. Menschen sind Meister der Anpassung und der Veränderung. Das hat die aktuelle Pandemie einmal mehr gezeigt“.

Wie eine solch selbstorganisierte Organisation am Ende aussehen kann, zeigten die Praxisbeiträge der Gothaer Versicherung und der metafinanz Informationssysteme GmbH. „Selbstorganisation, das ist das, was künftigen Erfolg in unserer Organisation garantiert“, erläuterte Constantin Stirnberg, Manager agile Transformation bei der Gothaer Versicherung. „Um die Veränderungsfähigkeit auf Unternehmensebene zu steigern, braucht es individuelle Lösungen für die unterschiedlichen Teams. Wir geben die Leitplanken, um sich in die Selbstorganisation begeben zu können“, so Stirnberg.

Auch bei den Elektrizitätswerken Zürich entscheiden die Teams über das „Wie“. Ole Hopp, Head of Framework Development bei den Elektrizitätswerken Zürich, führte die Teilnehmer durch den Entstehungsprozess einer agilen Organisation. Er wies u. a. darauf hin, wie wichtig es ist, stetig zu kommunizieren: „Wenn man denkt, es reicht jetzt, dann kommuniziert man am besten noch einmal“. Zudem betonte er, dass für die Zielerreichung WIP-Limits (work-in-process) notwendig sind. Bei den Elektrizitätswerken Zürich werden nie mehr als zwei Projekte gleichzeitig bearbeitet, um diese im gesetzten Zeitrahmen auch finalisieren zu können.

Von Command & Control zu Servant Leadership

„Es braucht in der heutigen Welt eine andere Art der Führung“, betonte Nina Luis, Lead Way of Working bei ING Germany. Der Expertin zufolge liegt die Entscheidungsgewalt nicht mehr bei der Führungskraft, sondern bei den Mitarbeitern. Zentralisierung schränkt die Kreativität und den Ideenreichtum der Arbeitenden ein. Sie entscheiden über das „Wie“. Die Führungskräfte unterstützen lediglich bei der Findung. Die Entwicklung hin zum Servant Leader ist nicht einfach: Führungskräfte müssen ihre alt gewohnte Macht an die Mitarbeitenden abgeben und verstehen, dass ihre Rolle dem großen Ganzen dient. Das erfordert Mut, Vertrauen und ein hohes Maß an „loslassen können“. Das Mindset und die Haltung von Mitarbeitenden und Führungskräften zählen. Wenn die Führungskräfte dies nicht verinnerlichen, können die Mitarbeitenden nicht in die kollaborative Arbeit starten. Mitarbeitende wie Führungskräfte müssen sich stetig weiterentwickeln und in das neue Rollenbild wachsen. Für beide Seiten braucht es Raum zur Weiterentwicklung und zum Experimentieren.

Im Vortrag von Lars Schwarzmann, Product Owner Standardprodukte Privatkunden bei der Nürnberger Versicherungsgruppe, wurde die von Luis beschriebene Theorie aus der Perspektive eines Servant Leaders bestätigt. Schwarzmann leitet seit zwei Jahren als Product Owner ein Team von acht Personen. Er selber sieht sich in seiner Servant-Leader-Rolle als Gärtner: Er befähigt seine Mitarbeiter, ist für sie da, lässt sie ausprobieren und an ihren Aufgaben wachsen. Seine fünf Schritte zum Erfolg sind:

1. Purpose

2. Befähigen

3. Selbstentwicklung

4. gemeinsamer Rahmen

5. gemeinsamer Raum

Kultur leben und nicht predigen

Unternehmenskultur zeigt, wie wir im Unternehmen die Dinge umsetzen. Aufgeschrieben auf Papier entfaltet sie keine Wirkung. Angelehnt an Pfläging wurde auch bei der Unternehmenskultur deutlich, dass diese sich in einem Wirkungsgeflecht befindet und sich schlecht lenken lässt. Sie ist komplex. Was sich steuern lässt, sind die Rahmenbedingungen. „Über Abläufe können wir entscheiden. All das wirkt sich auf die Kultur aus, aber eben mit einem Verzögerungsmoment“, erläuterten Eloise Schüller und Katrin Haas, beide New Work Consultants bei der BTC Business Technology Consulting AG. Den Expertinnen zufolge ist Kultur ein lebendes System. Kreativität, Ideenreichtum und Selbststeuerung sind der Nährboden für eine zeitgemäße Unternehmenskultur. Nicole Dalchau, Head of Brand sowie PR & Partnerships bei der LYNQTECH GmbH betonte in ihrem Vortrag: „Kreativität ist einer der Kernpunkte einer funktionierenden Unternehmenskultur. Werte, Mission und Vision dienen der Orientierung und Entscheidungsfindung“. Sie hat fünf „Killer“ einer erfolgreichen Unternehmenskultur identifiziert:

1. Unwissenheit der Technologie ist der Killer der Fantasie.

2. Die fehlende Einbindung des gesamten Unternehmens ist der Killer der digitalen Kultur.

3. Silos anstatt Teambildung sind der Killer der Glaubwürdigkeit

4. Mangelnde Entfaltung von Stärken ist der Killer der Kreativität.

5. Komplette Autonomie ist der Killer des Großen und Ganzen.

Um sich entwickeln zu können, braucht es Möglichkeiten der Weiterbildung, um das Wissen und die Fähigkeiten zu erweitern. Um leistungsfähig und kreativ zu sein, bedarf es eines achtsamen Umgangs mit sich selbst und anderer. Alles hängt miteinander zusammen. Jeder Punkt für sich muss neu gedacht werden.

Es war inspirierend zu sehen, wie die Teilnehmer und Referenten sich der Herausforderung New Work stellen und mit Leidenschaft in die neue Arbeitswelt starten.