Relevante Trends für die Versicherungsbranche effizient identifizieren
Auftakt einer Blog-Reihe, die ausgewählte Beispiele für Methoden, Canvas und Tools aus dem Workbook „Zukunft im Unternehmen gestalten“ vorstellt. Hier im Fokus: das Canvas zur Bewertung der Branchenrelevanz von Trends.
Ob Sie sich mit der strategischen Ausrichtung Ihres Unternehmens beschäftigen, einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in der Branche benötigen oder aktuell vor der Herausforderung stehen, Maßnahmen für konkrete Problemstellungen in Ihrem Bereich zu entwickeln – Erfolgsgrundlage sind effiziente Prozesse, die eine strukturierte Herangehensweise an Aufgaben ermöglichen.
Mit dem Leipziger Zukunftsmodell, kurz LZM genannt, haben die Versicherungsforen Leipzig gemeinsam mit den Unternehmen der LF Gruppe und der HHL Leipzig Graduate School of Management einen methodischen Kompass entwickelt, der Unternehmen eine praxisnahe Orientierungshilfe bietet. Das Modell wird in Form eines Workbooks zur Verfügung gestellt und umfasst fast 50 verschiedene Canvas, Tools und Methoden sowie Erläuterungen und weiterführende Hinweise für die Bearbeitung. Im Beitrag widmen wir uns der Trendidentifizierung und Trendbewertung und geben Ihnen ein Canvas aus dem Workbook an die Hand.
Wie Sie das LZM für individuelle Anwendungsfälle in Ihrem Unternehmen nutzen können, erfahren Sie mit unserer Lernreise. Über einen Zeitraum von neun Wochen begleiten wir Sie bei der Nutzung ausgewählter Canvas und geben Ihnen konkrete Impulse an die Hand. Auch der Austausch mit Teilnehmenden aus anderen Versicherungshäusern steht hier im Fokus.
Welche Trends sind relevant für die Branche, das eigene Unternehmen oder bestimmte Geschäftsbereiche?
Um diese Frage beantworten zu können, sollte bereits bekannt sein, welche Trends es überhaupt gibt und bestenfalls auch, welche Strukturen hier erkennbar sind. Das Workbook gibt für diese als „Scouting“ und „Strukturierung“ bezeichneten Schritte hilfreiche Tipps, Quellen und Beispiele an die Hand, mit denen Versicherungsunternehmen einen ersten umfassenden Überblick über aktuelle Entwicklungen erhalten.
Aber nicht alle beim Scouting identifizierten Trends sind auch für das eigene Unternehmen wichtig. Um die wirklich relevanten Trends zu identifizieren und die eigenen Ressourcen entsprechend zu allokieren, lohnt sich der Blick auf die Auswirkungen auf die Branche als Ganzes oder ausgewählte Geschäftsbereiche.
Das Workbook bietet hierfür ein grundsätzlich branchenoffenes und doch gleichzeitig auf die individuelle Situation adaptierbares Canvas (ausfüllbare Vorlage) an. In den folgenden Abschnitten des Beitrags erfahren Sie, wie das Canvas funktioniert und welche Fragen sich Versicherer stellen sollten, um die Relevanz eines Trends zu bewerten.
Phase Identifizieren: Bewertung der „Branchenrelevanz“
Das Canvas berücksichtigt mehrere Aspekte der Unternehmensumwelt, auf die sich ein Trend auswirken kann. So wird die Einschätzung, ob ein Trend relevant für die Branche und damit auch für das eigene Unternehmen ist, nicht durch Mutmaßungen getroffen, sondern durch ein fundiertes und durch seine Struktur dennoch effizientes Bewertungsmuster.
Wir empfehlen, das Canvas wie folgt zu bearbeiten:
1. Branche und Trend festlegen
Zunächst werden ein bestimmter Trend und die zu analysierende Branche eingetragen. Alternativ zur Branche kann die Analyse auch auf einen spezifischen Geschäftsbereich, wie z. B. Lebens- oder Sachversicherungen, eingegrenzt werden.
2. Zeithorizont bestimmen
Für die Analyse ist es wichtig, vorab zu definieren, auf welchen Zeithorizont sich die Bewertung beziehen soll. In vielen Fällen wird der Blick auf den aktuellen Stand und sich bereits anbahnende Entwicklungen gelegt. In anderen Kontexten kann es allerdings auch zielführend sein, die Perspektive weiter zu fassen und bspw. auf Basis von Studien und Prognosen eine Einschätzung vorzunehmen, wie weit der Trend in zehn Jahren greifen wird. Die Ergebnisse können sich zum aktuellen Stand durchaus unterscheiden, das gilt insbesondere für technologische Trends oder bereits jetzt abzusehende starke Veränderungen, wie sie die Klimakrise verursacht.
3. Wie viele Kundinnen und Kunden sind vom Trend betroffen?
Hier können Sie entweder basierend auf Ihrer Expertise (bzw. der Expertise des Teams, welches das Canvas bearbeitet) entlang einer Skala von gar nicht (0) – sehr stark (5) bewerten, wie stark sich der Trend im Kontext des gewählten Zeithorizonts auf Ihre Kundinnen und Kunden auswirken wird. Einfacher wird es, wenn Sie hier die prozentuale Betroffenheit einschätzen, also überlegen, wie viele Kundinnen und Kunden vom Trend betroffen sind und in welcher Form.
Ergänzend zu Ihrer Expertise können Sie die Bewertung auch durch die Recherche von Studienergebnissen, Fachbeiträgen o. ä. fundieren und so zur Einschätzung der Kennzahl gelangen.
4. Wie viele Unternehmen der Branche sind vom Trend betroffen?
Analog zu Schritt drei bewerten Sie auch hier entweder nach Bauchgefühl oder untermauert durch die Recherche von Berichten, Studien o.ä., wie viele Unternehmen der Versicherungsbranche mit dem Trend in Berührung kommen. Häufig wird dieser Wert hoch bis sehr hoch ausfallen. Bei ausgewählten Nischen, die nur wenige Versicherungshäuser bedienen, sieht es jedoch anders aus.
5. Wie viele Mitarbeitende sind vom Trend betroffen?
Analog zu Schritt drei und vier betrachten Sie hier, wie stark sich der Trend auf die Mitarbeitenden auswirkt. Hier können Sie bspw. überlegen, wie viele Abteilungen besonders involviert sind oder sein könnten. So werden sich Trends wie eine zunehmende Überalterung der Gesellschaft und daraus resultierender Fachkräftemangel oder technologische Nischentrends nicht in allen Bereichen eines Versicherungsunternehmens gleichermaßen bemerkbar machen
6. Wie viele Anteile des Umsatzes/der Wertschöpfung sind vom Trend betroffen?
Zuletzt wird eine Einschätzung zu den finanziellen Auswirkungen eines Trends vorgenommen. Hier empfiehlt es sich, zumindest ausgewählte Marktkennzahlen hinzuzuziehen, um die Bewertung besser fundieren zu können. Die Analyse kann zum einen Absatzchancen einbeziehen, die sich z. B. durch technologiebedingt effizientere Prozesse oder ganz neue Produktkonzepte ergeben. Bei anderen Trends, wie dem Fachkräftemangel, sind es eher die drohenden Verluste, die zu einer hohen Bewertung dieser Canvas-Komponente führen
Die Ergebnisse fließen in eine Gesamtbewertung ein, die einen Überblick darüber gibt, wie stark der Trend die Branche oder einzelne Geschäftsbereiche beeinflusst.
Abschluss: Gesamtrelevanz ermitteln
Die Summe der einzelnen Bewertungen wird durch die Anzahl der Bereiche geteilt, um einen Gesamtwert zu erhalten. Hier können sich in einer Spannweite von 0 bis 5 auch Dezimalwerte ergeben, die Sie so belassen, oder auf- bzw. abrunden können.
Ergibt sich aus der Bewertung, dass der Trend – zumindest vom betrachteten Zeitpunkt aus gesehen – keine starken Auswirkungen auf die Branche aufweist, kann er als weniger relevant eingestuft werden. In der Folge sollten hier zunächst nicht zwingend weiteren Ressourcen in die Analyse investiert werden.
Anders sieht es bei einer hohen Bewertung aus. Diese sollte als Signal für eine erforderliche Auseinandersetzung mit dem Trend interpretiert werden.
Trendanalyse: Die nächsten Schritte
Die Bewertung der Branchenrelevanz allein liefert wertvolle Hinweise, ist jedoch nur ein Teil der umfassenden Trendanalyse, wie sie mit dem Leipziger Zukunftsmodell umgesetzt wird. Ergänzend zur Relevanzanalyse werden im Workbook weitere Faktoren wie der Reifegrad des Trends und seine Verknüpfungen mit anderen Trends berücksichtigt.
Im Ergebnis dieser ersten Phase des Modells, der Phase Identifizieren, entsteht eine anschauliche Übersicht über alle analysierten Trends, die diese nach ihren Auswirkungen und deren Zeithorizont clustert: eine Trend-Priorisierungsmatrix.
Wie Sie die Auswirkungen dieser priorisierten Trends nun für die individuelle Wertschöpfung Ihres Unternehmens und dessen Produkte bewerten, erfahren Sie im nächsten Beitrag dieser Blog-Reihe.
Vorlagen zum Download und Erklärvideos
Wie Sie das Leipziger Zukunftsmodell und die im Workbook genutzten Canvas, Tools und Methoden anwenden können, stellen wir Ihnen in kurzen Erklärvideos vor. Diese erhalten Sie zusammen mit kostenfreien PDF-Vorlagen ausgewählter Canvas, darunter auch die Vorlage zur Bewertung der Branchenrelevanz.