Mit Data Analytics zu besseren Klimavorhersagen

Im Interview gibt Daniel Merk von A4I Leipzig einen Einblick in ein Projekt zur Klimafolgeabschätzung und deren Relevanz für Versicherer

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Analytik & IT
Themen:
Data Analytics
Mit Data Analytics zu besseren Klimavorhersagen

Zukünftig müssen alle Landkreise in Deutschland eine Klimafolgeabschätzung für ihre Region für die nächsten 80 Jahre erarbeiten. Diese gilt als Basis für die Abschätzung von zukünftigen Folgen für Natur und Wirtschaft. Unsere Schwestergesellschaft, die A4I Leipzig, beschäftigt sich zusammen mit der Mellon Gesellschaft für nachhaltige Infrastruktur in einem aktuellen Projekt für den Landkreis Oder-Spree mit einer Klimafolgeabschätzung. Der Landkreis Oder-Spree ist schon heute stark vom Klimawandel betroffen, was sich in übermäßig starker Trockenheit und Hitze äußert. Anfang Mai ist das Projekt gestartet. Daniel Merk, Data Analyst bei A4I Leipzig, gibt einen Einblick in den aktuellen Stand und erste Erkenntnisse.

Was genau versteht man unter einer Klimafolgeabschätzung?

Im Prinzip geht es darum, verschiedene Klimaszenarien in die Zukunft zu projizieren und zu bewerten, wie bestimmte Parameter darauf Einfluss haben. Für den Landkreis werden wir jetzt also in die Zukunft schauen: in die nahe Zukunft von 2031 bis 2070 und in die ferne Zukunft von 2071 bis 2100, oder sogar bis ans Ende des Jahrhunderts. Wir analysieren, wie sich die aktuellen Entwicklungen rund um das Klima, z.B. Ausstoß von CO2 und Methan etc., im Landkreis Oder-Spree ganz konkret auswirken, und zwar bezogen auf verschiedene Fokusbereiche wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei oder auch auf die Stadtentwicklung. Dem Landkreis dienen die Informationen dazu, Maßnahmen abzuleiten, um sich den Entwicklungen anzupassen.

Also im Sinne von Prävention?

Es geht hier weniger um Prävention im Sinne von Klimaschutzmaßnahmen, sondern eher um die Frage, wie beispielsweise die Landwirtschaft angepasst werden kann, wenn noch mehr Trockenheit und Hitzewellen zu erwarten sind. Mehr Grünstreifen sind hier beispielsweise eine Maßnahme.

Du hattest gesagt, in der Langfristbetrachtung schaut ihr bis ans Ende des Jahrhunderts. Wie aussagekräftig sind solche langfristigen Abschätzungen?

Wir wissen natürlich nicht, wie genau sich die Zukunft entwickeln wird. Aber auf Basis des IPCC-Reports (Intergovernmental Panel on Climate Change) gibt es typische Szenarien, die angenommen werden. Etwa wie viel CO2 oder Methan noch in die Atmosphäre gelangt. Und auf Grundlage dieser Szenarien werden dann globale Klimamodelle berechnet. Diese nutzen wir auch, sie sind für unseren Anwendungsfall aber noch zu grob. Für Deutschland kann man hier nur auf ein paar wenige Pixel an Datenpunkten zugreifen. Deshalb rechnen wir zusätzlich mit regionalen Klimamodellen. Diese haben eine Auflösung von ungefähr 12 oder 13 Kilometern und auf Basis dieser Berechnungen kann man für den Landkreis detailliertere Trends ableiten.

Welche Daten nutzt ihr darüber hinaus für eure Analysen?

Wenn wir in die Zukunft schauen, sind es vor allem diese regionalen Klimamodelle. Hier sind auch hoch aufgelöste Modelldaten mit dabei, die gehen runter bis auf drei Kilometer. Darüber hinaus nutzen wir aktuelle Daten wie beispielsweise Beobachtungsdaten vom Deutschen Wetterdienst. Interessant sind vor allem die letzten 30 Jahre im Vergleich zur Klima-Normalperiode von 1960 bis 1990. Hier analysieren wir, wie sich das Klima in den letzten 30 Jahren verändert hat. Auch Daten zum Wasserhaushalt – Grundwasserstände, Pegel etc. – fließen mit ein.

Ihr seid jetzt noch am Anfang des Projekts, aber gibt es schon ein paar Erkenntnisse, die ihr gewonnen habt?

Ja, wir sind noch mittendrin. In den Analysen stellte sich heraus, dass sich die Trockenheit, die man in den vergangenen Jahren in der Region beobachtet hat, gar nicht so sehr in den Langzeitniederschlagssummen (also auf 30 Jahre gemittelt) widerspiegelt. Die haben sich im Durchschnitt übers Jahr gar nicht so sehr verändert. Aber es gibt Verschiebungen. Diesen flächigen Niederschlag, den Landregen, gibt es nicht mehr so oft. Stattdessen beobachten wir mehr Starkregenereignisse, die nicht unbedingt zu Grundwasserbildung beitragen und zudem hohe Schäden verursachen können.

Solche Analysen und Erkenntnisse sind ja auch spannend für Versicherer. Macht ihr hier schon etwas in der Richtung?

Aktuell noch nicht, aber wir sehen hier auch viele Ansatzpunkte, da wetterbedingte Schäden für Versicherer immer relevanter werden. Das sind auf jeden Fall Themen, die wir weiterdenken werden.

Noch eine letzte Frage: Ihr seid bei der A4I ja fast alle Meteorologen. Das hilft ja insbesondere bei diesem Projekt. Aber ihr macht viele andere Data-Analytics-Projekte, die nicht mit Wetter und Klima zu tun haben. Welche Skills aus eurer Meteorologen- Laufbahn bringen euch hier weiter?

Also es ist vielleicht in dieser Konstellation schon ein kleiner Zufall, dass so viele Meteorologen bei der A4I sind, aber ich kenne auch einige Meteorologen aus dem Bekanntenkreis, die ebenfalls in den Bereich Data Science gewechselt sind. In der Meteorologie hat man auch mit sehr vielen Datensätzen zu tun. Wenn ich so ein bisschen in meine Vergangenheit schaue, habe ich dort sehr viel mit Satellitendaten und Bodenbeobachtungsdaten gearbeitet. Diese Daten in strukturierter Form zu erheben, zu prozessieren, zu verarbeiten, aufzubereiten, umzuformen, lernt man in der Meteorologie und kann das entsprechend übertragen. Von den Methoden ist das alles recht ähnlich. Was sicher auch hilft, ist das physikalische und strukturierte Problemlösungsdenken, das man entwickelt. Denn bei Data-Science-Projekten stößt man immer wieder auf Herausforderungen, die man irgendwie versucht mit Daten zu lösen, wobei man immer auch eine gewisse Kreativität bezüglich der Lösungswege an den Tag legen muss.

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