Wenn Influencer beraten und niemand haftet – Ein Plädoyer für gleiche Regeln im Finanzvertrieb (Gastbeitrag)
Im Gastbeitrag fordert Bastian Kunkel gleiche Regeln und Haftung für Versicherungsvermittler und Finfluencer im Finanzvertrieb.

Zwei Welten – ein Markt
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat kürzlich mit dem Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand der Anlageberatung“ erneut eine Regelung präsentiert, die für mehr Stirnrunzeln als Klarheit sorgt. Besonders im Vergleich zwischen regulierten Versicherungsvermittlern und sogenannten Finfluencern wird eine massive Ungleichbehandlung sichtbar. Während Erstere streng reguliert und haftbar sind, dürfen letztere nach aktuellem Stand Empfehlungen aussprechen, ohne irgendeine Verantwortung zu tragen. Ist das noch zeitgemäß – oder sogar gefährlich? (Hinweis: Dieser Artikel stellt keine juristische Bewertung dar, sondern eine persönliche Einschätzung.)
Versicherungsvermittler: Alles geregelt – und zwar bis ins Detail
Wer in Deutschland Versicherungen vermitteln will, kommt an einem komplexen Regelwerk nicht vorbei. Versicherungsvermittler benötigen eine Erlaubnis gemäß § 34d GewO, müssen im Vermittlerregister eingetragen sein, eine Berufshaftpflichtversicherung nachweisen und ihre Kundinnen und Kunden umfassend beraten. Dazu gehört nicht nur die persönliche Analyse, sondern auch eine lückenlose Dokumentation.
Die Haftung ist allgegenwärtig: Ein Vermittler, der beispielsweise zur Berufsunfähigkeitsversicherung rät und dabei etwas Wesentliches vergisst, kann im Ernstfall haftbar gemacht werden – mit allen finanziellen und rechtlichen Konsequenzen. Beratung auf Augenhöhe? Ja. Aber unter einem erheblichen Risiko.
Finfluencer: Viel Einfluss, keine Regulierung
Ganz anders sieht es bei Finfluencern aus – also jenen Personen, die über soziale Medien Tipps zu Geldanlagen, Versicherungen und Altersvorsorge geben. Laut BaFin fallen sie meist nicht unter den Tatbestand der Anlageberatung, da sie keine persönliche Prüfung vornehmen und ihre Inhalte öffentlich verbreiten. Deshalb – so die Argumentation – sei keine Regulierung notwendig.
In der Praxis bedeutet das: Ein Finfluencer kann Produkte empfehlen, ohne diese auf individuelle Eignung zu prüfen, ohne Erlaubnis, ohne Registrierung – und vor allem: ohne jegliche Haftung. Wer einem solchen Rat folgt und Schiffbruch erleidet, steht alleine da. Diese rechtliche Grauzone ist nicht nur unbefriedigend, sondern auch riskant – gerade für junge oder unerfahrene Konsumenten, die sich auf vertrauenswürdig wirkende Social-Media-Persönlichkeiten verlassen.
Sind Finfluencer vielleicht doch Vermittler – und wissen es nur nicht?
Hier wird es spannend: Denn schaut man ins Versicherungsvertriebsrecht, insbesondere in die EU-Vermittlerrichtlinie IDD, wird klar definiert, was unter Vermittlung fällt. Wer Versicherungsverträge vermittelt oder bei deren Verwaltung hilft – gegen eine Vergütung –, gilt als Vermittler. Und das völlig unabhängig davon, ob er eine offizielle Erlaubnis hat oder nicht.
Kurz gesagt: Wer durch Produktplatzierungen, Affiliates oder Kooperationen mit Versicherern Geld verdient, bewegt sich unter Umständen im Bereich des Versicherungsvertriebs. Und damit eben auch in der Pflicht zur Registrierung, Beratung und Haftung. Das Ganze wird im deutschen Recht durch § 1a VVG i.V.m. § 59 VVG geregelt. Wer ohne Genehmigung tätig wird, handelt schlicht illegal.
Die entscheidenden Fragen lauten:
- Betreibe ich Versicherungsvertrieb im Sinne des Gesetzes?
- Erhalte ich dafür eine Vergütung?
Wenn beide Fragen mit „Ja“ beantwortet werden, gelten die gleichen Regeln wie für jeden anderen Vermittler – und das zu Recht.
BaFin: Erfüllung des gesetzlichen Auftrags – nicht mehr, nicht weniger
Bevor man jedoch die BaFin zum alleinigen Sündenbock macht, sollte man sich eines bewusst machen: Die Behörde ist an geltendes Recht gebunden. Sie kann keine Gesetze schaffen, sondern lediglich deren Umsetzung sicherstellen. Wenn der Begriff des Vermittlers bei Finfluencern nicht greift, dann nicht, weil die BaFin untätig ist – sondern weil der Gesetzgeber die Definitionslücken nicht schließt.
Die eigentliche Baustelle liegt damit nicht bei der Aufsicht, sondern im politischen Raum – auf deutscher wie europäischer Ebene. Es braucht klare gesetzliche Leitplanken, wann Finfluencer als Vermittler einzustufen sind, ab wann sie sich registrieren müssen – und wann sie für ihre Empfehlungen haftbar sind.
Fazit: Fairer Wettbewerb braucht gleiche Regeln für alle
Was bleibt? Ein schiefer Wettbewerbsboden. Während Versicherungsvermittler einem hochkomplexen Regelwerk unterliegen und für jeden Fehler geradestehen müssen, agieren Finfluencer faktisch ohne Regulierung – obwohl sie oft in derselben Liga spielen.olange sich daran nichts ändert, bleibt der Verbraucherschutz ein leeres Versprechen und seriöse Vermittler werden weiter benachteiligt. Es braucht endlich einheitliche Spielregeln. Gleicher Markt – gleiche Verantwortung. Es kann nicht sein, dass Verantwortung eine Frage des Mediums ist.
Mein Appell an die Politik: Der Ball liegt bei euch. Es ist höchste Zeit, diese Ungleichbehandlung zu beenden.