Kundenzentrierung bei der VKB – Experteninterview mit Frank Pöhlmann

Frank Pöhlmann vom Customer Excellence Lab der Versicherungskammer Bayern ist immer nah am Kunden. Mit ihm sprachen wir über Kundenzentrierung und wie die VKB diese realisiert.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Vertrieb & Kunde
Themen:
Kundenmanagement Beschwerdemanagement
Kundenzentrierung bei der VKB – Experteninterview mit Frank Pöhlmann

Frank Pöhlmann vom Customer Excellence Lab der Versicherungskammer Bayern ist immer nah am Kunden. Er schaut sich Prozesse an, stellt Schreiben und Formulare auf den Prüfstand, unterstützt Kollegen bei der Kundenfokussierung und geht in den direkten Austausch mit den Kunden. Pöhlmann hat den Menschen stets im Fokus und über seine langjährige Tätigkeit in der Versicherungsbranche bereits einige spannende Erkenntnisse gewonnen. Darüber sprechen wir mit ihm im Interview – aber auch über Herausforderungen und den Weg der VKB zu mehr Kundenzentrierung.

Was ist die Aufgabe des CX-Labs?

Man kann uns als professionelle Kundenversteher und Treiber für am Kunden ausgerichteter Innovationen, Services und Produkte des Konzerns Versicherungskammer verstehen. Wir haben den Auftrag, die Stimme des Kunden in den Konzern zu tragen und gleichzeitig unsere Kolleginnen und Kollegen dabei zu unterstützen, ihre Aufgabenerfüllung immer stärker an Kunden und ihren Bedürfnissen auszurichten. Dabei verfolgen wir drei Stoßrichtungen: Zum einen führen wir Kundenreisetransformationen durch. Das sind in der Regel zwei- bis viermonatige Projekte mit denen wir ein bestimmtes Kundenanliegen, z. B. „Ich möchte einen Kfz-Schaden erstattet bekommen“ in den Fokus nehmen. Dabei untersuchen wir jeden einzelnen Schritt, den der Kunde mit, aber auch ohne uns, durchleben muss, bis sein Anliegen erledigt ist und suchen nach innovativen Lösungen, um das gesamte Kundenerlebnis so positiv wie möglich zu gestalten. Unseren zweiten Aufgabenschwerpunkt nennen wir „CX-Services“. Darunter verstehen wir unsere Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Organisationseinheiten oder Projekte des Konzerns. z. B. moderieren und gestalten wir Workshops oder Design Sprints, um innovative und kundenzentrierte Lösungen zu entwickeln oder unterstützen dabei, die Stimme des Kunden durch Interviews, Fokusgruppen oder User-Tests einzuholen. Zuletzt haben wir als dritten Aufgabenschwerpunkt die „CX-Academy“ mit der wir Kolleginnen und Kollegen befähigen, kunden- oder anwenderzentriert zu denken, die Perspektive zu wechseln und kreativ sowie innovativ zu arbeiten. Dazu führen wir u. a. Schulungsprogramme rund um das Design Thinking Framework durch und geben Methodik sowie Instrumente zum kundenzentrierten Vorgehen weiter.

Ihr geht aktiv in den Austausch mit Kunden und Nicht-Kunden, um diese besser kennenzulernen. Welche Erkenntnisse habt ihr aus diesen Gesprächen gezogen?

Die erste und wichtigste Erkenntnis für uns war, dass wir von Kunden mit offenen Armen empfangen werden, wenn wir sie zum Dialog einladen. Das spiegelt wider, dass Kunden nur sehr selten Gelegenheit haben, mit einem Mitarbeitenden aus der „Zentrale“ intensiv über ihre Erfahrungen und Wünsche zu sprechen. Im normalen Tagesgeschäft erleben sie größtenteils anlassbezogene Kontakte, die aufgrund der Masse stark auf Effizienz ausgerichtet sind. Kunden werden dadurch zum „Produktionsmittel“ der „Versicherungsfabrik“. Dieses Gefühl, nur eine Nummer unter vielen zu sein, steht im Gegensatz zur natürlichen Selbstwahrnehmung des Menschen. Die Kunden verstehen unser Gesprächsangebot als persönliche Wertschätzung und ergreifen diese Chance deshalb sehr gerne.

Generell müssen wir feststellen, dass Versicherungen immer noch als eine Art „notwendiges Übel“ wahrgenommen werden. Es ist uns als Branche noch nicht ausreichend gelungen, unsere wichtige Rolle beim Erhalt der Lebensqualität und Absicherung des Wohlstandes zu vermitteln. Das verschärft sich dadurch, dass wir, besonders aus der Sicht junger Kunden, in einer Gesellschaft leben, in der Risikofaktoren systematisch durch Aufklärung, Regeln und Standards so gut es geht, eliminiert werden. Ob es nun Assistenzsysteme im Auto, Sicherheits- und Warnsensorik in den Gebäuden, Überflutungsflächen oder auch unsere Gesundheitsstandards sind. All das vermittelt dem Einzelnen ein Gefühl von Sicherheit. Schadenereignisse erlebt man immer seltener persönlich. Diese finden vielmehr als abstrakte Medienereignisse statt. Ohne persönliche Betroffenheit fehlt deshalb, gerade bei jungen und Menschen mittleren Alters, ein „gesundes“ Risikobewusstsein oft komplett. Kürzlich erst hat ein 40 jähriger Kunde in einer Fokusgruppe ein treffendes Statement dazu abgegeben: „Als junger Mann fühlte ich mich unsterblich. Was hätte ich also versichern sollen? Und ganz ehrlich, eigentlich fühle ich mich immer noch so…“.  Das ist für uns vertrieblich gerade bei dieser Zielgruppe eine riesige Herausforderung und macht es umso wichtiger, Mehrwerte und Zusatzerlebnisse zu bieten, die diesen Kunden das Gefühl geben, nicht „sinnlos“ versichert zu sein.

Nicht überraschend, aber in seiner Konsequenz doch unerwartet, war für uns auch, welch große Rolle Transparenz für unsere Kunden (aber auch für „Noch-nicht-Kunden“) in ihrem Verhältnis zum Versicherungsunternehmen oder Vertriebspartner spielt.

Transparenz hat sich also als besonders wichtig erwiesen. Was versteht der Kunde unter Transparenz?

Das ist sehr vielschichtig und umfasst eigentlich jeden Aspekt der Kundenbeziehung bis zum Vertragsende. Bei jungen Kunden geht das sogar noch weiter, da für diese Zielgruppe, im Gegensatz zu früheren Generationen z. B. auch wichtig ist, wo das Versicherungsunternehmen „ihre“ Beitragsgelder investiert – also auch Transparenz über geschäftspolitische Entscheidungen einfordert. Das ist für die Branche neu, da sich frühere Generationen damit nicht auseinandergesetzt haben. Die wichtigsten Transparenzbedarfe entstehen aber natürlich im Rahmen der normalen Geschäftsbeziehung zwischen uns und unseren Kunden. Die Kunden wollen zunächst „verstehen“, um auf Augenhöhe mit uns sprechen und verhandeln zu können. Kunden wollen aber auch wissen, was wir tun. Zum Beispiel bei der Abwicklung von Schäden. Der Kunde reicht seine Belege bei uns ein und in diesem Moment beginnt seine „innere Geduldsuhr“ zu ticken. Er hat ja schließlich mit seinen Belegen „Geld“ an uns geschickt. Eher früher als später stellt er sich Fragen: Hat die Versicherung meine Rechnungen überhaupt erhalten? Ist etwas nicht in Ordnung? Wo bleibt denn die Überweisung? Und dann ruft er an, um sich Transparenz zu verschaffen. Gleiches gilt, wenn wir beispielsweise mitteilen, dass ein Gutachter eingeschaltet wird oder weitere Unterlagen benötigt werden. Für uns ist das vielleicht einfach nur ein Bearbeitungsstandard, aber wenn die Kunden darüber im Ungewissen bleiben, beginnen sie sich die schlimmsten Dinge auszumalen. Und was machen sie dann? Anrufen, Anwälte einschalten, Beschwerden schreiben. Also Handlungen, die Aufwand und Kosten verursachen und eigentlich nicht nötig wären, wenn wir ihnen von Anfang proaktiv die nötige Transparenz bieten würden. Denn auch das ist eine Erkenntnis: Die Kunden sind durchaus bereit, auch vermeintlich „Unangenehmes“ zu akzeptieren, wenn man es ihnen deutlich und vor allem nachvollziehbar erklärt. 

Wie und wo schafft ihr Transparenz?

Ein fast schon überstrapazierter Begriff ist da beispielsweise der Statustracker. Hier haben die Logistiker mit der digitalen Sendungsverfolgung einen branchenübergreifenden Benchmark gesetzt. Aber auch wir sind heute in der Lage, unseren Kunden in einer App oder im Kundenportal den Bearbeitungsstand seines Vorgangs anzuzeigen. Wir setzen zudem weiter auf digitale Lösungen, um den Kunden mehr Informationen und Hintergründe zur Verfügung stellen zu können, denn analog ist das aufgrund der Menge kaum machbar. So arbeiten wir an Auskunftssystemen in der Krankenversicherung, die in der Lage sind, Informationen zu tausenden von Arzneimitteln, Diagnosen oder Therapien zur Verfügung zu stellen. Wir arbeiten aber natürlich auch daran, für unsere Kunden verständlicher zu werden. Dazu überarbeiten wir unsere Standard-Schreiben oder das Wording in unseren Online-Formaten. Und das ist ganz schön herausfordernd, wenn man ein Kind der Branche ist, für den Fachbegriffe sozusagen „Muttersprache“ sind. Umso wichtiger ist es, die Kunden dabei einzubinden. Ein schönes Bespiel dafür war ein Schadenmeldedialog, den wir online angeboten haben. Eigentlich eine gute Sache für den Kunden, aber kaum jemand hat ihn genutzt. Als wir uns damit auseinandersetzten, haben wir festgestellt, dass sehr viele Kunden die Schadenmeldung bereits bei Frage zwei abgebrochen haben. Grund dafür war, dass wir gefragt haben, ob der Kunde einen Kasko- oder einen Haftpflichtschaden melden möchte. Kunden denken aber nicht so. Kunden denken: „Mir ist ein Reh ins Auto gelaufen und jetzt ist mein Auto verbeult und die Scheibe zersplittert.“ Es ist dann unsere Aufgabe, diese Information zu nutzen, um die versicherungstechnisch korrekte Zuordnung vorzunehmen.

Im Vortrag auf dem Messekongress Kundenmanagement in Versicherungen haben Sie betont, dass das Optimierungspotenzial endlich ist. Was bedeutet das für die Versicherungskunden und die Versicherer?

Diese Aussage im Vortrag bezog sich auf den Zufriedenheits- und Hygienefaktor „Schnelle Bearbeitung“. Jeder Mensch möchte, dass sein Anliegen so schnell wie möglich bearbeitet wird. Niemand wartet gerne. Schnelle Bearbeitung ist der kleinste gemeinsame Nenner aller Kunden. Natürlich haben auch Versicherer schon vor Urzeiten gemerkt, dass Verzug bei der Bearbeitung zu Kundenreaktionen und damit zu mehr Aufwand führt. Schnelle Bearbeitung sicher zu stellen, bedeutete aber auch hohen Personaleinsatz und hohe Kosten für die Unternehmen. Deswegen hat sich die Branche schon immer sehr stark darauf fokussiert, die Bearbeitungsprozesse effizient zu gestalten und vor allem in den letzten zehn bis 15 Jahren große Anstrengungen unternommen, um immer mehr Prozesse zu digitalisieren und zu automatisieren. Nach dem Motto: „Wenn wir unnötige Anrufe und Beschwerden vermeiden wollen, müssen wir schneller und effizienter werden“. Was wir aber noch nicht wirklich realisiert haben, ist, dass wir damit nur an Symptomen rumdoktern. Wir haben natürlich Anerkennungsschreiben von Kunden erhalten, wenn wir die Bearbeitungszeiten wieder einmal deutlich reduziert hatten, aber die Kunden haben sich auch schnell daran gewöhnt und reagierten sofort mit Nachfragen und Beschwerden, wenn wir dann im Einzelfall mal länger gebraucht haben - selbst wenn das immer noch schneller als „früher“ war.  In Konsequenz bedeutet das, dass, wenn wir vielleicht irgendwann in der Lage sind, in einer logischen Sekunde zu erstatten, die Kunden sich auch daran gewöhnen werden und dann bereits nach einer Stunde Verzug mit Nachfragen reagieren. Und wie will man Kunden dann noch begeistern? Wie soll man dann die Beschwerden vermeiden? Schneller wären wir schließlich nur noch, wenn wir Rechnungen erstatten, die noch gar nicht eingereicht wurden. Deshalb glaube ich, dass es für die Branche dringend nötig ist, neben der „schnellen Bearbeitung“ auch andere Kundenbedürfnisse in den Fokus zu nehmen, deren Befriedigung nachhaltiger wirken und von den Kunden durch langanhaltende Zufriedenheit, höhere Empfehlungsbereitschaft und andauernder Loyalität belohnt würde.