Herausforderungen bei der Entwicklung grenzüberschreitender Versicherungsprodukte

Die Entwicklung grenzüberschreitender Versicherungsprodukte erfordert die Bewältigung regulatorischer Hürden, kultureller Unterschiede und wirtschaftlicher Risiken. Stefanie Böttcher von HDI Global SE gibt Einblicke, wie der Versicherer diese Herausforderungen meistert und welche Rolle Technologie und Netzwerke dabei spielen.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Produktmanagement
Themen:
Produktentwicklung Unfallversicherung
Herausforderungen bei der Entwicklung grenzüberschreitender Versicherungsprodukte

Die Entwicklung internationaler Versicherungslösungen ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Unterschiedliche regulatorische Vorgaben, kulturelle Besonderheiten und wirtschaftliche Faktoren wie Währungsrisiken erschweren die Gestaltung einheitlicher Produkte. Besonders herausfordernd ist die Schadenregulierung: Kunden erwarten schnelle und unkomplizierte Hilfe – unabhängig vom Standort und den lokalen Gegebenheiten.

Stefanie Böttcher, Expertin für Accident & Health (Strategic Underwriting) bei HDI Global SE, gibt in diesem Interview wertvolle Einblicke in die zentralen Herausforderungen grenzüberschreitender Versicherungsprogramme. Sie erläutert, wie Versicherer regulatorische Hürden bewältigen, warum ein starkes Netzwerk für die Schadenabwicklung essenziell ist und welche Rolle technologische Innovationen für effizientere Prozesse und ein besseres Kundenerlebnis spielen.

Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Produktentwicklung von grenzüberschreitenden Versicherungen? Was gilt es da zu berücksichtigen?

An erster Stelle stehen die regulatorischen Rahmenbedingungen. Weltweit nehmen lokale Vorschriften zu, die den Abschluss einer Versicherung bei einem nicht im jeweiligen Land zugelassenen Versicherer untersagen. In einigen Ländern existieren hybride Regelungen: Sie erlauben zwar die Absicherung bestimmter lokaler Risiken durch nicht zugelassene Versicherer, erfordern jedoch eine behördliche Aufsicht und erheben Steuern. Ein Beispiel ist Brasilien, wo internationale Reiseversicherungen zulässig sind, während Inlandsreisen nicht über ausländische Anbieter versichert werden dürfen. In anderen Ländern sind die gesetzlichen Vorgaben hingegen weniger eindeutig formuliert.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt sind internationale Abkommen, die zunehmend Einfluss auf die Einhaltung regulatorischer Vorschriften nehmen. Da es keinen globalen Standard für die Versicherungsregulierung gibt und die Anwendung des Versicherungsrechts weltweit variiert, ist für jedes internationale Versicherungsprogramm eine umfassende Compliance-Analyse erforderlich.

Neben regulatorischen Aspekten spielt auch die kulturelle Diversität eine entscheidende Rolle. Um den Erwartungen und Bedürfnissen der Kunden gerecht zu werden, müssen Versicherer länderspezifische Präferenzen berücksichtigen – insbesondere bei der Wahl der geeigneten Vertriebswege.

Zusätzlich sind Währungsrisiken und Wechselkursvolatilität zu beachten, da sie sich direkt auf die Preisgestaltung und Rentabilität auswirken können. Eine sorgfältige Finanzplanung sowie effektive Risikomanagementstrategien sind daher unerlässlich.

Technologie ist ein weiterer Schlüsselfaktor: Versicherer benötigen Systeme, die global einsetzbar sind – sowohl für die interne Verwaltung von Verträgen und Schäden als auch für digitale Kundenlösungen.

All diese Aspekte beeinflussen maßgeblich die Qualität internationaler Versicherungslösungen. Eine detaillierte Analyse des Wettbewerbs und der Marktbedingungen in den jeweiligen Zielmärkten ist daher unerlässlich, um die Produktpositionierung zu optimieren und potenzielle Herausforderungen frühzeitig zu identifizieren.

Wie gestaltet sich die Schadenregulierung im Falle einer Unfallversicherung? Regeln das eigene Niederlassungen vor Ort oder gibt es ein entsprechendes Kooperationsnetzwerk?

In der Muttersprache klagt es sich am besten. Insbesondere, wenn man sich in einer Krisensituation befindet, z. B. ein medizinischer Notfall wie die Symptome eines Herzinfarktes oder Ausschreitungen aufgrund von Demonstrationen vor meinem Hotel. Zudem sollten die Schadenregulierer und die Kontaktpersonen in Notfällen in der Lage sein, den kulturellen Hintergrund des Anrufenden zu verstehen. Dies gilt auch bei der Abwicklung eines Unfallschadens. Dies alles mit dem hauseigenen Netzwerk zu leisten, ist kaum möglich. Wir verfügen bereits in vielen Ländern über eigene Standorte. In der Regel sind dort die Bereiche Underwriting und Schaden gleichermaßen vertreten und agieren Großteils eigenverantwortlich als Teams vor Ort. Ergänzend unterstützen in vielen Ländern Assistance-Unternehmen mit Experten aus Medizin, Sicherheit und Recht sowie TPA`s beim Case Handling. Sie kennen die lokalen Gesetze, Vorschriften und Gepflogenheiten, was die Bearbeitung von Schadenfällen spürbar erleichtert. Ein gut funktionierendes Netzwerk, sei es durch eigene Niederlassungen oder durch Kooperationen, ist entscheidend für eine effektive Schadenregulierung in einer globalen Unfallversicherung. Negative Kosteneffekte lassen sich überdies durch ein wirkungsvolles Cost-Containment begrenzen.   

Bei unserer User Group Unfallversicherung freuen wir uns auf einen Impuls von dir zum Thema „Potenziale und Herausforderungen internationaler Versicherungslösungen im Bereich Accident & Health“. Magst du noch einmal kurz drei zentrale Herausforderungen und Potenziale für uns zusammenfassen?  

Gerne! Der wesentlichste Punkt ist aus meiner Sicht, dass es keine „one fits all“-Lösung gibt. Die idealtypische Vorstellung mit einer Versicherungspolice, die Unfall- und Reisesicherheitsrisiken eines global agierenden Kunden abzusichern, wäre nur vermeintlich die ideale Lösung.

Drei zentrale Herausforderungen und Potenziale im Bereich internationaler Versicherungslösungen für Accident & Health sind meines Erachtens:

1. Regulatorische Komplexität: Die Vielzahl an unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen in verschiedenen Ländern stellt eine große Herausforderung dar. Gleichzeitig bietet die Einhaltung dieser Vorschriften die Möglichkeit, Vertrauen bei den Kunden aufzubauen und sich als verantwortungsbewusster Anbieter zu positionieren.

2. Kundenfokussierte Produktgestaltung: Zunächst müssen Expertise und Lizensierung des Versicherers alle gängigen Versicherungsprodukte und -lösungen umfassen, die in internationalen Märkten einschlägig sind. Deren Anpassung an die spezifischen Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden in den jeweiligen Märkten ist dann entscheidend. Dies eröffnet Potenziale für innovative Lösungen, die auf lokale Gegebenheiten zugeschnitten sind und somit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

Zu den ersten beiden Punkten freuen Christoph Schulz und ich uns darauf, einen Einblick in unsere Learnings zu geben und diese mit den Teilnehmenden der Veranstaltung zu diskutieren. Hier gibt es ein paar spannende Anekdoten, die uns in der Vergangenheit einige Nerven gekostet haben, über die wir inzwischen jedoch schmunzeln können.

3. technologische Innovationen: Der Einsatz von KI und anderen Technologien, wie im Mobility Risk Management, kann die Effizienz der Schadenregulierung und das Risikomanagement erheblich verbessern. Dies bietet nicht nur Chancen zur Kostenreduktion, sondern auch zur Verbesserung der Kundenerfahrung.

Dies möchten wir im Rahmen der Veranstaltung einmal live demonstrieren.

Wir freuen uns auf euren Beitrag bei der User Group Unfallversicherung am 25./26. März 2025 in Hannover. Vielen Dank für das Interview!