Wissen, was den Markt bewegt – Nachhaltigkeit in der Versicherungswirtschaft
Unser Marktmonitor „Sustainable Insurance Industry“ gibt halbjährlich einen Überblick zu neuen nachhaltigen Versicherungskonzepten, spannenden Kooperationen und Maßnahmen, die dabei unterstützen, Nachhaltigkeit in die Versicherungswirtschaft zu integrieren. Zudem werfen wir einen Blick auf relevante Initiativen und regulatorische Anforderungen. In diesem Beitrag stellen wir einen kleinen Auszug der ersten Ausgabe dieses Jahres vor.
Überarbeitete EU-Taxonomieverordnung stuft Investitionen in Atom und Gas als nachhaltig ein
Die EU-Kommission hat in den vergangenen Monaten konkretisierende Mitteilungen in Form von FAQs zum Artikel 8 EU TaxonomieVO herausgegeben. Beantwortet werden allgemeine Fragen zur Taxonomie, deren Verhältnis zu anderen Regularien wie der CSRD sowie spezifische Fragestellungen auch für Versicherungen sowie sämtliche weitere Finanzmarktteilnehmer. Die FAQ sind nicht verpflichtend anzuwenden, sondern stellen eine Auslegungshilfe dar. Am gleichen Tag veröffentlichte die Platform on Sustainable Finance Überlegungen zu freiwilligen Angaben von Finanzunternehmen zur Taxonomiefähigkeit (eligibility) und stellte zudem eine alternative NACE Klassifizierung als unterstützendes Instrument für die Einordnung der Wirtschaftstätigkeiten im Sinne der Taxonomie zur Verfügung. Am 2. Februar 2022 erschien außerdem ein zweiter Teil an FAQ zur Berichterstattung der taxonomiefähigen Wirtschaftsaktivitäten und Vermögenswerte.
Stark diskutiert wurde der ebenfalls am 2. Februar 2022 veröffentliche delegierte Rechtsakt zur Klimapolitik, der eine Erweiterung der bereits gültigen delegierten Rechtsakte zu Art. 8, 10 und 11 der EU-Taxonomie Verordnung darstellt. Sollte es seitens EU-Parlament und EU-Ministerrat keinen Einspruch geben, ist diese ab dem 1. Januar 2023 anzuwenden. Unter strengen Auflagen sind damit bestimmte Kernenergie- und Gasenergietätigkeiten in die Liste der von der EU-Taxonomie erfassten Wirtschaftstätigkeiten aufgenommen worden. Die Kommission gab an, dass spezifische Gas und Nukleartätigkeiten unter diesen Voraussetzungen in der Übergangsphase in Einklang mit den Klima- und Umweltzielen der EU stehen und zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050 beitragen. Die Bundesrepublik Deutschland will sich gegen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verordnung für eine Klassifizierung von nachhaltigen Investitionen aussprechen und ein Veto gegen den ergänzenden Rechtsakt einbringen.
1,5 Grad-konformes sektorübergreifendes Kreditportfolio
Ein solches Portfolio zu entwickeln, haben sich die Allianz Gruppe und die International Finance Corporation (IFC) zur Aufgabe gemacht und im November 2021 eine Partnerschaft geschlossen. Das Managed Co-Lending Portfolio Program (MCPP) One Planet ist Teil der zur IFC gehörenden gleichnamigen Syndikations-Kreditplattform MCPP. Ziel von One Planet ist es, eine neue globale Plattform für klimafreundliche Investitionen zu schaffen, die bis zu drei Milliarden US-Dollar für private Unternehmen in Entwicklungsländern bereitstellt. Es ist das erste sektorübergreifende Kreditportfolio für Schwellenländer, wdas auf die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens ausgerichtet ist. Die Investorenbeiträge werden mit Mitteln der IFC kombiniert, um die Finanzierung klimaverträglicher Investitionen in Schwellenländern auszubauen.
Die International Finance Corporation (IFC) ist ein Mitglied der Weltbankgruppe. Sie ist die größte Entwicklungsinstitution der Welt, mit Fokus auf den privaten Sektor in Schwellenländern und ist in mehr als 100 Ländern tätig. Sie setzt ihr Kapital sowie den Einfluss ein, um Märkte und Chancen in Entwicklungsländern zu schaffen. In 2021 wurde eine Summe von 31,5 Mrd. USD für Privatunternehmen und Finanzinstitutionen in Entwicklungsländern durch das IFC bereitgestellt.
Weltwirtschaftliche Initiative strebt klimaneutrales Anlageportfolio an
Weil der Weg in Richtung Nachhaltigkeit und Klimaneutralität nicht alleine zu bewältigen ist, ist es auch über die Versicherungsbranche hinweg wichtig, dass sich Unternehmen zu diesem Thema vernetzen. Initiativen bieten in diesem Kontext Raum für eine gemeinsame Erarbeitung von Inhalten sowie für den Austausch zu Ansätzen und Erfahrungen. Ein solcher Rahmen ist insbesondere für Versicherer von großer Bedeutung, sie sollten daher die Möglichkeit wahrnehmen, von derlei Angeboten zu profitieren.
Dazu zählt auch die Net-Zero Asset Owner Alliance (NZAOA), ein 2019 von den Vereinten Nationen initiiertes Bündnis von unterschiedlichen Kapitaleignern. Ziel der daran beteiligten institutionellen Investoren, darunter auch mehrere Versicherer, ist es, bis zum Jahr 2050 die CO2-Emissionen des gesamten Anlageportfolios auf Null zu reduzieren. Dabei wird die Realisierung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens, zur Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius, verfolgt. Unternehmen wie Allianz, AXA, Generali, Zürich oder Münchener Rück sind bereits Mitglieder der Initiative. Neu hinzugekommen sind Hannover Rück, SV Sparkassen Versicherung, HUK Coburg, Gothaer und LVM.
Förderung von Zukunftsprojekten als Ansatz einer nachhaltigen Unternehmenskultur
Dass der Nachhaltigkeits-Ansatz ganzheitlich gedacht und gelebt werden muss, ist für Unternehmen, die sich schon seit Längerem damit auseinandersetzen, nichts Neues mehr. Eine nachhaltig orientierte Unternehmenskultur gehört vor diesem Hintergrund zu den wichtigsten Bestandteilen innerhalb des Transformationsprozesses. Sie bildet die Grundlage, damit sich Unternehmen langfristig verantwortungsvoll gegenüber Menschen und Umwelt ausrichten. Nachhaltigkeit muss dabei nicht zwingend nur auf ökologische Aspekte beschränkt sein, auch soziale Handlungsfelder spielen eine Rolle. Die R+V hat diesen Gedanken anlässlich ihres 100-sten Jubiläums im Januar 2022 in Form eines Förderprojekts umgesetzt. Zur Verfügung gestellt wurde ein Betrag von insgesamt 1,6 Millionen Euro zur Unterstützung sozialer und nachhaltiger Projekte. Unter dem Namen #Missionmiteinander unterstützt der genossenschaftliche Versicherer damit gemeinnützige Vereine, Organisationen oder Privatpersonen bei ihren Herzensprojekten.
Die Projekte müssen dabei den UN Sustainable Development Goals entsprechen, dem Gemeinwohl zugutekommen und eine Lösung für eine aktuelle oder zukünftige Herausforderung unserer Gesellschaft darstellen.
Gefördert werden Zukunftsprojekte zu folgenden Themenfeldern:
- Soziales und Gerechtigkeit
- Gesundheit
- Bildung
- Wirtschaft und Technik
- Umwelt und Klimaschutz
Umfassender Elementarschutz für Wohngebäudekunden
Die letzten Jahre waren, wovon nach diversen wissenschaftlichen Reports auszugehen ist, nur eine Vorbereitung auf das, was klimawandelbedingt zukünftig noch häufiger werden wird: extreme Wetterbedingungen, ungewöhnlich hohe Temperaturen, starke Unwetter oder Fluten wie vergangenen Sommer im Ahrtal. Die Versicherungsschäden und -schadenssummen steigen dadurch rasant in die Höhe. Beim Thema Wohngebäudeversicherung fällt daher der Blick zunehmend auf den Elementarschutz gegen ebensolche Gefahren (auch ein möglicherweise verpflichtender Versicherungsschutz wurde hierzu schon diskutiert).
Die Alte Leipziger hat die zunehmende Problematik bei der Entwicklung ihrer nachhaltig ausgerichteten Wohngebäudeversicherung (Dezember 2021) berücksichtigt. Im Versicherungsumfang ist eine umfassende Elementarschutzversicherung enthalten, die unter anderem Trocknungskosten im Falle einer Überschwemmung mitversichert. Haben Neukunden in ihrem Altvertrag einen schlechteren oder keinen Elementarschutz, erhalten diese bei einem Wechsel sechs Monate lang einen beitragsfreien Schutz. Ohne Hinzubuchung zusätzlicher Produktpakete inkludiert der Versicherer Photovoltaikanlagen sowie Wallboxen in den Versicherungsschutz und übernimmt im Schadenfall zusätzliche Kosten für den Einsatz nachhaltiger Baustoffe sowie energetische Modernisierungsmaßnahmen. Als Highlight bietet die Alte Leipziger ihren Kunden die Möglichkeit eines Hochwasser-Vorsorge- oder baubiologischen Beraters.
Grünes Start-up steigt mit Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung in den Markt ein
Immer mehr Versicherer richten Ihr Portfolio nachhaltig aus. Das geht aber nicht nur über Produkte oder Produkt-Bausteine, sondern auch etwas größer gedacht. So gründete die GVO Gegenseitigkeit Versicherung Oldenburg VVaG im Januar 2022 das Tochterunternehmen SicherGRÜN. Kunden können dort nachhaltig aufgebaute Versicherungsprodukte abschließen und von grünen Mehrleistungen profitieren. Dazu gehören auch Reparaturen durch nachhaltig ausgerichtete Unternehmen oder eine ökologische Wiederbeschaffung. Gestartet ist das Start-up mit einer ersten Produktpalette bestehend aus einer Hausrat- und einer Privathaftpflichtversicherung. Pro Vertrag spendet SicherGRÜN einen Euro an die GVO Stiftungs-gGmbH, die ebenfalls Anfang des Jahres gegründet wurde, und fördert darüber zukunftsorientierte Projekte für Umwelt und Nachhaltigkeit. Grundlage für die Auswahl der zu fördernden Projekte bilden die 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030.
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In diesem Beitrag wurden lediglich ausgewählte Themen der aktuellen Ausgabe des Marktmonitors Sustainable Insurance Industry vorgestellt. Für den vollem Umfang mit vielen weiteren Informationen zu nachhaltigen Produkten, spannenden Kooperationen, Initiativen und regulatorischen Rahmenbedingungen besuchen Sie gern unsere Website. Dort finden Sie auch das zugehörige Bestellformular.