Diese Trends sollten Versicherer 2024 im Blick haben

Womit sollten sich Versicherer im Jahr 2024 befassen? Nach Einschätzung von Sopra Steria sind es vor allem vier große Trends, die die Branche im kommenden Jahr und darüber hinaus stark beschäftigen werden.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie & Innovation
Themen:
Trends Nachhaltigkeit Digitalisierung
Diese Trends sollten Versicherer 2024 im Blick haben

Etablierte Versicherer stehen unter erheblichem Druck: Neue Wettbewerber wie Digitalversicherer, Data-Mesh-Unternehmen oder Superpools haben sich etabliert und stehen traditionellen Assekuranzunternehmen mit neuer Marktmacht gegenüber. Gleichzeitig steigen die Erwartungen von Kunden, Vertriebspartnern und Mitarbeitenden. Die Folge: Während bei den großen Versicherern in den vergangenen fünf Jahren oft Wachstumsprogramme den Ton angaben, stehen die Zeichen jetzt wieder stärker auf Sparen. Dabei wird der Wettbewerb um die Effizienzmeisterschaft in der Versicherungsbranche vor allem auf diesen Spielfeldern ausgetragen:

  • Konsolidierung,
  • Technologie,
  • Wachstum durch Effizienz.

Mit Nachhaltigkeit kommt noch ein vierter Trend hinzu, bei dem Versicherer jedoch schon auf einem guten Weg sind.

Trend 1: Konsolidierung der Unternehmen

Volksfürsorge, Gerling, Victoria, Hamburg-Mannheimer oder AachenMünchener: Sie alle waren einmal bekannte Versicherungsunternehmen – bis sie von der Bildfläche verschwanden. Andere bündeln ihre Kräfte, beispielsweise fusionierten die Provinzial NordWest und die Provinzial Rheinland 2021. Bald werden zwei weitere Unternehmen folgen: Im dritten Quartal 2024 verschmelzen voraussichtlich die Versicherungskonzerne Barmenia und Gothaer zur Barmenia Gothaer Finanzholding AG. Dieser Trend wird sich weiter fortsetzen, denn die Branche steht unter erheblichem Druck. Kosten müssen reduziert und damit letztlich auch Prozesse optimiert oder gänzlich weggelassen werden.

Digitale Plattformen können Vertriebs- und Betriebsprozesse effizienter gestalten. Durch den Einsatz moderner betrieblicher Entwurfsprinzipien und KI-Lösungen sind sie auf der Kostenseite schlanker aufgestellt als traditionelle Versicherer. Diese müssen daher nicht nur schneller neue Produkte entwickeln, sondern insgesamt agiler und anpassungsfähiger werden.

Denn der Trend, dass branchenfremde Firmen weiterhin ins Geschäft mit Versicherungen drängen, indem sie ihr Kerngeschäft mit dem Abschluss von – in der Regel – einfachen Policen stetig erweitern, wird sich weiter fortsetzen. Das geschieht mit eigenen Angeboten oder eingebetteten Versicherungen. Digitale Technologien spielen hier eine relevante Rolle bei der Integration von Versicherungsleistungen in bestehende Produkte und Dienstleistungen. Für etablierte Unternehmen ergeben hier Zusammenschlüsse mit potenziellen Mitspielern Sinn, um den Kampf um die intermediäre Schnittstelle zwischen Kunde und Versicherer nicht zu verlieren oder teuer einkaufen zu müssen.

Die Kraft der Konsolidierung wirkt ebenfalls bei externen Vertriebspartnern der Versicherer. Dieser ohnehin schon kostspielige Vertriebskanal ist dabei, seine Verhandlungsmacht durch weitere Zusammenschlüsse kontinuierlich zu stärken. Um nicht zum reinen Risikoträger zu werden, sollten Versicherer zukünftig noch enger mit Maklern bzw. Vertriebsgesellschaften zusammenarbeiten, etwa durch die Übernahme komplexer Prozesse, die Einzelmakler oder auch kleinere Pools nicht leisten können.

Trend 2: Digitale Technologien für maßgeschneiderte Angebote

An der Kundenschnittstelle wird es 2024 weiterhin darum gehen, die Customer Experience zu steigern. Das Trendbarometer zeigt hier vor allem in Richtung KI-gestützter Servicemodelle. Die nun vorliegende Generation von KI-Lösungen ist einmal mehr ein nützlicher Helfer, Kundendaten gewinnbringend zu nutzen, beispielsweise um den Return on Investment von Vertriebskampagnen zu steigern und Fortschritte bei personalisierter Online-Beratung zu machen.

Versicherer sollten allerdings bei ihren KI-Initiativen – ob Chatbot oder Data Analytics – nicht den Fehler machen, zu glauben, allein die Technologie werde es richten. Die Prozesse müssen an die KI-Lösungen angepasst werden. Sonst besteht beispielsweise die Gefahr, dass die KI die schlechten Eigenschaften eines suboptimalen Prozesses erlernt, und dann werden sich kaum Erfolge einstellen.

Es geht somit nicht um das Ob, sondern um das Wie – denn die KI lernt aus bestehenden Prozessen, die bereits optimal sein sollten. Versicherer sind somit 2024 weiterhin gefordert, mehr aus Daten und Technologien herauszuholen, wenn sie Kundenerlebnis und Personalisierung deutlich verbessern wollen.

Trend 3: Effizienz als Wachstumsmotor

Der dritte Trend für Versicherungsunternehmen lautet Wachsen mit neuen Produkten und Services – allerdings unter der Prämisse, gleichzeitig effizienter zu werden. Unter dem bestehenden Kostendruck müssen Versicherer interne Abläufe permanent optimieren und auf Effizienz sowie Kundenbedürfnisse ausrichten. Datenanalyse, Automatisierung und künstliche Intelligenz können hierbei gute Dienste leisten.

Besonders viel Potenzial steckt in der Steigerung der Automatisierungsquote bei der Schadenbearbeitung: Eine bessere Schaden-Kosten-Quote ist gut fürs Rating und die Zufriedenheit der Kunden, die seltener kündigen und häufiger weiterempfehlen. Effizienz und Wachstum schließen sich demnach nicht aus. Neue Service und Zusammenarbeitsmodelle, gestützt durch Technologien, sorgen für gezieltere Kundenzugänge, eine verbesserte Kundendurchdringung und deutlich mehr Transparenz für Versicherer und Vertriebspartner.

Trend 4: EU-Regulatorik und Kundenerwartungen verpflichten zu mehr Nachhaltigkeit

Der vierte Trend Nachhaltigkeit wird Versicherer 2024 weiterhin beschäftigen. Regulatorische Anforderungen wie die EU-CSR-Direktive und die EU-Taxonomie-Verordnung sorgen für Handlungsbedarf. Zudem legen Kunden häufiger Wert auf nachhaltige Produkte und tugendhaftes Handeln von Versicherern. Sie erwarten mehr als nur Öko-Siegel, die oft den Verdacht des  Greenwashings wecken. Doch selbst nachhaltige Produkte und Services reichen nicht aus.

Den Fokus sollten Versicherer auf das Datenmanagement legen. Beim Identifizieren, Sammeln und Analysieren von Daten können sie viele Effizienzgewinne erzielen, aber auch liegen lassen. Großes Potenzial steckt in Data-Hub-Lösungen. Sie sind offen konzipiert, um bereits auf künftige Anforderungen an ESG-Reportings vorbereitet zu sein. Zudem lassen sich Erkenntnisse aus dem Reporting einfacher in CRM-Systeme überführen und für den Vertrieb nutzen. Dabei brauchen Versicherer übergreifende Strategien, wie sie mit Daten umgehen. Transparenz bezüglich der doppelten Wesentlichkeitsanalyse und der ausgearbeiteten Handlungsfelder trägt zudem dazu bei, Kunden zu gewinnen oder zu binden. Eine ESG-konforme Ausrichtung ist daher schon heute ein zentrales Kriterium für strategische Managemententscheidungen. Erst damit verschaffen sich Versicherer Vorteile im Wettbewerb und steigern das Kundenvertrauen.

Fazit: Kein Trend steht für sich allein

2024 wird somit für Versicherer von Effizienzprogrammen und Kostensenkungen geprägt sein. Wir werden eine Konsolidierung der Branche und weitere Zusammenschlüsse sehen. Starke Helfer bei allen anstehenden Aufgaben sind digitale Technologien wie KI sowie Prozessautomatisierung und -optimierung. Diese Instrumente gilt es stärker zu nutzen. Noch wichtiger ist es, mehr aus der Digitalisierung herauszuholen. Entscheidend ist bei allen skizzierten Trends: Ein Thema allein führt nicht zum Erfolg, sondern erst dessen Verzahnung und Einbettung in die Unternehmensstrategie

Dr. Thorsten Voith von Voithenberg
Dr. Thorsten Voith von Voithenberg
Associate Partner
Sopra Steria Next Deutschland