Telematik in der Kraftfahrtversicherung: Die Zukunft gehört den connected cars

Im Beitrag beschreiben wir die aktuellen Diskussionen rund um Telematik in der Kfz-Versicherung.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Schaden & Leistung
Themen:
Telematik Schaden-/Leistungsmanagement
Telematik in der Kraftfahrtversicherung: Die Zukunft gehört den connected cars

Wird die Telematik die Kfz-Versicherung revolutionieren? Dieser Frage haben sich im Versicherung-360-Podcast Franz Gündel, Projektreferent im Team Antrag, Vertrag & Schadenmanagement bei den Versicherungsforen Leipzig, und Prof. Dr. Fabian Transchel, Professor für Data Science der Stiftungsprofessur E+S Rück an der Hochschule Harz, gestellt. Wäre die Telematik schon so weit, hätten wir die Revolution sicher schon zu spüren bekommen. Tatsächlich bietet die Branche bislang Lösungen über Apps oder Drittanbieter-Dongles. Gelockt werden vor allem junge Kunden mit Rabatten und Gutscheinen. Noch ist die Telematik eine klassische Kfz-Versicherung Plus. Um einen wirklichen Mehrwert für Kunde und Versicherer zu stiften, braucht es vor allem zuverlässige Daten und Ideen. Beides scheint greifbar, wie die Fachkonferenz Telematik in der Kraftfahrtversicherung 2022 gezeigt hat.  

OEMs offen für Kooperationen 

Wenn wir uns an die Telematik-Konferenzen der vergangenen Jahre erinnern, dann erinnern wir uns auch an die ewige Diskussion um „Wem gehören die Daten?“. Dem Kunden natürlich, so viel sollte klar sein. Um an diese zu gelangen, braucht es jedoch die OEMs (Original Equipment Manufacturer) und die scheinen durchaus bereit zu sein, diese unter Einhaltung der DSGVO mit den Versicherern zu teilen. Schließlich ergibt sich für die OEMs hier ein neuer Markt, denn kostenlos sind die Daten natürlich nicht.  

Wie eine solche OEM-Versicherer-Kooperation aussehen kann, wurde in gleich zwei Vorträgen deutlich: Thomas Geiger, Fachreferent bei der AUDI AG, stellte das Projekt Extended Vehicle vor. Bei diesem handelt es sich um eine Plattformlösung, über die Drittanbieter die Fahrzeugdaten von Audi-Kunden abfragen können. Aktuell wurde das Projekt in drei Ländern ausgerollt. Zu den ersten Kooperationspartnern zählen bislang der GDV, Otonomo oder Caruso Dataplace. Über das ExVe-B2B-Portal hat der Versicherer die Möglichkeit, eine Datenfreigabe anzufordern, die der Kunde in seinem myAudi-Portal bestätigen kann.  

Einen weiteren spannenden Ansatz stellte Sören Jucikas, Product Owner & Business Development Zurich Call bei der Zurich Gruppe Deutschland, vor. Jucikas berichtete über das Projekt Zurich Call und die Potentiale für das Schadenmanagement, die sich aus der Connected-Car-Lösung ergeben. Für ihn liegt die Zukunft ganz klar im connected car, nachdem der Versicherer eher unzureichende Erfahrungen mit Dongle-Lösungen gemacht hat. Eine Umfrage, die das Unternehmen gemeinsam mit Porsche Consulting durchgeführt hat, zeigte die Bereitschaft der Kunden, ihre Fahrzeugdaten zu teilen. Diese müssen jedoch einen klaren Mehrwert spüren, der dem Experten zufolge in der individuellen und persönlichen Kommunikation, Transparenz zu Bearbeitungsfortschritten und der Integration von Self-Service in der Schadenabwicklung liegt. Seit Juni läuft ein sechsmonatiger Live-Test mit 500 Kunden zur Generierung von „echten” Daten. Zudem wird kontinuierlich das Kundenfeedback im Produktentwicklungsprozess eingeholt. Hintergrund zum Zurich Call: Über eine OEM-übergreifende Datenplattform werden die Fahrzeugdaten übermittelt. Im Falle eines Unfalls werden die Daten einer Schadenanalyse unterzogen. Das Gutachten zu Unfallereignis und Schadenprognose wird an die Zurich übermittelt, die Folgeprozesse anstößt. So nimmt der Versicherer umgehend Kontakt zum Kunden auf und kann bereits frühzeitig Service- und Dienstleisterprozesse anstoßen. Ziel ist die unmittelbare Unterstützung des Kunden im Unfallereignis sowie eine Teilautomatisierung des Schadenprozesses, was wiederum einen verkürzten Bearbeitungs- und Schadenprozess nach sich zieht. Die Plattform-Lösung wird von einem Drittanbieter gestellt. Erste Erfahrungen mit der Plattform zeigen, dass alle OEMs kooperativ, die zur Verfügung gestellten Datenpakete jedoch sehr unterschiedlich in der Qualität sind. Noch lernt die Zurich und sammelt aktiv Erfahrungen. Der tatsächliche Benefit für Kunden und Unternehmen muss sich beweisen, bevor weitere Schritte möglich sind.  

Neues aus der Telematik-Produktwelt 

Auch wenn die Lösung im connected car zu liegen scheint, haben die App-Lösungen aktuell noch die Nase vorn. Achim Korste, Vertriebsleiter Kraftfahrt bei der LVM VVaG, und Tobias Neumann, Spezialist Kraftfahrt Produktmanagement bei der LVM VVaG, stellten das Telematik-Produkt LVM-Go4Smile vor. Der Tarif ist seit Anfang Februar letzten Jahres abschließbar und richtet sich vor allem an junge Kunden unter 30. Den beiden Experten zufolge entwickelte sich die Telematik in der Vergangenheit eher schleppend. Dennoch bietet sie neue Kundenkontaktpunkte und ist eine weitere Möglichkeit der Kundenbindung. So erhalten die Kinder von Bestandkunden die SFR (Schadenfreiheitsklasse) eines versicherten Zweitwagens der Eltern. Ziel ist es, das die jungen Kunden direkt eine eigene Versicherung beim Unternehmen abschließen. Zudem erhalten die Telematik-Kunden zehn Prozent Rabatt auf den Normaltarif und können sich Prämien (Amazon- oder Spotify-Gutscheine) mit einem Wert von bis zu 50 Euro „erfahren“. Auch auf den Gamification-Ansatz wurde bei der App nicht verzichtet. So kann man sich einen Mindest-Score erarbeiten und mit anderen Kunden in einem Ranking vergleichen. Aktuell hat die LVM ca. 21.000 Telematik-Kunden. Die Einschlussquote liegt bei ca. 20 Prozent. Um diese Quote zu erhöhen, muss die LVM ihre Agenturen noch intensiver davon überzeugen, warum ein kundenbindender Tarif, der zehn Prozent weniger Umsatz generiert, auch für die Vermittler sinnvoll ist.  

Auch die Dienstleister entwickeln sich stetig weiter. Wie eine hochpräzise Schadenerkennung in der Kfz-Versicherung aussehen kann, zeigte Jakob Otting, Head of Sales bei der carValoo GmbH. Aktuell ist die Lösung zur Schadenerkennung bei CarSharing und Mietwagen im Einsatz. Hierzu wird in den Fahrzeugen eine Box verbaut, die eine Schadenerkennung und Analyse ermöglicht. Zudem sind die Kunden in der Lage, via Google Street View den Schadenvorgang nachzuvollziehen, da Schadenort- und zeitpunkt genau festgehalten werden. Optimal ist die Lösung für die Versicherer noch nicht, da sie teuer und für die breite Nutzung zu umständlich ist. Auch hier liegt die Hoffnung in den OEM-Daten.  

Wer sich mit den Kfz-Experten über die Zukunft der Telematik oder aktuelle Trends austauschen möchte, der hat am 20./21. September Gelegenheit dazu. Ende September kommen die Schadenexperten in Leipzig zum Messekongress Schadenmanagement & Assistance zusammen. Wir freuen uns wieder auf viele spannende Impulse und einen regen Branchenaustausch.