X-Degree-Compatibility-Modell: So macht die Provinzial Klimawirkungen messbar

Im Interview mit Astrid Bayer, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Provinzial Konzerns, zur Messung von Klimawirkungen.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Nachhaltigkeit
X-Degree-Compatibility-Modell: So macht die Provinzial Klimawirkungen messbar

Die Klimawirkung des eigenen Unternehmens zu ermitteln, ist kein einfaches Unterfangen. Die Provinzial setzt für diese Aufgabe auf das X-Degree-Compatibility-Modell (XDC). Astrid Bayer, Nachhaltigkeitsbeauftragte des Konzerns, erläutert, wie dieses Modell die Klimaperformance von Unternehmen bis hin zu einzelnen Investitionen transparent macht und welche Rolle es bei der strategischen Ausrichtung der Provinzial spielt. Darüber hinaus nimmt sie aber auch Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die über den Klimaschutz hinausgehen, in den Blick, einschließlich sozialer Themen und der Prävention.   

Bei der Provinzial verwendet ihr das X-Degree-Compatibility-Modell, um die Klimawirkung zu erheben. Wie funktioniert dieses Modell und für welche Bereiche setzt ihr es ein? 

Mit dem XDC-Modell kann die Klimaperformance von Unternehmen oder auch von Anlageportfolien ermittelt werden. Grundsätzlich gibt man ökonomische Daten ein und verbindet diese mit den Emissionsdaten des Unternehmens. Diese werden dann entlang des 1,5-Grad-Klimapfades oder des 2-Grad-Klimapfades modelliert. Damit beantwortet das Modell die Frage, um wieviel Grad sich das Klima erwärmen würde, wenn die gesamte Welt die gleiche Klimaperformance wie die betrachtete wirtschaftliche Einheit hätte. Der Output ist eine Gradzahl, die sich leicht mit dem Pariser Klimaziel vergleichen lässt. Darüber hinaus ist es mit dem Modell möglich, Klimaziele zu modellieren und Emissions-Reduktionspfade zu definieren. 

Bei der Provinzial sind wir zunächst mit dem Climate Impact Report für den Konzern gestartet, um eine Orientierung für die Performance des gesamten Konzerns und eine Einordnung zu den notwendigen Reduktionszielen zu erhalten. In einem weiteren Anwendungsfeld haben wir das XDC-Modell im Rahmen unserer Kapitalanlage genutzt und es zur Bewertung unserer Aktien- und Unternehmensanleihen herangezogen. Dazu haben wir die Daten eines Portfolios eingespielt und hatten dann die Möglichkeit zu analysieren, wie viel Einfluss einzelne Titel oder ganze Sektoren auf unsere finanzierten Emissionen haben. 

Welche Zeithorizonte werden mit dem Modell betrachtet? 

Das Modell projiziert den Klimapfad bis 2100. Uns kommt es nicht darauf an, Klimaneutralität zu einem gewissen Zeitpunkt auszuweisen, sondern das verbleibende Emissionsbudget für unser Unternehmen zu betrachten und entlang des Pariser Klimaziels zu modellieren. Das wird auch die CSRD künftig verlangen. In der Praxis werden die nächsten drei bis fünf Jahre konkreter in den Blick genommen. Aber es ist wichtig zu sehen, inwieweit die aktuellen Emissionsreduktionen ausreichen, oder eben auch nicht, um unseren Reduktionspfad und unser CO2-Budget einzuhalten.  

Das Modell zeigt die Wichtigkeit der nächsten sechs bis sieben Jahre deutlich, in denen wir noch aktiv Einfluss auf die Klimaentwicklung nehmen können. 

Welche Vorteile seht ihr in der Verwendung eines solchen Modells? 

Gerne erläutere ich das an einem konkreten Beispiel. Im Rahmen eines großen Hardware-Rollouts in unserem Konzern haben wir die einzelnen Hersteller der infrage kommenden Angebote mit dem XDC-Modell bewertet. Die Bewertung nach ESG-Kriterien war nämlich nicht so einfach, da man auf die Veröffentlichungen und Informationen der Hersteller angewiesen ist, die schwer vergleichbar sind. Durch den Einsatz des XDC-Modells konnten wir eine Vergleichbarkeit der Hersteller bezüglich ihrer Klimaziele und Klimaperformance herstellen und diese genauer unter die Lupe nehmen. Das war zum Teil erschreckend zu sehen, wie viel Grad die Hersteller zur Erderwärmung beitragen und wie weit die einzelnen Anbieter noch auseinander liegen, obwohl die veröffentlichten Informationen ein anderes Bild suggerierten. 

Die Vergleichbarkeit ist also ein großer Vorteil des Modells. Ebenso, dass man ein sehr gutes Gespür dafür bekommt, wie viel Verantwortung man in die Zukunft gibt. Je intensiver wir uns jetzt um die CO2-Reduktion kümmern, desto weniger müssen wir in Zukunft auf Technologien für Negativemissionen setzen, die noch gar nicht entwickelt sind. Das ist den Wenigsten in dieser Deutlichkeit bewusst und war auch für uns eine wichtige Erkenntnis.  

Das Modell und eure Herangehensweise klingen sehr komplex. Wie macht ihr das Thema für eure Mitarbeitenden nachvollziehbar? 

Wir versuchen, die ermittelten Ergebnisse gut zusammenzufassen und auf wenige Fakten zu reduzieren. In dieser Hinsicht ist das XDC-Modell sehr charmant, da es eine Grad-Celsius-Zahl ausweist. Das kann jeder verstehen.  

Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht nur, sich mit den Folgen des Klimawandels auseinanderzusetzen, sondern auch mit sozialen Themen, wie du in einem früheren Interview mit uns betont hast. Für euch standen da vor zwei Jahren insbesondere Altersarmut bei Frauen und die Folgen der Corona-Pandemie im Fokus. Wie seid ihr diese Themen in den vergangenen zwei Jahren angegangen? 

Mit Blick auf die Folgen der Corona-Pandemie standen insbesondere die Modernisierung unserer Zusammenarbeit auf der Agenda. Es wurde beispielsweise die Möglichkeit geschaffen, mobil zu arbeiten (mindestens 40 Prozent im Büro, maximal 60 Prozent im Homeoffice), um unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern möglichst viel Flexibilität zu ermöglichen.  2023 wurde zudem ein kostenfreies Mittagessen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Betriebsgastronomie eingeführt, das sehr rege angenommen wird. Das ist ein zusätzlicher Anreiz, sich persönlich zu Terminen zu treffen. Die Umnutzung unserer Gebäude wird in einem großen Projekt für die Konzernstandorte entwickelt. Es werden bei Weitem nicht mehr die Büroflächen benötigt, die aktuell vorhanden sind. Mit diesem Konzept werden moderne Arbeitswelten geschaffen, die gleichzeitig die genutzten Flächen reduziert. Das hat direkte Auswirkungen auf unsere CO2-Emissionen und auf unsere Klimabilanz. 

Die Altersvorsorge bei Frauen ist auch weiterhin ein wichtiges Thema, das in der Gesellschaft und bei den Betroffenen noch nicht genügend Präsenz findet. Bei der Provinzial haben wir eine ganze Kampagne diesbezüglich entwickelt und auch eine Vertriebspartnerin mit ins Boot geholt, die sich stark mit dem Thema identifiziert und ganz aktiv angeht.  

All diese Maßnahmen und Themen, die du angesprochen hast, fließen bei euch in den sogenannten GREENPRINT, euer Umsetzungsplan zur Implementierung von Nachhaltigkeit. Wie ist der aktuelle Stand des GREENPRINT und welche Schritte sind für die Zukunft geplant? 

Wir haben gerade mit dem Blick auf die CSRD eine Feinjustierung unserer Handlungsfelder im Rahmen unserer Nachhaltigkeitsstrategie vorgenommen. In der Kapitalanlage ergeben sich beispielsweise durch unsere Initiative in der Net Zero Asset Owner Alliance vordefinierte Steps, die wir als Meilensteine angehen. Unsere Versicherungsprodukte werden wir künftig noch konsequenter an Nachhaltigkeitsaspekten ausrichten und die Produktentwicklungsprozesse begleiten. Auch für das Underwriting wird diskutiert, welche Optionen aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten für die Provinzial umsetzbar sind. Ebenfalls haben wir ESG-Kriterien für unser Projektmanagement definiert, inklusive der Möglichkeit beim Projektstart Nachhaltigkeitspotenziale zu identifizieren. Das alles wird im GREENPRINT festgehalten und in einem iterativen Prozess überprüft, weiterentwickelt und wenn notwendig angepasst. 

Welche Rolle spielt denn das Thema Prävention im Kontext Nachhaltigkeit? 

Prävention ist für die Provinzial ein wichtiges Thema. Jeder Schaden, der vermieden wird, hilft, entstehende Emissionen zu begrenzen, Reparaturen zu vermeiden oder ganz andere bzw. viel größere Risiken in den Griff zu bekommen.  

Die Provinzial engagiert sich als öffentlicher Versicherer in den Regionen unseres Geschäftsgebiets, um verschiedenste Präventionsmaßnahmen zu begleiten. Beispielsweise trägt eine langjährige Partnerschaft mit den Feuerwehren in der Brandschutzerziehung und -aufklärung dazu bei, Risiken zu minimieren. Das fängt bereits bei den Kleinsten an, die spielerisch erlernen, wie zum Beispiel ein Notruf abgesetzt werden sollte und wie man sich im Brandfall richtig verhält.   

Ein ebenfalls wichtiger Teil der Präventivmaßnahmen sind auch soziale Projekte. Bei „Stark im MiteinanderN“ lernen Kinder und Jugendliche ihre Schule gemeinsam zu einem sicheren Ort zu machen. Ein klares Zeichen gegen Gewalt, Vandalismus und Mobbing.  

Auch das Angebot einer App mit Unwetter-Warnhinweisen gehört zu den Präventivleistungen der Provinzial. 

Prävention ist ein großartiges Thema mit ganz vielen verschiedenen Möglichkeiten. Vielen Menschen ist gar nicht so bewusst, welche Leistungen hier fernab der Versicherungsverträge erbracht werden. Da haben wir noch viel Luft nach oben in der Kommunikation.  

 

Vielen Dank für das Interview! 

 

Über das XDC-Modell der Provinzial spricht Astrid Bayer am 1. Tag der Sustainable Insurance Convention im Panel Nachhaltigkeitsmanagement/-strategie gemeinsam mit Hannah Helmke von right. based on science. 

6. Juni / 11:45 Uhr im Studio 5.1, Media City Atelier in Leipzig  

Mehr erfahren über das von Astrid Bayer im Interview angesprochene Thema Altersvorsorge bei Frauen und das Projekt „Stark im MiteinanderN“: https://www.provinzial.de/suedwest/micro/selbstvorsorgerin.html & https://www.miteinandern.de/ 

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