Verlust von Biodiversität – Was kann die Versicherungsbranche tun?

Der Verlust der Biodiversität stellt mit Blick auf die kommenden zehn Jahre eines der größten Risiken für Mensch und Wirtschaft dar. Zu diesem Fazit kommt der aktuelle Global Risk Report des Weltwirtschaftsforums. Auch in Bezug auf die Berichterstattung und Regulatorik zur biologischen Vielfalt auf nationaler und europäischer Ebene durch die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) wird Biodiversität verpflichtend in den Fokus von Versicherungsunternehmen gerückt.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Nachhaltigkeit
Verlust von Biodiversität – Was kann die Versicherungsbranche tun?

Wie die Versicherungsbranche den sich daraus ergebenen Herausforderungen begegnen kann und welche Möglichkeiten zum Erhalt von Biodiversität bestehen, dazu haben wir mit Dr. rer. nat. Johannes Förster, Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) gesprochen. Er berät Akteurinnen und Akteure in Politik und Wirtschaft u. a. zur Erfassung und Verwendung von Informationen bezüglich Biodiversität und Ökosystemleistungen in Entscheidungsprozessen sowie deren ökonomischer Relevanz in Bezug auf Risiken und Chancen. 

Welchen Einfluss hat der Verlust von Biodiversität auf unser Leben? Könnten Sie das vielleicht an einem Beispiel kurz erläutern?  

Biodiversität ist die Grundlage für das Leben auf der Erde und ist somit ein integraler Bestandteil für die Existenz von uns Menschen, unserer Gesellschaft und der Wirtschaft. Laut einer Studie des World Economic Forums sind über 50 Prozent des weltweiten Bruttoinlandprodukts (BIP) “moderat”‘ bis “äußerst”‘ von Biodiversität abhängig (Herweijer et al. 2020). Dabei ist aber natürlich klar, dass es ohne Biodiversität und den Leistungen von Ökosystemen keine Menschen und keine Wirtschaft gibt. Die Leistungen der Biodiversität reichen von der Bereitstellung grundlegender Ressourcen und Funktionen wie Sauerstoff, sauberes Wasser, Bodenfruchtbarkeit und ein erträgliches Klima bis hin zur Produktion von Nahrung, Inhaltsstoffen für Medikamente und Baumaterialen. Auch Erholungsleistungen und kulturelle Leistungen der Natur sind für das Wohlergehen vieler Menschen enorm wichtig. Denken Sie an die Bedeutung hochwertiger Grünflächen in Städten, welche sich großer Beliebtheit erfreuen und so auch beim körperlichen und seelischen Ausgleich unterstützen. Der Verlust von Biodiversität hat somit, ähnlich wie der Klimawandel, eine systemische Bedeutung auch für die Wirtschaft und Finanzindustrie. So werden sich zum Beispiel Zentralbanken aber auch andere Finanzinstitute zunehmend der durch den Verlust von Biodiversität entstehenden Risiken bewusst und arbeiten daran, diese entsprechend zu erfassen und in Entscheidungen zu integrieren. 

Welche Herausforderungen ergeben sich aus dem Verlust von Biodiversität für Versicherungsunternehmen? 

Häufig werden die systemischen Zusammenhänge von Gesellschaft, Ökosystemen und Klima zu wenig beachtet. Ökosysteme können zum Beispiel dazu beitragen, Extremereignisse und deren Folgen abzumildern. Grünflächen in Siedlungen und intakte Wälder und Wiesen in Flussoberläufen können Starkniederschläge besser auffangen als versiegelte Flächen. Gesundheitseffekte einer intakten Natur können gerade in dichtbesiedelten Städten signifikant sein und zum Beispiel das Stadtklima insbesondere während Hitzewellen verbessern und Hitzestress reduzieren. So können intakte Ökosysteme helfen, die Auswirkungen Extremereignissen zu reduzieren.  

Ein Ausfall von Ökosystemen und ihren Leistungen können signifikante Kosten verursachen: Wenn Flüsse nicht mehr genügend Wasser führen, sind Transportwege gestört und Kraftwerke müssen wegen fehlendem Kühlwasser gedrosselt werden. Ernteausfälle können sich negativ auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen auswirken und somit Produktionsprozesse gefährden. Hierbei ist es also wichtig zu verstehen, welche Rolle Biodiversität und Ökosysteme in den jeweiligen Sektoren spielen. Welche Risiken ergeben sich aus dem Ausfall von Ökosystemen und deren Leistungen für einzelne Sektoren aber auch für Investmentportfolios? Wie lässt sich die systemische Relevanz von Biodiversität und Ökosystemen von vornherein besser mitdenken und intelligent in Entscheidungen integrieren? 

Was kann die Versicherungsbranche zum Erhalt der Biodiversität beitragen?  

Zum einen wird es demnächst von Seiten der Regulatorik mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) rechtliche Vorgaben geben, Auswirkungen auf und Abhängigkeiten von Biodiversität und Ökosystemen offenzulegen. Es ist jedoch sicherlich auch im eigenen Interesse der Versicherungsbranche, die Risiken, welche durch den Verlust von Biodiversität und Ökosystemen entstehen, besser zu verstehen und in Entscheidungsprozesse zu integrieren. Klimarisiken werden teilweise schon systematisch berücksichtigt und es gibt hierzu entsprechenden Ansätze und Leitfäden. Vergleichbare Ansätze werden aktuell auch für die Erfassung von Biodiversitätsrisiken entwickelt, wie zum Beispiel der Leitfaden der Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD), welches ein Pendant zur etablierten Taskforce on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) darstellt. Bei der Entscheidungsfindung im Umgang mit entsprechenden Risiken sollten auch die Chancen durch naturbasierte Lösungen mitberücksichtigt werden. So können Maßnahmen zum Schutz und zur Stärkung von Ökosystemen und deren Leistungen helfen, nicht nur Risiken zu reduzieren, sondern ganz konkret sowohl Schadenskosten als auch Kosten für Maßnahmen zum Riskmanagement reduzieren. 

Zusammengefasst:  

Der Erhalt von Natur – also Biodiversität und mit den Ökosystemen und deren Leistungen – ist für unsere Gesellschaft und damit auch für die Wirtschaft von elementarer Bedeutung. Die Erfassung von damit verbundenen Risiken, aber auch Leistungen sollten somit gerade für die Versicherungsbranche von Interesse sein und auch in entsprechenden Entscheidungsprozessen mitberücksichtigt werden.  

Wir bedanken uns für das Interview und freuen uns auf den Lunchtalk zum Thema Biodiversität, den Dr. Johannes Förster am 19. Juni als Gast begleitet. 

Zum Lunchtalk Biodiversität

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