Nachhaltigkeitskommunikation bei der BarmeniaGothaer − Glaubwürdigkeit ist unerlässlich

Klimamüdigkeit auf Kundenseite und die regulatorisch bedingte Komplexität des Themas Nachhaltigkeit: Stephan Bongwald, Nachhaltigkeitsbeauftragter der Barmenia.Gothaer Finanzholding AG, berichtet im Interview, wie das Unternehmen Kommunikation als wesentlichen Bestandteil seiner Strategie begreift.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Nachhaltigkeit Unternehmenskommunikation ESG
Nachhaltigkeitskommunikation bei der BarmeniaGothaer −  Glaubwürdigkeit ist unerlässlich
  • Lesedauer: 4-5 Minuten
  • Themenfokus: Nachhaltigkeitskommunikation, Reputationsrisiken, Green Claims Directive
  • Highlights: Authentizität, faktenbasierte Kommunikation, Umgang mit regulatorischer Komplexität

Seit einiger Zeit ist das Phänomen der sogenannten „Klimamüdigkeit“ zu beobachten – eine emotionale Erschöpfung angesichts der zu erwartenden Klimaveränderungen und der gleichzeitigen Frage nach Verantwortung auf Seiten von Politik und Gesellschaft. Aber auch ein Misstrauen gegenüber der nachhaltigen Transformation wird immer wieder thematisiert. Wie nehmen Sie diese Entwicklung aus der Perspektive der Versicherer wahr?  

Wirtschaft und Gesellschaft haben deutlich mit Inflation, politischen Unsicherheiten und der konjunkturellen Lage zu kämpfen – da rückt das Thema Nachhaltigkeit bei vielen Unternehmen leider in den Hintergrund. Der Klimawandel duldet jedoch keinen Aufschub – daher ist es für uns nach wie vor wichtig, die nachhaltige Transformation konsequent voranzutreiben, um einen aktiven Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise zu leisten. Nachhaltigkeit ist fest in unserem Kerngeschäft und Risikomanagement verankert − unser Ziel ist es, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Deshalb setzen wir auch nach unserem Zusammenschluss zur BarmeniaGothaer auf nachhaltige Lösungen in unserem Geschäftsmodell und investieren in zukunftsweisende Maßnahmen, um den Wandel mitzugestalten. 

Wie hat sich die Kommunikationsarbeit diesbezüglich in den letzten Jahren verändert, vielleicht auch neu ausgerichtet? 

Unsere Kommunikationsstrategie im Bereich Nachhaltigkeit hat sich dynamisch weiterentwickelt. Wir legen großen Wert auf transparente Kommunikation unserer Nachhaltigkeitsinitiativen und -ziele. Unsere Kund*innen erwarten zu Recht, dass wir nachhaltige Aspekte in unserem Geschäftsbetrieb und in unserer Produktwelt berücksichtigen. Das tun wir auch: In unserer Kapitalanlage setzen wir verschiedene Kriterien und Nachhaltigkeitsstrategien um. Neben den Investitionen in erneuerbare Energien, Green Bonds und Unternehmen mit innovativen Produkten im private Asset-Bereich, erweiterten wir seit 2022 das Portfolio sukzessive um Investitionen in Naturkapital, wofür wir eine eigene Anlageklasse gebildet haben.  

Die Komplexität des Themas Nachhaltigkeit macht es erforderlich, neue Ansätze zu finden, um den Menschen die Themen näher zu bringen. Die umfangreiche Regulatorik schafft zwar notwendige Rahmenbedingungen, erhöht aber die Komplexität. Die gewünschte Transparenz kann zu einer Intransparenz führen, indem Kennzahlen, wie zum Beispiel die Taxonomiekonformität, zwar offengelegt werden müssen, man aber über ein weitreichendes Wissen verfügen muss, um diese Kennzahlen richtig interpretieren zu können. 

Auch bei der Bewertung von CO2-Emissionen fällt die Interpretation schwer. Ist eine Million Tonnen CO2 wenig oder viel? Um hier konkrete Aussagen treffen zu können, muss man wissen, aus welchen Parametern sich diese Zahl zusammensetzt und ob man am Anfang seiner CO2-Vermeidung steht oder das Ende erreicht hat. Hier hilft sicherlich die Entwicklung von Transformationsplänen, die den Weg zur Klimaneutralität beschreiben.  

Sie sind als Nachhaltigkeitsbeauftragter für die im vergangenen Herbst neu zusammengeschlossene BarmeniaGothaer tätig. Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit in der Kommunikation (intern/extern), gibt es eine Strategie?  

Nachhaltigkeit ist für uns ein zentraler Bestandteil sowohl der internen als auch der externen Kommunikation. Unsere Strategie zielt darauf ab, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil unserer Unternehmensidentität zu verankern. Durch regelmäßige Schulungen und Informationskampagnen sensibilisieren wir unsere Mitarbeitenden für nachhaltige Themen. Extern kommunizieren wir unsere Fortschritte und Ziele transparent, um das Vertrauen unserer Stakeholder zu stärken. Diese ganzheitliche Kommunikationsstrategie unterstreicht unser Engagement für eine nachhaltige Zukunft. 

Als ehemaliger Nachhaltigkeitsbeauftragter der Barmenia haben mich zwei Dinge sehr gefreut. Zum einen, dass unsere Vorstände in der ersten Pressemeldung zum geplanten Zusammenschluss Nachhaltigkeit als einen gemeinsamen Wert genannt haben, der auch für die Zukunft wichtig ist. Zum anderen hat es mich gefreut, dass wir in der neuen BarmeniaGothaer ein tolles und großes Nachhaltigkeitsmanagement-Team haben. Bei unserer täglichen Arbeit treffen wir auf viele Kolleg*innen in den Fachbereichen, die ihre Themen mit fachlicher Expertise und Herzblut vorantreiben. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Weiterentwicklung des gesamten Konzerns. 

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und der Kommunikationsabteilung? Wo liegen welche Verantwortlichkeiten?

Die enge Zusammenarbeit zwischen Nachhaltigkeitsmanagement und Kommunikation ist für uns essenziell. Das Nachhaltigkeitsmanagement identifiziert relevante Themen und entwickelt Strategien, während die Kommunikationsabteilung diese Inhalte zielgerichtet aufbereitet und sowohl intern als auch extern vermittelt. Durch diese Kooperation stellen wir sicher, dass unsere Nachhaltigkeitsbotschaften konsistent und wirkungsvoll kommuniziert werden. Wir haben regelmäßige Austauschformate etabliert, um uns kontinuierlich gegenseitig auf dem Laufenden zu halten und Themen kommunikativ voranzutreiben. Ich schätze die Zusammenarbeit bereits nach einem halben Jahr sehr. 

Inwiefern werden bei der Risikoanalyse auch mögliche Reputationsschäden durch die Kommunikation berücksichtigt? 

Glaubwürdigkeit ist in der Nachhaltigkeitskommunikation unerlässlich. Wir setzen auf faktenbasierte und transparente Kommunikation, adressieren auch Herausforderungen offen und vermeiden unrealistische Versprechungen. Durch diesen Ansatz minimieren wir potenzielle Reputationsrisiken und stärken das Vertrauen unserer Stakeholder. 

Die Kommunikation ist aus meiner Sicht durch zwei Einflüsse herausfordernd geworden: Das betrifft zum einen die Komplexität der Themen durch die umfangreiche Regulatorik und zum anderen die Green Claim Directive der EU, die Greenwashing durch falsche Werbeaussagen sinnvollerweise verhindern möchte. Die Komplexität und die Regulatorik erschweren die Kommunikation – was etwas im Gegensatz dazu steht, dass Menschen einfache Aussagen mögen, um handlungsfähig zu sein. 

Mit Blick auf Ihre langjährige Erfahrung in der Branche, welche Do's and Don'ts haben sich in der Nachhaltigkeitskommunikation bewährt, um gegenüber den Kundinnen und Kunden, aber auch gegenüber anderen Stakeholdern authentisch und überzeugend aufzutreten?  

Authentizität und Transparenz sind von entscheidender Bedeutung. Wir kommunizieren klar, wo wir stehen, welche Fortschritte wir gemacht haben und welche Herausforderungen noch vor uns liegen. Unrealistische Versprechungen oder beschönigende Aussagen untergraben die Glaubwürdigkeit. Stattdessen setzen wir auf Fakten, Offenheit und eine langfristige Perspektive. Nachhaltigkeit ist kein Sprint, sondern ein Marathon – und genau das vermitteln wir in unserer Kommunikation. 

Es ist zudem wichtig, dass die Menschen, die für die BarmeniaGothaer nach außen auftreten, hinter ihren Botschaften stehen und diese Botschaften auch leben. Das heißt nicht, dass man selbst perfekt sein muss. Ich schätze Authentizität dabei sehr. Es ist wichtig, dass Menschen an ihren individuellen Nachhaltigkeitszielen arbeiten − aber wir müssen es schaffen, dass sie gar keine andere Wahl haben, als nachhaltig zu sein. Und dazu müssen wir die Unternehmen und die Gesellschaft in eine klimaneutrale Welt transformieren. Wir beginnen mit Deutschland bis zum Jahr 2045 und dann mit der gesamten Europäischen Union bis 2050. Denn das sind die gemeinsamen Ziele, die wir uns alle gesetzt haben. 

Vielen Dank für das Interview! 

  

Stephan Bongwald wird auf der Sustainable Insurance Convention am 4. und 5. Juni 2025 in Leipzig als Speaker zu Gast sein. Wir freuen uns sehr auf seinen Vortrag am 2. Tag der Convention, im Panel „Erfolgreiche Nachhaltigkeitskommunikation − Best Practices und Umgang mit der Green Claims Directive“!