Nachhaltigkeit in der Versicherung – wie die IT etwas beitragen kann

Es gibt viele Stellschrauben, um Nachhaltigkeit zu adressieren. Im Folgenden widmen sich drei IT-Experten der Wirkung der digitalen Transformation.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
Nachhaltigkeit Data Analytics Digitalisierung IT ESG
Nachhaltigkeit in der Versicherung – wie die IT etwas beitragen kann

Klimatische Veränderungen zwingen die meisten Branchen zum Umdenken, so auch die Versicherungsbranche. Nicht zuletzt der Druck der Öffentlichkeit, der Industrie und der Politik erfordern ein Handeln.

  • Umweltveränderungen öffnen in der Produktpalette über „Green Insurance“ neue Chancen.
  • In den Rechenzentren können Versicherer über Cloud Native & Green Coding auf grüne Energie fokussieren.
  • Modernisierungsvorhaben schaffen Voraussetzungen, schnell und ressourcenschonend am Markt zu agieren.

Green Insurance

Green Insurance geht über herkömmliche Versicherungslösungen und -produkte hinaus. Darunter versteht man die Integration von Umweltaspekten und Nachhaltigkeitskriterien in den Versicherungsprozess und -produkte. Sie bietet Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, ihre Umweltrisiken abzusichern, Umweltauswirkungen zu reduzieren und nachhaltige Praktiken zu fördern.

So kann bspw. eine Versicherung für grüne oder nachhaltige Gebäude die Eigentümerinnen und Eigentümer vor spezifischen Risiken schützen, wie die Haftpflichtdeckung von nachhaltigen Gebäudekomponenten oder die Absicherung der Solarmodule auf dem Dach vor finanziellen Schäden durch Sturm und Hagel.

Eine Umweltversicherung gibt den Versicherungsnehmenden die Gewissheit, dass ihre Investitionen abgesichert sind. Außerdem ermutigt sie diese dazu, Nachhaltigkeit zu fördern, indem sie beispielsweise ihre Gebäude instandhalten. Gleichzeitig können Versicherer ihre Angebote an die wachsende Nachfrage nach umweltbewussten Lösungen anpassen und so aktiv nachhaltiges Handeln fördern.

Entschiedet man sich, Green Insurance anzubieten, wird ein entsprechender Grad an Digitalisierung vorausgesetzt. Dazu gehört:

1. Risikobewertung mit Big Data und KI

  • Die digitale Erfassung und Analyse großer Datenmengen ermöglicht präzisere Risikobewertungen.
  • Durch die Nutzung von Kundendaten können Versicherungsprodukte personalisiert werden.
  • In Zusammenspiel mit IoT ist sogar Schadenprävention möglich (Überwachung, Frühwarnsysteme).

2. Datenerhebung mit IoT (Internet der Dinge) und Telematik

  • Umweltdaten in Echtzeit ermöglichen aktuellere Risikobewertungen, präzisere Prämien und bessere Anpassungen der Versicherungspolicen.

3. Digitale Plattformen für Nachhaltigkeitsberatung

  • Spezielle Online-Portale oder Websites bieten Informationen zu den Nachhaltigkeitsinitiativen oder umweltfreundlichen Produkten der Versicherer.
  • Online-Rechner und -Tools bieten Kundinnen und Kunden die Möglichkeit, ihre individuellen Auswirkungen auf die Umwelt berechnen zu können.
  • Mobile Apps bieten Funktionen wie CO2-Tracker, Tipps zur Energieeinsparung oder Anleitungen zum Recycling, um den Kunden nachhaltiges Verhalten im Alltag zu erleichtern.

Cloud Native Insurance & Green Coding

Wussten Sie, dass die IT-Branche heute für drei Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich ist? Damit liegt die IT in der gleichen Größenordnung wie der gesamte Flugverkehr, Tendenz steigend bei dem aktuell anhaltenden Wachstum. Konkret verantwortlich für die Emissionen sind die Rechenzentren.

Um den Ressourcenverbrauch in den Rechenzentren zu verbessern, kann man einerseits den Verbrauch selbst reduzieren. Moderne Cloud-Native-Anwendungen lassen sich modular aufbauen und schnell skalieren. So kommen sie mit deutlich weniger Ressourcen aus als herkömmliche Anwendungen.

Andererseits kann man sich den Strommix ansehen und die CO2-Bilanz auf diese Weise verbessern. Dank Diensten wie „Electricity Maps kann minutengenau der Strommix je Region abgefragt werden. Mit diesen Informationen kann z.B. Workload-Shifting betrieben werden.

  1. Ist in der aktuellen Region gerade viel Kohlestrom im Strommix?
    Services werden auf Rechenzentren in anderen Regionen mit besserem Strommix verlegt.
     
  2. Ist zur Zeit der Strommix nicht ideal, aber man kann ihn nicht auf andere Regionen schieben?
    Dann kann man ausgewählte Workloads auf Uhrzeiten verlegen, wo die Nachfrage nach Strom niedriger, bzw. der Anteil an Ökostrom höher ist.

Mit geschickter Verteilung lässt sich so eine Verbesserung in der CO2-Bilanz erzielen. Die Wirksamkeit dieser Techniken werden wir in kommenden Jahren sehen.

Host-Migration/Modernisierung

Es gibt immer noch viele Versicherungsanwendungen mit einem Host als Plattform. Oftmals sind diese in Sprachen geschrieben, für die die Pflege und Anpassung der Anwendungen mittel- und langfristig schwierig ist. So gehen aktuelle Mitarbeitende in Rente, neue z. B. mit PL/I-Kenntnissen, sind schwer zu finden. Dieser Umstand ist oft ein Treiber für eine Migration/Modernisierung der Software, um die Anwendung nachhaltig weiter erfolgreich betreiben zu können.

Eine Modernisierung kann auch genutzt werden, um die ökologische Nachhaltigkeit der Anwendungen zu verbessern. Wie das erreicht werden kann, ist abhängig von dem Vorgehen für eine Modernisierung:

  1. Einsatz eines kompatiblen Compilers: Die Anwendung wird übersetzt, damit sie z. B. unter Linux statt auf dem Host-System läuft. Dies kann mit nativen, aber auch mit Crosscompilern, beispielsweise von Cobol nach Java, durchgeführt werden.
  2. Neu-Implementierung der Anwendung in einer modernen Sprache für eine moderne Betriebsplattform

Beide Möglichkeiten erlauben es, die nachhaltigen Perspektiven einer ökologisch betriebenen Cloud-Infrastruktur zu nutzen (siehe hierzu auch vorheriges Kapitel).

Bei der ersten Vorgehensweise unterbleibt die Modernisierung der Anwendung selbst und es besteht die Gefahr, dass die erreichte Verbesserung des ökologischen Fingerabdrucks durch andere Skaleneffekte, wie beispielsweise durch Alterung oder Vergrößerung des Bestandes, wieder zunichte gemacht wird.

Bei beiden Vorgehensweisen ist auf Green-Coding zu achten: Werden zum Beispiel Copy-Books vom Host einfach in JSON-Strukturen übersetzt und zwischen Services hin und her gesendet, so würde der Energieverbrauch für diese Operation im Vergleich zum Originalsystem stark ansteigen. Das Laufzeitverhalten, bspw. bei langlaufenden Batches, kann sich dann gegenüber dem Originalsystem verschlechtern.

Host-Migration und Modernisierung können zur ökologischen Nachhaltigkeit beitragen. Diese Aspekte können bewusst und aktiv in das Vorhaben einbezogen werden.

Fazit

Es gibt eine ganze Menge zu tun, auch für die IT, um sich zukunftsorientiert auszurichten. Die Nachhaltigkeit fördert neue Chancen zutage: So kann die Produktpalette überarbeitet werden, Cloud-Technologien fördern grüne Energien und die Modernisierung veralteter Systeme schafft ebenfalls Voraussetzungen für die Zukunftsfähigkeit wie auch Energieeffizienz. Mit jedem Projekt wird nicht nur das gesunde Fortbestehen der Versicherung gesichert, sondern auch ein Beitrag zum gesamtgesellschaftlichen Wohlergehen geleistet.

Was nehmen Sie sich vor?

 

Das Autorentrio:

Bodo Lemmhuis
Bodo Leemhuis
Lead Mobile Developer
it-economics
Leemhuis ist Lead Mobile Developer bei it-economics und verfügt über mehr als zehn Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Integration von komplexen IT-Systemen. Bei der it-economics treibt er außerdem Nachhaltigkeit-Themen.
Matin Schmidt
Martin Schmiedel
Tech Lead
it-economics
Schmiedel ist Tech Lead des Karlsruher Standorts bei it-economics und hat über 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von komplexen Anwendungen, besonders im Finanzbereich. Er brennt für effiziente Cloud-Native-Lösungen.
Matthias Maag
Matthias Maag
Senior Projekt Manager
it-economics
Maag ist Senior Projekt Manager bei it-economics und ist seit 25 Jahren in IT-Projekten in der Finanzbranche tätig. Sein Fokus liegt auf Modernisierungsprojekten und Testautomatisierung.