Auswirkungen der Coronakrise auf das Risikomanagement und Kapitalanlageentscheidungen
Über den Digitalisierungsschub, den Corona branchenübergreifend beflügelt hat, wurde bereits viel geschrieben und diskutiert. Die Auswirkungen der Pandemie sind jedoch sehr facettenreich. Der Wunsch nach Sicherheit ist in der Bevölkerung gewachsen, die Akzeptanz des Homeoffice hat deutlich zugenommen und auch das Risikomanagement von Versicherungsunternehmen wird die Auswirkungen der Krise langfristig spüren.
Die mehrdimensionale Betrachtung einer Pandemie im Risikomanagement
Einen sehr spannenden Einblick zu den Auswirkungen auf das Risikomanagement gab es zur Fachkonferenz „Risikomanagement & Kapitalanlage in Versicherungen“ u. a. von Thomas Pfeifer, Fachexperte qualitatives Risikomanagement bei der Wüstenrot & Württembergische AG. Er betonte, wie wichtig es ist, sich auf Krisen vorzubereiten. „Der Zeitpunkt kann überraschen, das Ausmaß jedoch nicht. Das gilt auch für die Klimakatastrophen.“ erläuterte Pfeifer. Seiner Ansicht nach wurde vor der Krise eine Pandemie risikotechnisch eher eindimensional betrachtet. Gezeigt hat sich während der Corona-Pandemie jedoch, dass alle Risikobereiche betroffen waren – positiv wie negativ. So fielen im Sachbereich die Betriebsschließungen besonders ins Gewicht, wohingegen die geringe Schadenquote im Kfz-Bereich positiv für die Branche ausfiel. Im Kapitalmarkt war die Pandemie durch den Konjunktureinbruch deutlich spürbar. Es handelte sich um den größten Einbruch der Nachkriegsgeschichte. Auch die Zinsrendite befand sich auf einem historischen Tief.
Nach Analyse des IWF (Internationaler Währungsfonds) unterscheidet sich die Pandemie von anderen Geschehnissen in Intensität (plötzlich und weltweit), Unsicherheit (Dauer und Variation der Pandemie), Ausstrahlung (hohe Divergenz in Betroffenheit) und Reaktion (Eingriffe durch Politik und Notenbanken).
Krisen lassen sich Pfeifer zufolge nicht verhindern, wohl aber deren Auswirkungen einschätzen. Bereits jetzt können Annahmen getroffen werden, auf was es sich einzustellen gilt. Stresstests und mehrdimensionale Szenarioanalysen sind wichtige Instrumente, um das Risikomanagement krisenfest zu machen. Auch die stetige Beobachtung von Markvolatilitäten und Zahlungsströmen gehören zu dem Maßnahmenpaket dazu.
Kapitalanlageentscheidungen unter dem Einfluss der Corona-Pandemie
Im Vortrag von Gianni Hirschmüller, Leiter Kapitalanlagemanagement bei Die Haftpflichtkasse VVaG, sind wir tief in die Anlegerpsychologie abgetaucht. Über die verhaltensorientierte Finanzmarkttheorie „Behavioral Finance“ hat der Referent das Entscheidungsverhalten von Anlegern erläutert. Jeder Mensch ist durch Erfahrungen, Wissen und Marktgeschehen vorbelastet. Bei der Entscheidungsfindung muss man jedoch mehrere Perspektiven einnehmen, denn was für den einen chancenlos wirkt, bietet einem anderen unterschiedliche Handlungsoptionen. Die Entscheidungen gründen auf einer selektiven Informationswahrnehmung – dessen muss man sich bewusst sein. Diese Vorbelastung wirkt sich auf die Interpretation von Ereignissen aus. Wie sich eine solche Vorbelastung auswirkt, hat sehr schön die Investorenumfrage gezeigt, die die Haftpflichtkasse Ende 2020 mit den Versicherungsforen Leipzig durchgeführt hat. In dieser wurde erhoben, inwieweit die Investoren Finanzmarktentwicklungen unter Corona richtig vorhergesagt haben. Es hat sich am Ende gezeigt, dass es eine hohe Rate an Fehleinschätzungen gab und die Betrachtung sehr einseitig stattgefunden hat. Sinnvoll ist das Ausloten der gegenwärtigen Positionierung. Man sollte dabei nicht nur das eigene Handeln hinterfragen, sondern auch schauen, ob die Marktmeinungen polarisiert sind. Zudem hat Hirschmüller darauf hingewiesen, dass Meinungen sich auch revidieren lassen.
Die nächste Fachkonferenz Risikomanagement und Kapitalanlage in Versicherungen findet am 23./24. Juni 2022 statt. Wir freuen uns schon jetzt wieder auf spannende Praxiseinblicke, Expertendiskussionen und einen gelungenen Austausch unter Kollegen.