Ökosystem-Inspirationen aus Südafrika

Mit Sören Kruse von der Hannover Re sprechen wir über Ökosysteme in Südafrika, erfolgreiche Bonusprogramme für Kunden und Versicherer sowie entscheidende Erfolgsfaktoren.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Ökosystem Trends
Ökosystem-Inspirationen aus Südafrika

Bonusprogramme wie Vitality, bei denen Fitness und gesunder Lebensstil mit Prämien belohnt werden, gehören in Südafrika mittlerweile zum Alltag vieler Menschen. Während solche Programme hierzulande bislang weniger erfolgreich sind, kann in Südafrika bereits ein signifikanter Mehrwert für die Kunden geschaffen werden. Doch welche Unterschiede gibt es in der Bereitschaft, die Daten zu Verfügung zu stellen? Was waren die entscheidenden Erfolgsfaktoren und welche Rolle spielen Partnerschaften für Versicherungsunternehmen? Darüber sprechen wir mit einem der Keynote-Speaker des Partnerkongresses der Versicherungsforen 2021: Sören Kruse, Head of Business Acquisition & Development bei der Hannover Re in Johannesburg. 

In Südafrika gibt es bereits seit über 20 Jahren etablierte Ökosysteme. Versicherer und auch die Hannover Rück als Rückversicherer positionieren sich nicht mehr nur als Rück-/Versicherer, sondern als Lifestyle-Partner mit dem Fokus auf Gesundheit & Wellness. Können Sie die bestehenden Ökosysteme kurz erklären?

Alle bestehenden Ökosysteme haben gemein, dass nicht die Versicherungspolice, sondern die Kundenbedürfnisse im Vordergrund stehen. Sie unterstützen die Teilnehmer dabei, gesünder zu leben und ermöglichen den Versicherern, Einsparungen dank verbesserter Schadenquoten und niedrigerer Stornoquote direkt mit dem Kunden zu teilen. Vitality von Discovery und Multiply von Momentum sind Bonusprogramme, die Partnerschaften mit Supermärkten, Fitnessstudios, Restaurants, Fluggesellschaften und vielen weiteren Unternehmen eingegangen sind. So entstehen viele positive Berührungspunkte, die über die klassische Interaktion zum Policen- Abschluss und Schadenfall hinausgehen.

Wie erfolgreich sind diese Programme im Markt und was waren entscheidende Erfolgsfaktoren?

Bonusprogramme sind bei südafrikanischen Versicherungen und Banken mittlerweile eher die Norm als die Ausnahme und Endkunden sind auch bereit für die Teilnahme an den Programmen zu bezahlen (z. B. ca. 21 Euro pro Monat bei Vitality). Entscheidend ist, dass ein echter Kundenmehrwert wahrgenommen wird, also signifikante Rabatte bei Partnern und ein einfacher, automatisierter Datenaustausch zwischen Partnern. So erhalte ich bei meinem Statuslevel 35 Prozent Rabatt auf Flüge, 75 Prozent Rabatt auf meine Fitnessstudio-Gebühr und weitere hohe Rabatte auf Sportartikel, Lebensmittel und Drogerieartikel. Die Abrechnung hierfür findet automatisiert statt.  

Auch in Südafrika gibt es Regulierungsbestrebungen zum Datenschutz des Verbrauchers. Der „Protection of Personal Information Act“ (POPIA) folgt ähnlichen Prinzipien und der gleichen Intention wie die DSGVO und GDPR. Wie ist es Versicherungsgesellschaften trotzdem gelungen, ihre Kunden zu überzeugen, Daten mit ihnen zu teilen?

Alle Programme erfordern die Zustimmung zum Datenaustausch zwischen Partnern. Mein Einkaufsverhalten wird beispielsweise über die Kundenkarte meines Supermarktes direkt mit dem Bonusprogramm der Versicherung geteilt. Natürlich gibt es auch in der südafrikanischen Gesellschaft ein ausgeprägtes Bewusstsein für die eigene Privatsphäre. Entscheidend ist auch hier, dass den Kunden ein echter Mehrwert entsteht, wie etwa 25 Prozent Rabatt auf gesunde Lebensmittel.

Bonusprogramme sind auch hierzulande beliebt, da die Kunden aufgrund der Daten transparenter in ihrem Verhalten werden. Welche Daten sammeln Versicherer aktuell von Nutzern und wie verwenden sie diese?

Unsere Philosophie bei allen gesammelten Daten ist, dass dem Endkunden selbst jeweils ein Vorteil entstehen muss: In der Risikoprüfung können wir (mit Einwilligung) automatisiert auf bestehende medizinische Labortestergebnisse zugreifen und ersparen dem Kunden somit weitere medizinische Untersuchungen. Bei anderen Produkten wollen wir dem Kunden aussagekräftige Einsichten in die eigene Gesundheit ermöglichen. Wir kombinieren hierfür Versicherungsprodukte mit sogenannten Wearables und errechnen tagesaktuelle Werte bezüglich Fitnessstatus, Schlafverhalten und der Herzgesundheit. Veränderungen der Lebensweise und Auswirkungen auf diese Bewertungen werden dem Kunden dann täglich über eine App mitgeteilt. Da wir bei hohen Werten niedrigere Schadenquoten erwarten, erhöhen wir bei verbesserten Gesundheitswerten die Versicherungssumme ohne eine Prämienanpassung.

Welche Daten werden Ihrer Meinung nach künftig in den Prozess der Risikokalkulation einfließen? Welche Auswirkungen hat das auf das Versicherungsprinzip?

Ich sehe hier zwei Trends: Einerseits werden wir weiterhin klassische Daten benötigen. Diese werden wir jedoch automatisiert über Drittanbieter beziehen und nicht mehr in zeitaufwändigen Prozessen beim Kunden abfragen. Zusätzlich werden Versicherer in Südafrika weiterhin probieren, durch zusätzliche Informationen Vorteile in der Risikoselektion zu erreichen. Etabliert hat sich in Südafrika der sozioökonomische Status (gemessen an Bildungsgrad und Einkommen) als Risikofaktor. Jüngst wird von einigen Gesellschaften auch der Covid-19-Impfstatus als Risikofaktor berücksichtigt. Es findet somit sicherlich eine genauere Risikoselektion statt und auch Unterschiede innerhalb eines Versicherungsbestandes werden genauer berücksichtigt.

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