FiDA & Open Insurance: Der Weg in eine vernetzte Versicherungszukunft
Die kommende FiDA-Verordnung und Open Insurance sind mehr als nur Regulierung – sie sind der Startschuss für eine vernetzte Versicherungszukunft, in der Produkte nahtlos in den Alltag der Kunden integriert werden.

Die Versicherungsbranche steht unter erheblichem Wandlungsdruck, der insbesondere durch technologischen Fortschritt und veränderte Kundenerwartungen bedingt ist. Daten spielen dabei eine zentrale Rolle, um Kundenbeziehungen zu stärken und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Während klassische Versicherungsprodukte oft als komplex und kundenfern wahrgenommen werden, bietet die zunehmende Digitalisierung eine Chance, diesen Eindruck zu verändern und das Kundenerlebnis zu verbessern.
Hier könnten Open Insurance und die erwartete FiDA-Verordnung einen entscheidenden Mehrwert liefern. FiDA verpflichtet Finanzinstitute, einschließlich Versicherungen, ihre Kundendaten standardisiert Dritten zur Verfügung zu stellen. Dies ebnet den Weg für einen offenen Datenaustausch, der neue Geschäftsmöglichkeiten und eine stärkere Kundenorientierung ermöglicht. Jedoch reicht ein technologisches Grundgerüst allein nicht aus – der tatsächliche Nutzen wird erst dann realisiert, wenn Versicherer die Bedürfnisse ihrer Kunden und Kundinnen verstehen und durch gezielte Kooperationen mit Partnern innovative Antworten auf diese entwickeln.
Open Insurance: Transparenz und Kollaboration in einer vernetzten Welt
Das Konzept von Open Insurance basiert auf dem offenen Austausch von Daten zwischen Kunden, Versicherern und Drittanbietern. Diese Offenheit mag auf den ersten Blick im Widerspruch zur mühsam aufgebauten Datenhoheit der Versicherungsunternehmen stehen. In einer Welt gesättigter Märkte wäre diese Annahme auch zutreffend, aktuell steht jedoch vielmehr die Generierung neuer und zusätzlicher Wettbewerbsvorteile für die Versicherungswirtschaft im Vordergrund, insbesondere durch die Nutzung von Daten über die eigene Kundengruppe hinaus. Durch die bewusste Verwendung dieser Daten können neue Wertangebote und Vorteile für Kunden geschaffen werden.
Open Insurance hat sich in den letzten Jahren von einem „zarten Pflänzchen“, wie es Julius Kretz, Vorstand der Free Insurance Data Initiative (FRIDA e.V.), vor gut sechs Jahren bezeichnete, zu einem soliden Konzept entwickelt. Der standardisierte Austausch von versicherungsbezogenen Daten über eine Application Programming Interface (API) – oder auch Programmierschnittstelle – steht dabei im Mittelpunkt. Diese Schnittstellen ermöglichen es, Versicherungserlebnisse konsequent aus der Kundenperspektive zu gestalten. So können etwa durch Echtzeit-Daten personalisierte Produkte und präzisere Risikobewertungen realisiert werden. Der Kunde profitiert von höheren Mehrwerten und einem nahtloseren Service.
Daten sind eine wichtige Quelle für Innovation und Wachstum. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, betonte Ende 2022, dass der „Datenzugang bei Finanzdienstleistungen zu den wichtigsten neuen Initiativen für 2023 gehört“. Die im Juni 2023 veröffentlichte FiDA-Verordnung ist der nächste logische Schritt in Richtung einer digitalen und kundenzentrierten Finanzwelt. Sie schafft die regulatorischen Voraussetzungen, indem sie verbindliche Standards für den Datenzugang und -austausch definiert. Seit April 2025 laufen die finalen Trilog-Verhandlungen zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der EU-Kommission. Bei den Trilog-Verhandlungen handelt es sich um informelle Gespräche, mit dem Ziel, einen Kompromiss bei neuen Gesetzesvorschlägen zu finden. Wann FiDA in Kraft tritt, ist nicht bekannt. Experten rechnen jedoch damit, dass dies noch in 2025 erfolgen kann und anschließend innerhalb von 24 Monaten umgesetzt werden muss.
Versicherer sollten FiDA daher nicht als bürokratische Hürde sehen, sondern als Hebel, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern und den Wandel hin zu datengetriebenen Geschäftsmodellen aktiv mitzugestalten. Durch die Kombination von technologischen Möglichkeiten und einem tiefen Verständnis der Kundenbedürfnisse kann die Versicherungsbranche dem Wandelungsdruck erfolgreich begegnen. Open Insurance und die FiDA-Verordnung bieten hierfür den einheitlichen Rahmen und definieren die notwendigen Werkzeuge.
Open Insurance trifft Verhaltensökonomie: Chancen für eine kundenzentrierte Zukunft
Die Versicherungsbranche steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits fördern digitale Tools wie generative KI eine stärkere Eigenständigkeit der Kunden, andererseits steigen die Erwartungen an maßgeschneiderte Produkte, Beratungen und Vertriebsmodelle. Dieser Fortschritt verlangt nicht nur innovative Lösungen, sondern auch ein hohes Maß an Verantwortung, um hohe Datenschutz- und Ethik-Standards zu gewährleisten. Insbesondere der Umgang mit Kundendaten erfordert eine sorgfältige Abwägung zwischen Nutzen und Vertrauen.
Die Studie von Grassi (2024) zum Thema Open Finance untersucht, wie bereit Kunden sind, ihre persönlichen Daten mit Versicherern zu teilen, wenn dafür klare Vorteile entstehen. Sie zeigt, dass finanzielle Anreize, wie individuell angepasste Versicherungsprämien, eine entscheidende Rolle spielen. Während weniger sensible Daten wie Informationen zum Fahrstil oder zur Haussicherheit oft bereitwillig geteilt werden, bleibt die Bereitschaft bei sensibleren Daten – wie sozialen Netzwerk- oder Familieninformationen – auch bei attraktiven Belohnungen gering. Entscheidend ist also, den wahrgenommenen Datenschutz mit einem klar erkennbaren Mehrwert auszubalancieren.
Spannend ist, dass die Bereitschaft zur Datenteilung stark von persönlichen Merkmalen abhängt. Innovativere und digital-affine Kundinnen und Kunden zeigen sich besonders offen für datengetriebene Services, ebenso wie jüngere Menschen und solche mit höherer Bildung. Insbesondere die junge Generation als Zielgruppe der Zukunft zeigt eine wachsende Offenheit für solche Ansätze, sofern der nutzenstiftende Gegenwert klar kommuniziert und erlebbar gemacht wird. Ältere Kunden und solche mit weniger Innovationsbezug sind hingegen zurückhaltender. Dies birgt auch Risiken: Kunden, die ihre Daten nicht teilen möchten oder können, könnten benachteiligt werden. Dies könnte zu verzerrten Datenanalysen und einer neuen Form finanzieller Ausgrenzung führen. Die Versicherungsbranche steht daher in der Pflicht, nicht nur innovative Lösungen zu entwickeln, sondern auch einen verantwortungsvollen Umgang mit Kundendaten zu gewährleisten. Ebenfalls bleibt es bis zur eigentlichen Umsetzung von FiDA unklar, wie umfangreich die eigenen Kunden künftig tatsächlich bereit sein werden, die Möglichkeit des Datenaustauschs zu nutzen. Die potenziellen Vorteile für Versicherungen überwiegen jedoch: Versicherer können die aus Daten gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um zielgerichtete Anreize zu schaffen und datengestützte Angebote noch passgenauer zu gestalten. Durch segmentierte Ansprachen könnten zudem die Kosten der Datenakquise gesenkt und dennoch qualitativ hochwertige Informationen gewonnen werden.
Statt isolierter Produktentwicklung nach dem Leitsatz „Das Labor ist unsere Welt“ rückt nun ein neuer Ansatz in den Fokus: „Die Welt ist unser Labor“. Dieser Perspektivwechsel betont kollaborative Innovationsansätze und eine konsequente Kundenzentrierung. Unternehmen müssen Vertrauen aufbauen, den Kunden ins Zentrum ihres Handelns stellen und Daten gezielt als Instrument für Fairness und Optimierung einsetzen – nicht, um zusätzliche Hürden zu schaffen.
Embedded Insurance: Versicherungen, die mit dem Leben verschmelzen
Die Weiterentwicklung von Open Insurance und die Unterstützung durch die FiDA-Verordnung schaffen die ideale Basis für Embedded Insurance – ein Konzept, bei dem Versicherungsprodukte nahtlos in alltägliche Prozesse der Kunden integriert werden. Versicherungen werden hier nicht mehr als separate Angebote wahrgenommen, sondern verschmelzen mit anderen Produkten oder Dienstleistungen. Dies erhöht ihre Relevanz und verringert gleichzeitig die Hürden für den Abschluss.
Ein Beispiel für ein FiDA-kompatibles Embedded-Insurance-Modell ist die Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Banken im Rahmen von Baufinanzierungen. Wenn ein Kunde eine Hypothek für ein Eigenheim abschließt, könnte ihm im selben Prozess automatisch eine passende Gebäudeversicherung angeboten werden. Dank des standardisierten Datenaustauschs über FiDA können Versicherer in Echtzeit personalisierte Angebote erstellen und direkt in die digitalen Prozesse der Bank integrieren.
Der Mehrwert für Versicherer liegt in der Erschließung neuer Vertriebskanäle und der Möglichkeit, spezifischere Risikomodelle zu entwickeln. Durch die Integration in bestehende Finanzprozesse können Versicherer ihre Produkte gezielt dort platzieren, wo der Bedarf am höchsten ist – genau im Moment der Entscheidung. Gleichzeitig wird die Kundenbeziehung gestärkt, da Versicherer nicht mehr nur als Anbieter von Policen, sondern als Teil einer ganzheitlichen Lösung wahrgenommen werden.
Embedded Insurance steht somit für eine konsequente Kundenzentrierung. Indem Versicherungsprodukte dort angeboten werden, wo sie benötigt werden, wird der Abschluss intuitiver und komfortabler. Durch den Zugriff auf Echtzeitdaten können Versicherer außerdem ihre Risikokalkulationen verbessern und ihre Produktpalette dynamisch anpassen, was zu höherer Effizienz und Kundenzufriedenheit führt.
Dieses Modell zeigt, wie FiDA und Open Insurance den Wandel in der Versicherungsbranche vorantreiben können. Embedded Insurance bietet Versicherern die Möglichkeit, ihre Rolle im Leben der Kunden zu festigen, neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen und gleichzeitig die Effizienz und Attraktivität ihrer Produkte zu steigern.