Open Insurance als Chance

Was steckt hinter dem Begriff, der allzu schnell verwendet wird und welche Herausforderungen bringt Open Insurance mit sich? Das wollen wir im Beitrag diskutieren.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
API Kooperationen
Open Insurance als Chance

Durch das Einbeziehen anderer auch unternehmensfremder Kernkompetenzen werden ganz neue Mehrwerte geschaffen. Blickt man auf den Banken-Bereich, sind die Erfolge von Open Banking – was viel mehr als PSD2 ist – sehr bemerkenswert. Auch vor diesem Hintergrund ist Open Insurance in aller Munde und scheint ein vielversprechender Ansatz zu sein. Doch was steckt hinter dem Begriff, der allzu schnell verwendet wird und welche Herausforderungen bringt Open Insurance mit sich? Durch das gezielte Öffnen von möglichst standardisierten Datenschnittstellen zu anderen Marktteilnehmern können neuartige Angebote, Services oder ganze Geschäftsmodelle gestaltet werden. Früher und auch heute noch muss dafür ein hoher Abstimmungsaufwand betrieben werden, um technisch, aber auch vertraglich zusammenzufinden. Dieser Prozess gestaltet sich meist langwierig und kräftezehrend und stellt eine enorme Hürde dar. Mit Open Insurance können diese Hürden auf Basis integrierter, digitaler und standardisierter Schnittstellen minimiert und ein möglichst nahtloses Kundenerlebnis erzeugt werden. Während sich im Bankenbereich, zugegeben nicht ganz ohne regulatorische Starthilfe, standardisierte Schnittstellen für Open Banking etabliert haben (die gleichsam sehr spannend für die Versicherungsbranche sind), steht eine derart durchdringende Öffnung in der Assekuranz noch aus. Diese Öffnung von Schnittstellen funktioniert entweder über Druck von außen oder (und sicherlich auch besser), wenn ein derartiger Ansatz von innen heraus, aus der Branche, getragen und gefördert wird. Open Insurance ist demnach vielmehr als nur Technologie und moderne Schnittstellen. Es erfordert ein gewisses Mindset in der Versicherungsindustrie und in jedem Marktteilnehmer, dass die Chancen einer offenen, gemeinsamen Basis erkennt und auch dessen Herausforderungen annimmt.

Open Insurance in der Praxis – Zukunftsmusik?

Bei der Umsetzung einer solchen Idee steckt der Teufel auch dort, wie so oft, im Detail. Ist ein Unternehmen „mental“ (also strategisch) bereit, sich zu öffnen, gibt es nicht wenige Fragen, denen sich gewidmet werden muss:

• In welchen Bereichen – Produkten, Services oder Lebensbereiche – will ich mich zuerst öffnen und Erfahrungen sammeln?

• Welche Schnittstellen(-Initiativen) sind die relevanten für mein Ziel und Ausrichtung?

• Wer sind die Marktteilnehmer, mit denen ich integrativ zusammenarbeiten möchte oder die eine solche Zusammenarbeit unterstützen?

Die Beantwortung der ersten Frage bedarf eines klaren Blicks auf die eigene Strategie und Kernkompetenzen innerhalb des Unternehmens. Zum Sammeln von ersten Erfahrungen und Schaffen eines frühen Erfolgserlebnisses wird das Management sicher nur selten zu dem Entschluss kommen, als erstes den größten und vielleicht ertragreichsten Bereich zu öffnen. Der gewählte Einsatzbereich beeinflusst natürlich auch die Entscheidung hinsichtlich geeigneter Schnittstellen maßgeblich mit. Hier gibt es mit FRIDA, SDA, wefox (ehem. koble) und connect von finleap einige neue Initiativen, die es neben den etablierten Ansätzen zu betrachten gilt. Dass Open Insurance schon längst kein theoretisches Modell mehr ist, verrät ein Blick auf die Start-up- bzw. InsurTech-Landschaft (siehe auch InsurTech Übersicht 2021). Die Geschäftsmodelle vieler versicherungsrelevanter Start-ups sehen die Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen vor, um gemeinsam und sehr schnell kundenzentrierte sowie innovative Angebote zu schaffen. An dieser Stelle kann von Supportern, also Unternehmen die Versicherungsunternehmen kooperativ gegenüberstehen, gesprochen werden.

Enabler, Distributoren und Challenger

Bei diesen kooperativen Geschäftsmodellen kann wiederum zwischen Enablern und Distributoren unterschieden werden. Enabler sind dabei Unternehmen, die spezialisierte Lösungen entlang der Wertschöpfungskette anbieten. Das Spektrum derartiger Geschäftsmodelle ist sehr breit und erstreckt sich von Data-Analytics- und KI-Lösungen, über Anwendungen zur Verbesserung der Kundenintegration bis hin zu speziellen Ansätzen rund um die Themen Authentifikation oder Datensicherheit. Distributoren sind Unternehmen, deren Geschäftsmodelle darauf ausgelegt sind, als unabhängige Entitäten im Markt, den Endkunden selbst zu adressieren. Erfolgreiche Vertreter gibt es u.a. im Bereich der Vergleichsplattformen, deren Mission es ist, Transparenz und damit Vertrauen bei den Endkunden zu schaffen. Ganz ähnlich agieren Vertragsmanager, deren Fokus weniger auf dem Vergleich von Versicherungstarifen, als vielmehr auf dem digitalen Handling der Verträge der Kunden liegt. Beide Modelle sind spannend und herausfordernd für die Versicherer, da sie einerseits ihr bestehendes Vertriebsnetz um einen hochrelevanten, digitalen Kanal erweitern können und sich andererseits bei derartigen Modellen ein weiterer Marktteilnehmer zwischen sie und den Kunden schiebt. Auf der anderen Seite gibt es auch Herausforderer („Challenger“), also Unternehmen deren Geschäftsmodelle eher kompetitiv gegenüber Versicherern ausgerichtet sind. Sie bieten selbst Versichern, die derzeitige Ineffizienz im Versicherungsmarkt durch Einfachheit, Transparenz und Convenience zu verbessern. Ihr Vorteil ist, dass sie aufgrund ihrer Größe, anderen technischen und strukturellen Voraussetzungen und auch ihrer Offenheit in ihrer unternehmerischen Ausrichtung oft beweglicher und schneller im Markt agieren können.

Chancen und Herausforderungen

 Liegen die Vorteile bei Enablern und Distributoren für Versicherungen noch auf der Hand, wird es bei den sogenannten Challengern vielleicht eher eine „Liebe auf den zweiten Blick“. Diese Geschäftsmodelle sind auf den ersten Blick sicher als direkte Konkurrenz zu betrachten, können sie gerade bei Zielgruppen, die bisher nicht erreicht werden, eine sinnvolle Ergänzung des eigenen Portfolios darstellen. „Co-opetition“ ist hier das zu nennende Prinzip. Dieser Begriff setzt sich aus Cooperation und Competition zusammen und beschreibt ein Verhalten bzw. eine Strategie von Unternehmen, die in bestimmten Wertschöpfungsbereichen Wettbewerber sind und in anderen wiederum als Kooperationspartner agieren. Insbesondere im Bereich der digitalen Versicherer und Assekuradeure sind derartige Strategien zu beobachten. Der Grundgedanke, die Wertschöpfung zu öffnen, Kernkompetenzen anderer Unternehmen integrativ zusammenzuführen und dadurch echte Mehrwerte und neue Erfahrungen für Kunden zu schaffen, ist nicht neu. Doch nie waren die Voraussetzungen dafür besser und die Notwendigkeit größer. Technologische sowie strukturelle Barrieren sinken und die Erwartungshaltung der Kunden, ganzheitliche, passgenaue Angebote und Lösungen zu erhalten, steigt. Gleichwohl müssen etablierte Marktteilnehmer und insbesondere Versicherer auch hier ihre Hausaufgaben machen und die Grundvoraussetzungen in diesen Bereichen schaffen. Die Möglichkeit, nicht nur von Ökosystemansätzen zu sprechen, sondern diese tatsächlich zu entwickeln und zum Leben zu erwecken, scheint dann zum Greifen nah. Dafür müssen auch Versicherer eine Offenheit akzeptieren oder sogar willkommen heißen. Das bewusste Auseinandersetzen mit neuen Geschäftsmodellen und Kooperationsmöglichkeiten sowie die Integration von Supportern bietet eine Möglichkeit, ihre derzeitigen digitalen Schwachstellen zu beheben, von anderen Marktteilnehmern zu lernen sowie das eigene Geschäftsmodell gezielt weiterzuentwickeln.

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