Metaversum: Use Cases, neue Märkte, neue Risiken
Warum ist das Metaversum auch für die Versicherungsbranche so spannend? Diese Frage klärt Mathias Bock im Interview.
Mathias Bock widmet sich als Future Scientist bei den Versicherungsforen Leipzig der Frage, welche Trends die Versicherungsbranche heute und zukünftig beschäftigen werden. Aktuell setzt er sich vor allem mit dem Metaversum auseinander. Die ursprünglich aus einem Science-Fiction-Roman stammende Idee einer vollständigen Verschmelzung von physischer und virtueller Realität scheint inzwischen gar nicht mehr so abstrakt zu sein. Wir haben mit Mathias darüber gesprochen, welche Anknüpfungspunkte die Zukunftsvision des Internets für die Versicherer bietet.
Was ist das Metaversum?
Auch wenn der Begriff Metaversum inzwischen häufiger in verschiedenen Publikationen und alltäglichen Gesprächen auftaucht, so scheint vielen Menschen dennoch nicht ganz klar zu sein, was sich hinter dieser Idee verbirgt. Mathias nutzt folgende Definition „Das Metaversum bildet jede Erfahrung aus dem Internet ab und ist dabei dauerhaft, dreidimensional, virtuell und immersiv. Das heißt also, man schaut das Internet nicht mehr nur von außen an, sondern man ist wirklich Teil des Internets.” Neu ist das Konzept nicht – bereits seit den 1990er Jahren bildete das Konzept die Grundlage erfolgreicher Science-Fiction-Filme wie “Matrix” oder dem Computerspiel “Second Life”, das seit 2003 verfügbar ist.
Mathias, die Idee des Metaversums ist eigentlich nicht wirklich neu, aber langsam ein kleiner Hype. Tech-Giganten wie Microsoft beschäftigen sich damit, auch Meta arbeitet an der Umsetzung. Warum denn gerade jetzt, und nicht schon vor zehn Jahren?
Mathias: Ich glaube, wir sind an einen Punkt gekommen, wo die grundlegenden Technologien, die wir für das Metaversum brauchen, wie Augmented Reality, Virtual Reality oder Blockchain, einen guten Reifegrad erreicht haben. Vor einigen Jahren gab es bereits Virtual-Reality- und Augmented-Reality-Brillen. So richtig haben die sich aber nicht durchgesetzt. Inzwischen haben viele Unternehmen erkannt, dass wir technologisch so weit sind und wir versuchen erneut einen Anlauf mit dem Metaversum. Um ein Beispiel zu geben: Die Rechenleistung von Computern ist jetzt so weit, dass man virtuelle Welten in Echtzeit darstellen kann. Außerdem ermöglicht unser schnelles Internet die Darstellung virtueller Welten. Es ist also in der Lage, den Datendurchsatz abzubilden. Aber nicht nur Technologien sind wichtig für den Erfolg des Metaversums: Kundinnen und Kunden sind bereit, virtuelle Welten zu betreten. Da war ganz klar die Pandemie ein Treiber für digitale Erlebnisse und für das Leben, Arbeiten und Freunde treffen im virtuellen Raum. Ein wesentlicher Grund, warum gerade jetzt das Metaversum sehr virulent ist und medial viel besprochen wird.
Wir beschäftigen uns ja vor allem mit Trends, die auch die Versicherer betreffen. Wo kommen die dabei ins Spiel?
Wenn man genau hinschaut, gibt es sehr viele Anknüpfungspunkte für Versicherungsunternehmen. Mit den virtuellen Welten entstehen neuartige Risiken und somit neue Kundenbedürfnisse. Versicherer sind also gut beraten, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Ich gebe mal ein Beispiel aus der Produktentwicklung: Wie sichert man digitale Vermögensgegenstände, wie In-Game-Währungen, Skins für Avatare oder andere Items? Oder, und das ist sicher weniger neu, aber ein durchaus relevanter Punkt: Wie kann man eigentlich die Hardware absichern, also die Brillen? Da gibt es bereits einige Produkte von Versicherern am Markt. Doch hat es auch der Vertrieb auf dem Schirm? Schließlich gilt: Wo die Kunden sind, da muss der Vertrieb sein. Die Anhänger des Metaversums glauben, dass wir zukünftig immer mehr Zeit in virtuellen Welten verbringen werden. Wenn das stimmt, dann muss man natürlich auch Vertriebseinheiten im Metaversum aufbauen. Ein weiterer Punkt sind die virtuellen Schäden. Wie geht man damit um? Braucht man als Versicherer vielleicht spezielle Dienstleister, die diese Schäden regulieren können, wenn man über die Kompetenzen selber nicht verfügt? Zu guter Letzt: für die Mitarbeiter-Weiterbildung kann das Metaversum ein spannender Ort sein. In der Virtual Reality lassen sich schließlich verschiedene Cases abbilden und trainieren.
Gibt es schon Versicherer, die sich mit dem Thema auseinandersetzen?
Es gibt schon einige, die sich damit beschäftigen. Um einen aktuellen Use Case aus dem Bereich des Mitarbeiter-Trainings zu nennen: Via Virtual Reality wird ein virtueller Raum erzeugt. In diesem werden in unterschiedlichen Szenarien Vertriebstrainings durchgeführt. Menschen, beziehungsweise deren virtuelle Avatare, durchlaufen ein situationsbedingtes Training, wo die Mitarbeitenden lernen, richtig zu reagieren.
Woran könnte es liegen, dass die Technologie bisher noch nicht den absoluten Durchbruch bei den Versicherern geschafft hat?
Eine Hürde ist natürlich, dass man für viele VR-Anwendungen entsprechende Brillen tragen muss. Die waren in der Vergangenheit recht klobig und auch teuer. In den letzten Jahren haben sich die Brillen weiterentwickelt – sie sind kleiner, leichter und vor allem auch günstiger geworden. Die Brille als Interface ist trotzdem eine Hürde für die Nutzer und Nutzerinnen. Wenn man den Umgang nicht gewohnt ist, wird einem durchaus schnell übel und es können Schwindelgefühle auftreten. Es ist daher sicher hilfreich, dass viele der Plattformen, die ein metaversumähnliches, virtuelles Erlebnis erzeugen, auch mit dem Smartphone, dem Laptop oder Computer genutzt werden können. Es gibt also Ausweichmöglichkeiten, um auszutesten, was das Metaversum ist. Eine weitere Hürde, die ich mit anführen möchte, ist die Frage nach der Plattform: Aktuell gibt es viele Plattformen und Anbieter, mit entsprechender Software und Hardware. Es stellt sich also die Frage: Welche ist die richtige für mich, welche Plattform ist zukunftsfähig? Man möchte schließlich nicht viel investieren und dann auf einer Plattform sein, auf der wenig Traffic ist oder auf der die Zielgruppe fehlt. Die Auswahl der Plattform ist durchaus wichtig und sollte nicht vorschnell getroffen werden.
Du treibst das Thema zurzeit stark. Wie können sich Versicherer einbringen?
Wir führen bei den Versicherungsforen eine Zukunftswerkstatt zum Thema Metaversum durch. Dort können sich alle Interessierten gerne anmelden und beteiligen. Die Werkstatt findet in zwei Teilen statt: Es gibt einen virtuellen Teil und einen Präsenzteil, in dem wir Workshops durchführen. Dort sind Expertinnen und Experten eingeladen, unter anderem von Microsoft, von Meta, und auch Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft. Wir versuchen uns mit der Werkstatt dem Thema zu nähern und entwickeln gemeinsam Use Cases für die Versicherer. Ich denke, es ist sehr wichtig, dass man in einem ersten Schritt ein grundlegendes Verständnis entwickelt, was man im und mit dem Metaversum überhaupt machen kann. Wann es dann massenmarkttauglich ist, das ist eine Frage, die die Zeit klären wird. Für den ersten Kontakt, für ein grundlegendes Verständnis und für erste Vorstellungen, in welche Richtung es gehen kann, ist die Zukunftswerkstatt ein gutes Format.
Vielen Dank!
Zukunftswerkstatt Metaversum: Gemeinsam Use Cases entwickeln
Im Rahmen der Zukunftswerkstatt Metaversum wollen wir innerhalb von zwei Terminen mit Hilfe von Impulsvorträgen und gemeinsamer Workshop-Arbeit ermitteln, was das Metaversum für die Versicherung der Zukunft bedeutet. Über die Erarbeitung von potenziellen Use Cases entlang der Wertschöpfungskette werden im Ergebnis strategische Handlungsempfehlungen für den Weg ins Metaversum formuliert.