ESG im Fokus: Die neue Ära der Gebäudeversicherungen

Im Interview erklärt Jantzen den Zusammenhang zwischen Energieeffizienz und deren Risikorelevanz in der Wohngebäudeversicherung.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Produktmanagement
Themen:
Sachversicherung Gebäudeversicherung Nachhaltigkeit ESG Agenturberatung
ESG im Fokus: Die neue Ära der Gebäudeversicherungen

Nicht nur Versicherungen, auch Banken erkennen die Bedeutung von ESG-Faktoren und suchen nach Geschäftsmöglichkeiten. Insbesondere die Immobilienwirtschaft als einer der Hauptverursacher von CO2-Emissionen bietet ESG-relevante Hebel. Im Interview mit Sven Jantzen, Geschäftsführer der SkenData GmbH, sprachen wir über Energieeffizienz-KPIs und deren Risikorelevanz in der Gebäudeversicherung. SkenData hat sich auf die technologiegestützte Ermittlung von Gebäudedaten spezialisiert und ist damit in der Lage, eine ESG-konforme Immobilienbewertung durchzuführen.

Inwieweit Energieeffizienz-KPIs in der Gebäudeversicherung berücksichtigt werden und warum diese risikorelevant sind, lesen Sie unter anderem im Interview.

Nachhaltigkeit ist ein Megatrend: Wie gut sind die Versicherer deiner Meinung nach bei grünen Policen aufgestellt?

Was wirklich eine “grüne” Police ist, sollen die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie regeln. Um die Taxonomie-Konformität für Gebäudeversicherungen zu bestätigen – und diese damit als “grün” bzw. nachhaltig bezeichnen zu können - ist es noch ein längerer Weg. Die Versicherung von Klimarisiken wie Sturm, Hagel und Elementar gilt bereits als taxonomiekonforme Tätigkeit, weil sie auf das zweite Ziel, die Anpassung an den Klimawandel, einzahlt. Für andere Risiken, wie z. B. Feuer und Leitungswasser, muss ein Nachweis erfolgen, um als taxonomiekonform zu gelten. Viele Versicherer sind das Thema Nachhaltigkeit bereits strategisch angegangen. Alle Unternehmensbereiche sind aufgefordert, ihren Beitrag zu leisten. Einzelne Produkterweiterungen und Nachhaltigkeitsbausteine sind bereits umgesetzt (z. B. Diebstahl von Wärmepumpen, PV-Anlagen, Upgrades auf technische Verbesserungen). Im Produktmanagement und in der Versicherungstechnik werden zudem datentechnische Ansätze und Prüfkriterien diskutiert.  Umgesetzt sind diese jedoch noch nicht.

Zu den Prüfkriterien, die dem Nachweis einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit mit Gebäudebezug dienen, gehören die Energieeffizienzklasse, Primärenergiebedarf und die CO2-Emissionen eines Gebäudes. Nachzuweisen sind sie mit dem Energieausweis.

Dieser Nachweis wird Stand heute von den Versicherern nicht erbracht.

Energieeffiziente Gebäude sind risikoärmer, warum ist das so?

Verbesserungen an der Ausstattung des Gebäudes (Sanierungsmaßnahmen) und jüngere Baujahre, die bereits energieeffizienter gebaut wurden, haben einen geringeren Schadenbedarf. Diesen Zusammenhang berücksichtigen die Versicherer durch Risikofragen zum Teil bereits heute. Das sind beispielsweise Fragen zum Baujahr oder ob es sich um eine Kernsanierung handelt.

Eine bessere Energieeffizienz ist die Folge von Sanierungsmaßnahmen. Es gibt mehrere Zusammenhänge wie z. B. bessere Gebäudesubstanz, neue Fenster oder eine neue Heizung. So ist eine bessere Gebäudesubstanz ein Indiz dafür, dass ein Gebäude widerstandsfähiger gegen Witterungseinflüsse und Stürme ist. Neue Fenster bieten einen besseren Einbruchschutz und reduzieren den Energiebedarf. Neue Heizungen zahlen ebenfalls auf einen geringeren Verbrauch ein.

Wenn Energieeffizienz von Wohngebäuden so risikorelevant ist, warum berücksichtigen Versicherer diese dann nicht?

Bisher spielte ESG keine Rolle in der Versicherungstechnik. Hinzu kommt, dass der Zusammenhang von KPIs wie Energieeffizienzklasse, Primärenergiebedarf und CO2-Emmission für die Versicherungstechnik zunächst weder wirtschaftlich sinnvoll noch zwanghaft notwendig zu sein scheint.

Heute zeigen die Daten neue Zusammenhänge: Je mehr Daten vorliegen, desto mehr Differenzierungen ergeben sich. Welche Heizung das Gebäude hat, welchen Energieträger und wann energetische Sanierungen durchgeführt wurden, wirkt sich tatsächlich auf den Schadenbedarf aus. Und das in relevanten Größenordnungen.

Das Aktuariat MSK hat eine Studie zusammen mit SkenData durchgeführt. In einer statistisch verwertbaren Größenordnung und Verteilung (über eine Million Gebäude) konnten wir erste Ergebnisse erzielen. Das Interesse der Versicherer an den Ergebnissen wächst. So werden wir bald die ersten Produkte am Markt sehen, die KPIs berücksichtigen und als taxonomiekonform ausgewiesen werden.
 

Inwieweit berücksichtigen andere Branchen Energieeffizienz-KPIs bei der Produkt-Gestaltung?

Die KPIs spielen z. B. eine Rolle bei der kommunalen Wärmeplanung. Energieversorger planen ihre Kapazitäten und Investitionen nach dem zukünftigen Bedarf. Verbraucher werden für weniger Energieverbrauch belohnt.

Im Finanzsektor sind Banken und Asset Manager die Vorreiter. Diese erhalten z. B. bessere Refinanzierungskonditionen für taxonomiekonforme Gebäude und geben die Vorteile an ihre Kunden über Produkte und Konditionen weiter.