Autonome Agenten: die Zukunft von Generative AI?

Ein autonomer Agent ist ein KI-System, das selbstständig ein Ziel verfolgen kann. Im Beitrag beschäftigen wir uns mit den Chancen und Herausforderungen von autonomen Agenten für die Versicherungswirtschaft.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
KI / AI / künstliche Intelligenz ChatGPT / Generative AI
Autonome Agenten: die Zukunft von Generative AI?

„Bots sind die neuen Apps“, proklamierte Satya Nadella, der CEO von Microsoft, bereits im Jahr 2016 während der Microsoft Build Developers Conference. Während er diese Aussage traf, bezog er sich damals auf Assistenzsysteme wie Cortana. Aber die Vision, die er skizzierte, war weitsichtiger: „Mensch-zu-Mensch-Gespräche, Mensch- zu-digitalen Assistenten, Mensch-zu-Bots und sogar digitale Assistenten- zu-Bots. Das ist die Welt, die Sie in den kommenden Jahren erleben werden.“

Während Cortana, Siri und andere Assistenzsysteme nie den Mehrwert und die Qualität geboten haben, um sich durchzusetzen, erleben wir gerade einen Moment des Umbruchs, dessen Tragweite bisher nicht vollständig zu erfassen ist. Die Entwicklung von Generative AI und Large Language Models hat vorherige Assistenzsysteme bereits weit hinter sich gelassen. Mithilfe von Generative AI können hochwertige Texte verfasst, beeindruckende Bilder und Videos generiert und sogar menschenähnliche Sprache produziert werden. An vielen Stellen sind die von ihr generierten Erzeugnisse kaum von denen eines Menschen zu unterscheiden. Die Qualität und Vielseitigkeit dieser Systeme hat dazu geführt, dass das Thema Generative AI in vielen Branchen, einschließlich der Versicherungswirtschaft, einen prominenten Platz auf der Agenda für die nächsten Monate einnimmt.

Die Geschwindigkeit der Entwicklungen stellt Versicherungsunternehmen in Deutschland vor eine enorme Herausforderung. Und gleichzeitig ist das Ende dieser Entwicklungen längst nicht absehbar. Neben den ohnehin schon vielfältigen Möglichkeiten und Herausforderungen, die durch Generative AI in den letzten Monaten entstanden sind, gesellen sich in hohem Tempo neue Entwicklungen hinzu. Eines dieser Entwicklungsthemen sind autonome Agenten. Sie könnten der nächste große Sprung in dieser Technologie sein. Obwohl sie in der aktuellen Diskussion kaum eine Rolle spielen, besitzen sie das Potenzial, die Versicherungswirtschaft tiefgreifend zu verändern.

Was, wenn diese autonomen Agenten in der Lage wären, Risikobewertungen in Echtzeit durchzuführen? Oder komplexe Versicherungsfälle in Sekundenbruchteilen zu bearbeiten? Die Grenzen dessen, was möglich ist, werden ständig verschoben.

Autonome Agenten: eine tiefere Betrachtung

In der sich ständig weiterentwickelnden Welt der künstlichen Intelligenz stellen autonome Agenten das nächste Kapitel dar. Doch was genau sind sie? Ein autonomer Agent kann als ein KI-System definiert werden, das in der Lage ist, selbstständig ein Ziel zu verfolgen. Dies beinhaltet das Zerlegen einer komplexen Zielstellung in einzelne Aufgaben, das Priorisieren dieser Aufgaben und das Erfüllen einzelner Aufgabenteile. Sobald ein Ergebnis erzielt wurde, kann der Agent neue Aufgaben hinzufügen, bestehende Aufgaben repriorisieren und den Prozess iterativ durchlaufen, bis die endgültige Zielstellung erreicht ist. Sie haben den Vorteil, dass sie auf eine Vielzahl von Ressourcen zugreifen können, sei es das Webbrowsing, der Zugriff auf den eigenen Computer oder die Nutzung von Large Language Models wie GPT-4 für Analysen und Antworten.

Beispielsweise könnte ein autonomer Agent, der für die Risikobewertung zuständig ist, ständig Daten aus verschiedenen Quellen sammeln. Bei der Bewertung eines Kunden könnte dieser Agent mit anderen Agenten kommunizieren, die spezielle Datenbanken oder Analysemodelle betreuen. Gemeinsam könnten sie in Echtzeit eine umfassende Risikoprofilierung erstellen, die auf aktuellen Marktdaten, Verhaltensanalysen und anderen relevanten Faktoren basiert.

Ebenfalls vorstellbar wäre ein autonomer Agent eines Kunden, der mit dem Agenten einer Versicherungsgesellschaft kommuniziert, um einen bestehenden Vertrag zu überprüfen. Sie könnten gemeinsam feststellen, ob es sinnvoll ist, den Vertrag zu verlängern, Anpassungen vorzunehmen oder sogar zusätzliche Versicherungsoptionen hinzuzufügen. Die Kommunikation zwischen den Agenten ermöglicht eine effiziente und maßgeschneiderte Vertragsgestaltung. Der Kunde entscheidet am Ende nur über die Vorschläge, ohne sich um den Prozess kümmern zu müssen.

Autonome Agenten: Unterschiede und Besonderheiten

Doch wie unterscheiden sich autonome Agenten von anderen Technologien, die wir bereits kennen? Zunächst einmal zur Automatisierung: Während Automatisierung oft das Ergebnis festgelegter Regeln und Algorithmen ist, die wiederkehrende Aufgaben ohne menschliches Eingreifen ausführen, sind autonome Agenten in der Lage, ohne vordefinierte Regeln zu arbeiten und ihre Ziele proaktiv zu verfolgen.

Die Unterscheidung zu den aktuellen Anwendungen von Generative AI ist ebenfalls wichtig. Generative KI hat bemerkenswerte Fähigkeiten gezeigt, Inhalte von beeindruckender Qualität zu erstellen, sei es Text, Bild oder Video. Für den Einsatz benötigt es allerdings den Menschen, der die Anwendungen mit konkreten Anweisungen, den Prompts, füttert. Autonome Agenten hingegen sind darauf ausgerichtet, anhand einer vorgegebenen Zielstellung interaktive und zielgerichtete Aufgaben durchzuführen, wobei sie Entscheidungen basierend auf den ihnen verfügbaren Informationen treffen.

Autonome Agenden: Zukunftsmusik oder greifbare Lösung für die Versicherungs-IT

Zurzeit stecken autonome Agenten noch in den Kinderschuhen. Die meisten Initiativen dazu sind Open-Source-Projekte oder Forschungsinitiativen. Beispielsweise haben Forscher der Stanford University eine interaktive Sandbox-Umgebung entwickelt, die von dem Computerspiel „The Sims“ inspiriert ist, um das Potenzial von generativen Agenten zu demonstrieren. Diese Umgebung beinhaltet 25 Agenten mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, Vorlieben, Fähigkeiten und Zielen. Benutzer können beobachten und eingreifen, während die Agenten selbstständig ihren Tag planen, Nachrichten teilen, Beziehungen aufbauen und Gruppenaktivitäten koordinieren. Ein Beispiel für einen solchen Agenten in der Simulation ist Isabella Rodriguez, die Besitzerin des örtlichen Cafés. Ihr Ziel in der Simulation ist es, eine Party am Valentinstag in ihrem Café zu veranstalten. Am Ende der Simulation wussten zwölf der 25 Agenten von der Party. Von diesen zwölf Agenten kamen fünf zur Party, während die anderen sieben aus verschiedenen Gründen nicht teilnahmen.

Während autonome Agenten in der akademischen Welt stark diskutiert werden, beginnen wir in der Wirtschaft die ersten konkreten Implementierungen zu beobachten. Ein markantes Beispiel ist die Veröffentlichung von „Agents for Bedrock“ durch Amazon auf dem AWS Summit in New York im Juli 2023. Dieses Produkt verspricht, die Integration von autonomen Agenten in Geschäftsprozesse zu erleichtern und eröffnet eine neue Ära der Automatisierung, die weit über traditionelle Modelle hinausgeht.

Aktuelle Herausforderungen

Die Vision von autonomen Agenten, die in einer Vielzahl von Bereichen fungieren, von einfachen Assistenten bis hin zu komplexen Entscheidungsträgern, ist faszinierend. Doch bevor diese technologische Entwicklungsstufe massentauglich werden kann, bestehen eine Reihe von Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt:

  • Halluzinieren: Eine der Herausforderungen ist die Zuverlässigkeit von Generative AI. Es treten immer wieder Fälle auf, in denen KI-Systeme falsche Informationen mit hoher Überzeugungskraft liefern. Dieses Phänomen wird als Halluzinieren bezeichnet. Ein Beispiel, welches vielfach in den Medien aufgegriffen wurde, ist der Fall von Steven Schwartz, einem New Yorker Anwalt, der mithilfe von ChatGPT nach Präzedenzfällen suchte und die generierten Fälle ungeprüft vor einem US-Bundesgericht einreichte. Dabei stellte sich heraus, dass keiner der Fälle wirklich existierte. Solche Vorfälle zeigen, dass die Zuverlässigkeit der KI-Anwendungen aktuell noch nicht ausreicht, um Aufgaben ohne den Menschen als Kontrollinstanz an autonome Agenten zu übergeben.
  • Datenschutz und Kontrolle: Bis die Systeme im Bereich der Zuverlässigkeit menschliches Niveau erreichen oder dieses übertreffen, bleibt der Mensch als Kontrollinstanz (Human-in-the-loop) unerlässlich. Auch die Sicherheit ist aktuell ein kritisches Thema, insbesondere wenn autonome Agenten Zugriff auf sensible Daten bekommen. Es ist unerlässlich, dass bei der Entwicklung robuste Sicherheitsmechanismen implementiert werden, um Datenmissbrauch zu verhindern und das Vertrauen der Nutzer zu wahren.
  • Kommunikation: Schließlich ist die Fähigkeit von autonomen Agenten, miteinander zu kommunizieren, sowohl innerhalb einer Organisation als auch zwischen verschiedenen Organisationen, von entscheidender Bedeutung. Dies gewährleistet einen reibungslosen und effizienten Betrieb und ermöglicht es den Agenten, voneinander zu lernen und sich anzupassen.

Während die Entwicklung von autonomen Agenten weiter voranschreitet, müssen diese Herausforderungen angegangen werden, um das volle Potenzial dieser Technologie zu nutzen und gleichzeitig Risiken zu minimieren.

Für die Versicherungsbranche in Deutschland eröffnen sich durch autonome Agenten sowohl immense Möglichkeiten als auch neue Herausforderungen. In einem Sektor, der ständig nach Effizienz und Innovation strebt, könnten autonome Agenten ein Element sein, das den Unterschied ausmacht. Es bleibt abzuwarten, wie diese Technologie die Branche prägen wird. Aber es ist klar, dass die Branche sich auf das Kommen dieser neuen Technologie vorbereiten sollte.