Alternative Investments: Kapitalanlagestrategie deutscher Versicherer
Alternative Investments gewinnen für Versicherer weiter an Bedeutung – trotz Zinsanstieg und Regulatorik. Der Beitrag zeigt aktuelle Trends, strategische Unterschiede und Chancen.

Geschätzte Lesezeit: ca. 6–7 Minuten
Zentrale Quellen: Bundesverband Alternative Investments (BAI)
Inhalte im Überblick:
- Kapitalanlagestrategie der Versicherer
- Markttrends und Allokationsschwerpunkte
- Innovationen und ESG
- FinanceConnect-Initiative
- Herausforderungen und Regulierung
Alternative Investments haben sich in den vergangenen Jahren zu einer tragenden Säule in den Portfolios deutscher Versicherer entwickelt. Trotz veränderter Marktbedingungen – insbesondere dem Anstieg der Zinsen – bleiben diese illiquiden Anlagen ein zentraler Baustein zur Diversifikation und Renditesteigerung. Eine Studie des Bundesverbands Alternative Investments (BAI) unter 111 institutionellen Investoren mit über 2,3 Billionen Euro verwaltetem Vermögen zeigt, dass sich das Anlageverhalten deutscher Versicherer von anderen Investorengruppen unterscheidet. Im Folgenden werden die wichtigsten Trends, Präferenzen und Herausforderungen beleuchtet, die die Kapitalanlagestrategien der Versicherungen in Deutschland prägen. Der Artikel ist zuerst in unserem Themendossier im Frühjahr 2025 erschienen.
Versicherer als Vorreiter bei alternativen Anlagen
Deutsche Versicherungsunternehmen gelten im Vergleich zu anderen institutionellen Investoren als Vorreiter bei alternativen Anlagen. Laut BAI-Studie verwalten Versicherer nicht nur mehr Vermögen, sondern investieren – gestützt durch spezialisierte Teams und tiefgehendes Fachwissen – deutlich umfangreicher in alternative Investments als andere Anleger. Ein hoher Anteil der Gesellschaften hat bereits umfassende Alternatives-Portfolios aufgebaut und erreicht damit häufig die angestrebten Risiko-Rendite-Ziele.
So schätzen sich 37 Prozent der befragten Versicherer selbst als Experten für alternative Anlagen ein, während dies bei anderen Investoren nur rund 25 Prozent tun. Fast 87 Prozent der Versicherer sind in Private Equity investiert, verglichen mit 65 Prozent bei anderen Institutionen. Ebenso halten über 93 Prozent der Versicherer Infrastrukturinvestments und 95 Prozent Immobilienbeteiligungen in ihren Portfolios. Diese Kennzahlen unterstreichen, dass alternative Anlageklassen für Versicherer längst zum Mainstream gehören und integraler Bestandteil der Asset Allocation sind – auch in Zeiten steigender Zinsen.
Allokationsschwerpunkte und aktuelle Markttrends
Immobilien- und Infrastrukturinvestitionen zählen zu den bevorzugten alternativen Anlageklassen deutscher Versicherer. Laut der BAI-Erhebung planen viele Gesellschaften, ihre Allokationen in Infrastructure Equity und Debt weiter auszubauen, während Immobilienengagements tendenziell zurückgefahren werden sollen. Neue Anlageklassen darüber hinaus zu erschließen, steht weniger im Fokus, da die Versicherer in diesem Bereich bereits breit aufgestellt sind. Stattdessen rückt eine bestehende Anlageklasse verstärkt ins Blickfeld: Corporate Private Debt gilt als Nachzügler mit großem Aufholpotenzial, da sich hier vergleichsweise viele Versicherer neu engagieren wollen.
Trotz gestiegener Zinsen und damit attraktiverer Anleiherenditen bleiben Alternative Investments ein wesentlicher Portfoliobestandteil der Versicherer. Die Normalisierung des Zinsniveaus hat sogar zu einem gesünderen, ausgewogeneren Markt für illiquide Anlagen geführt; die Nachfrage nach Alternativen ist weiterhin robust. Nach einer eher moderaten Nachfrage in 2024 rechnen Marktbeobachter damit, dass sich der Trend zu Private Markets im Jahr 2025 wieder verstärkt, da institutionelle Investoren – darunter Versicherer – nach Absicherung der hohen Zinsniveaus nun verstärkt Diversifikation und neue Renditequellen suchen. Wirtschaftliche und geopolitische Unsicherheiten bleiben zwar bestehen, doch insgesamt ist die Branche gut aufgestellt, um die Chancen im Alternatives-Bereich zu nutzen.
Unterschiedliche Strategien von Erst- und Rückversicherern
Aufgrund aufsichtsrechtlicher und strategischer Unterschiede verfolgen Erst- und Rückversicherer teils verschiedene Ansätze bei alternativen Anlagen. Rückversicherer genießen größere regulatorische Flexibilität und können daher vermehrt auf Eigenkapitalinvestments wie Private Equity und Infrastructure Equity setzen. Durch ihre langfristigen Verpflichtungen sind sie in der Lage, Illiquiditätsprämien zu vereinnahmen und auf Wertsteigerungen abzuzielen. Erstversicherer – insbesondere im Lebens- und Gesundheitsbereich – unterliegen strengeren Vorgaben und bevorzugen meist einkommensgenerierende Fremdkapital-Anlagen wie Immobilien- und Infrastrukturfinanzierungen. Diese liefern stabile Erträge und helfen, garantierte Verpflichtungen zu erfüllen. In der Praxis nutzen beide Versicherertypen alternative Investments, allerdings jeweils zugeschnitten auf die eigenen Bilanzanforderungen und Risikobudgets.
Wachsende Fokussierung auf Private Debt und Private Equity
Viele Versicherer wollen ihre Engagements in alternativen Anlagen weiter ausbauen – besonders rückt dabei Private Debt in den Vordergrund. Fast 57 Prozent der deutschen Versicherer beabsichtigen, ihr Engagement in Private Debt zu erhöhen, etwas mehr als bei anderen institutionellen Investoren (rund 52 Prozent). Dies reflektiert, dass diese Anlageklasse bislang weniger stark in den Portfolios vertreten war und nun aufgeholt wird. Entsprechend stuft die Branche Private Debt derzeit als besonders attraktiv ein.
Auch Private Equity bleibt ein Kernbestandteil der Strategien. Etwa 39 Prozent der deutschen Versicherer wollen ihre Private-Equity-Allokation weiter erhöhen – deutlich mehr als im internationalen Vergleich, wo nur 29 Prozent der Versicherer ähnliches planen. Deutschland gilt als ein Schlüsselmarkt für Private Equity mit nach wie vor erheblichem Wachstumspotenzial, insbesondere bei mittelständischen Familienunternehmen auf der Suche nach Wachstumskapital oder Nachfolgelösungen. Branchenkenner betonen, dass selbst angesichts eines „Anleihen-Comebacks“ die Versicherer die Chancen von Private Equity nicht missen möchten. Die höheren langfristigen Renditechancen und die Beteiligung an strukturellen Trends machen diese Anlageklasse weiterhin zu einem wichtigen Bestandteil der Portfolios.
Innovationen und nachhaltige Ausrichtung
Die Alternative-Investment-Strategien der Versicherer entwickeln sich auch durch Innovationen und Nachhaltigkeitsaspekte weiter. Viele Investoren gehen über reine Ausschlusskriterien hinaus und integrieren ESG-Faktoren nun stärker in ihren Investmentprozess.
Dies stellt höhere Anforderungen an Asset Manager und zeigt sich z. B. in Impact-Investing-Ansätzen bei Private Equity oder in Nachhaltigkeitsstandards bei privaten Kreditvergaben. Insbesondere die hohen Infrastrukturinvestitionen der Versicherer unterstreichen den Beitrag der Branche zur Finanzierung der nachhaltigen Transformation (etwa der Energiewende).
Zugleich gewinnt die Digitalisierung an Bedeutung. Fondsmanager im Private-Equity-Bereich richten ihren Fokus verstärkt auf technologische Fortschritte – etwa den Einsatz künstlicher Intelligenz – in ihren Portfoliounternehmen, um zusätzliche Wertschöpfung zu erzielen.
Produktseitig bieten Innovationen bei flexiblen, fondsgebundenen Lebensversicherungspolicen neue Chancen. Diese erlauben es, bis zu 100 Prozent des Anlagekapitals in illiquide Anlagen bzw. Private Markets zu investieren. Sollten sich solche Produkte am Markt durchsetzen, würde dies das investierbare Kapital für Alternatives deutlich erweitern.
FinanceConnect: Joint Venture zur Schließung der Finanzierungslücke in der Energiewende
Ein aktuelles Beispiel für innovative und nachhaltige Investments ist das neu gegründete Joint Venture FinanceConnect. Gemeinsam mit Pine Valley Capital haben die Energie- und Versicherungsforen Leipzig dieses Modell ins Leben gerufen, um kommunalen Versorgungsunternehmen einen breiteren Zugang zu Finanzierungsinstrumenten zu ermöglichen, die sowohl Eigen- als auch Fremdkapital umfassen.
Darüber eröffnen sich Chancen für institutionelle Investoren – darunter Versicherungen, Asset-Management-Gesellschaften sowie Renten- und Pensionskassen – für direkte Investitionsmöglichkeiten in regionale Projekte. Neben attraktiven Renditechancen ermöglichen diese direkten Investitionen in Energiewendeprojekte den Kapitalanlegern, einen nachhaltigen Beitrag zur Transformation des Energiesektors zu leisten.
Darauf aufbauend wird derzeit auch ein neues Fondskonzept entwickelt, das die Eigenkapitalbasis von Netzbetreibern stärken soll – ein Konzept, das sich speziell an Investoren richtet, die im Heimatmarkt überzeugende und nachhaltige Investitionsmöglichkeiten suchen und dabei eher eine breiter gestreute Lösung bevorzugen.
Herausforderungen und Rahmenbedingungen
Trotz der positiven Entwicklung stehen Versicherer vor gewissen Hürden. Als größte Herausforderungen bei alternativen Investments sehen die Gesellschaften:
- die geringe Liquidität der Anlagen (47,8 Prozent der Befragten),
- sowie die regulatorischen Anforderungen (45,7 Prozent).
Zudem hemmt der sogenannte Denominator-Effekt weitere Aufstockungen: Weil der Wert anderer Vermögensklassen zwischenzeitlich sank, sind die Quoten für Alternatives relativ bereits gestiegen, was Neuinvestitionen erschwert.
Dennoch bleibt die Mehrheit der Versicherer bei Alternatives auf Wachstumskurs. Die Branche ist zuversichtlich, dass der aufsichtsrechtliche Rahmen genügend Spielraum für weitere Allokationserhöhungen bietet – entsprechend planen weiterhin mehr Versicherer, ihre Alternatives-Quoten auszubauen, als sie zu reduzieren.
Auch die Finanzaufsicht beobachtet diese Entwicklungen genau. Die BaFin hat angekündigt, 2025 ein besonderes Auge auf Versicherer mit hohen Beständen in alternativen Anlagen (etwa Private Equity und Private Debt) zu werfen und deren Limitierungen, strategische Asset Allokation und Risikomanagement intensiv zu prüfen.
Dieses erhöhte Aufsichtsinteresse unterstreicht, wie wichtig ein professionelles Management alternativer Investments für Versicherer ist. Insgesamt deutet jedoch vieles darauf hin, dass die deutschen Versicherungsgesellschaften ihren Vorsprung und ihre Position im Bereich Alternative Investments behaupten und weiter ausbauen können – innerhalb eines solide gesteckten Risikorahmens.