Resilienz: Die Superkraft, sich selbst zu „ertragen“

Betina Kirsch, Geschäftsführerin und Rechtsanwältin beim Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen, verrät im Interview, warum das Thema Resilienz gerade jetzt so aktuell ist und was sich dahinter verbirgt.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Vertrieb & Kunde
Themen:
Kundenmanagement Mitarbeiterentwicklung Arbeitswelten/NewWork
Resilienz: Die Superkraft, sich selbst zu „ertragen“

Unser Arbeitsalltag wird flexibler, aber nicht unbedingt einfacher. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, stetig neue Herausforderungen auf beruflicher und privater Ebene, das alles fordert und nicht jeder Mensch ist diesem Druck gewachsen. Das Schlagwort an dieser Stelle lautet Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit. Die kann man fördern und pflegen, sofern man sich die sieben Säulen der Resilienz ins Bewusstsein ruft. Betina Kirsch, Geschäftsführerin und Rechtsanwältin beim Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen, verrät im Interview, was sich dahinter verbirgt. Zudem wird sie auf dem Messekongress Kundenmanagement in Versicherungen am 21./22. Juni eine Keynote zum Thema halten.

Warum ist Resilienz gerade jetzt ein so wichtiges Thema?

Das Thema Resilienz war schon immer wichtig – heute ist es jedoch auch „anerkannt“, sich mit seinem psychischen Immunsystem zu befassen, ohne dass man in die „esoterische“ Schublade gesteckt wird. Das Stresslevel in unserer Gesellschaft nimmt zu, da Frauen wie Männer heute im Vergleich zu früher mit mehreren Rollen jonglieren: Angefangen bei der beruflich erfolgreichen Mutter, die dabei auch noch entspannt aussieht bis hin zum kümmernden Vater, der die Hausaufgaben mit den Kindern macht und das Essen kocht. Zudem halsen wir uns immer mehr Freizeitprojekte auf, die uns mehr stressen als entspannen. Hier der Marathon, dort die Radtour, Tennis und Klavier für die Tochter, Fußball und Gitarre für den Sohnemann. Die zunehmende Digitalisierung sowie der damit verbundene Anstieg des Wissens machen es uns auch nicht leichter, abzuschalten, da wir in Echtzeit Nachrichten erhalten und permanent am Ball bleiben wollen. Anders als früher lesen wir nicht nur ein Medium, sondern scrollen uns durch sämtliche Nachrichten-Apps. Wenn wir gesundheitliche Probleme haben, googeln wir stundenlang nachts nach Krankheitssymptomen im Netz, obwohl sie am Morgen schon wieder weg sind. Alle diese Aspekte machen uns zu „Getriebenen“ und greifen unser psychisches Immunsystem an.

Beim Messekongress Kundenmanagement in Versicherungen werden Sie über die sieben Säulen der Resilienz sprechen. Was verbirgt sich dahinter?

Untersuchungen zufolge gibt es vereinfacht gesprochen sieben Verhaltensweisen bzw. Grundhaltungen, die dafür ausschlaggebend sind, dass manche Menschen, obwohl sie unter schweren Bedingungen leben, mehr Widerstandskraft besitzen als andere in der gleichen Situation.

Eine der Schlüsselfaktoren ist die Fähigkeit, zu akzeptieren, also im Sinne von: Ich nehmen an, was mir geschehen ist, auch wenn ich es gerne anders gehabt hätte. Insbesondere das Hadern mit der eigenen Vergangenheit und die Aufrechterhaltung destruktiver Gedankenkarusselle nach dem Motto „Was wäre, wenn?“ macht auf Dauer unglücklich. Niemand kann seine Vergangenheit ändern, sondern allenfalls aus ihr lernen. Das ist alles leicht gesagt, aber natürlich nicht so einfach umzusetzen.

Eine weitere wichtige Säule ist die Haltung zu realistischem Optimismus. Keiner kann in die Zukunft gucken – aber für die psychische Gesundheit ist es Gold wert, wenn man seine Denkweise positiv ausrichtet. Und zu einem guten Grad kann jeder sein Denken steuern, auch wenn es anstrengend ist: „Ich habe meinen Vortrag optimal vorbereitet, das Thema liegt mir, meine Präsentation vor dem Vorstand wird sicher gut werden“ anstelle von „Wahrscheinlich habe ich diesmal einen Blackout und laufe rot an“. Leider neigen viele Menschen dazu, sich ständig Sorgen zu machen. Wenn wir mal rückblickend gucken,

wie viele unserer Sorgen berechtigt waren, ist der Anteil verschwindend gering. Wenn man zu negativem Denken neigt, hilft es oft, das Worst-Case-Szenario bis zum Ende durchzuspielen. Der Ausgang ist rational betrachtet oft weniger belastend als die wirren Ängste, die uns in solchen Situationen überkommen.

Selbstwirksamkeit und Verantwortungsübernahme sind ebenfalls wichtige Faktoren. Wer sich als Opfer fühlt, lähmt sich innerlich und fühlt sich als kleines Licht. Für die eigene seelische Gesundheit ist es extrem wichtig, ins Handeln zu kommen und auch zu fühlen, dass eigene Handlungen einen Unterschied machen. Wer bspw. von seinem Partner verlassen wurde und aus dem tiefen Loch nicht mehr herauskommt, dem empfehle ich, Dinge zu unternehmen, die man vorher – auch ohne Partner – gerne gemacht hat. Auch wenn es anfangs schwerfällt, durch das Handeln entstehen langsam wieder gute Gefühle.

Damit im Zusammenhang steht eine weitere essentielle Säule der Resilienz, die sogenannte Zukunftsorientierung. Das Leben findet nach vorne gerichtet statt, so dass es wichtig ist, Pläne zu machen. Es müssen nicht immer große Projekte sein – aber Pläne sind die Basis fürs Handeln und das Erleben von Selbstwirksamkeit, so dass wir uns in der Regel auch schon besser fühlen, wenn wir die Wohnung geputzt haben.

Sich bewusst zu machen, „Ich bin nicht allein“, „Meine Familie, Freunde, Bekannte sind im Worst Case ebenfalls für mich da“, ist eine weitere Resilienzsäule. Gute soziale Kontakte, insbesondere auch stabile Partnerschaften, sind Energiequellen, die uns Kraft geben. Dazu gehört aber auch die Bereitschaft, sein Netzwerk um Hilfe zu bitten und Hilfe anzunehmen, wenn es erforderlich wird. Damit tun sich viele schwer. Hier bedarf es einiger Arbeit mit sich selbst, um eigene destruktive Glaubenssätze wie, „Ich muss immer stark sein“, „Ich darf andere nicht belasten“ zu erkennen und auch zu überwinden.

Was sind einfache Methoden, um die Resilienz der Mitarbeitenden zu erhöhen?

Der Arbeitgeber hat nicht das Steuer, um die Resilienz seiner Mitarbeitenden zu erhöhen. Jeder Mensch ist für seine eigene Resilienz verantwortlich. Der Arbeitgeber kann seine Mitarbeitenden durch Resilienz-Schulungen sensibilisieren und durch eine wertschätzende Unternehmenskultur eine Umgebung schaffen, in der die Mitarbeitenden gerne arbeiten.

Nach meiner Erfahrung gibt es keine „einfache“ und schnelle Methode, seine eigene Resilienz dauerhaft zu steigern. Es ist vielmehr ein stetiger Prozess, in dem es darum geht, nach innen zu gucken, die eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und sich mit seinen Grundhaltungen bzw. Denkmustern auf Basis der genannten Resilienzsäulen auseinanderzusetzen. Aber die Arbeit nach innen lohnt sich allemal – denn Resilienz ist die Basis für ein glückliches und ausgefülltes Leben.